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Spiritualität in der CoronakriseGlauben rettet nicht, aber hilft

Ob Astrologie, Liebe, Globuli, Beyoncé, Sozialismus, Fantasie oder Jesus. Der Glaube an etwas kann uns helfen. Hauptsache, man übertreibt nicht.

Auch das Winken eines Pfarrers wie hier im US-amerikanischen Johnston mag einigen helfen Foto: David Goldman/ap

V or sechzehn Jahren legte ich ein Glaubensbekenntnis ab. Ich trug einen schwarzen Qipao, ein langes Kleid, und viel zu madamige Riemchenpumps, weil ich mich feierlich und erwachsen fühlen wollte. Dabei war das Erwachsenste an dem Tag, so zu tun, als hätte man mit vierzehn keine Zweifel: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“

Wenige Monate später stellte sich das Gefühl ein, dass ich gelogen hatte. Dass ich vielleicht mehr an die Geldscheine in Briefumschlägen und die Konfirmation als Party geglaubt hatte als an eine längerfristige Ehe mit einem Gott. Eine Gruppe Teenager studiert die Bibel. Vor einem bärtigen Pfarrer spricht man ein Bekenntnis. Man nennt das Religion?

Vor drei Jahren starb meine Abu. Wir trugen ihre Urne erst in einen Bus, dann durch Bambuswälder und schließlich auf einen Berg bei ihrem Heimatdorf. Wir hielten Schirme über die Urne, damit Abus Geist unterwegs nicht davonflog und sich verirrte. Und wir schoben uns rotes Papier in die Schuhe, zum Schutz gegen böse Geister.

Ob Schirme und Papier wirklich helfen, ist egal. Es tut niemandem weh, die Regeln zu befolgen, und es gilt das agnostische Prinzip der dünnen (Gegen-)Beweislage. In Krisen hält man sich an Bekanntem fest, an Regeln und Routinen. Vor der Grabstelle küsst die Stirn dreimal den Boden, auf dem Altar verglüht eine teure Filterzigarette für Opa. Man nennt das Kult, Tradition, Aberglaube?

Stoßgebete retten uns nicht vor einem Virus

Nun werden uns weder Verbeugungen vor den Ahnen noch regelmäßige Stoßgebete vor einem Virus retten. Trotzdem macht Glaube es erträglicher, auf Rettung zu warten, oder sich damit zu arrangieren, dass es die ultimative Rettung nicht gibt. Wir lernen aus guten Gründen, dass glauben nicht reicht. Wir müssen Fakten checken, nach den Wahrheiten – oder, noch eine Glaubensfrage – nach der einen Wahrheit suchen. Dabei stoßen wir an Grenzen, besonders in der globalen Krise. Welche Zahlen sind korrekt? Welche Informationen zuverlässig? Wie lange dauert das noch? Wem können wir vertrauen? Die Covid-19-Pandemie stellt uns auch vor Fragen, die kein:e Expert:in gänzlich beantworten kann.

Glaube ist ein Balanceakt, und Turnen ist in der Krise noch schwerer als sonst: So viel glauben, dass man sich selbst Handlungsfähigkeit und Verantwortung abspricht, ist ignorant. So wenig glauben, dass man denkt, der Mensch sei das absolute Maß aller Erkenntnis, ist arrogant. Aber irgendwo zwischen den Abgründen liegt ein sweet spot.

Ob Astrologie, Liebe, Globuli, Beyoncé, Sozialismus, Fantasie, Jesus – es geht, was guttut. Hauptsache, man übertreibt nicht. Gott, der Vater, der Allmächtige, tat mir nicht gut. Aber ich glaube, dass es anderen mit Gott besser geht. Ich glaube derweil, dass böse Geister nur geradeaus gehen können. Dass die klügsten Menschen mehr Fragen als Antworten haben. Dass wahrscheinlich nie alles gut wird, aber zwischendurch einiges sehr, sehr gut sein kann. Und ich glaube, dass Glauben vermutlich nicht rettet, aber hilft.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
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67 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Es tut niemandem weh, die Regeln zu befolgen, und es gilt das agnostische Prinzip der dünnen (Gegen-)Beweislage."

    Das ist sicher nicht verkehrt, darum am Samstag etwas Totengeld verbrennen nicht vergessen ;-)

    • @Sven Günther:

      Sind Agnostiker nun auch verdächtigt ihre Entscheidungen und Handlungen wissenschaftlich beweisen zu müssen?

      • @Rudolf Fissner:

        "Es tut niemandem weh, die Regeln zu befolgen, und es gilt das agnostische Prinzip der dünnen (Gegen-)Beweislage."

        Ist ein Zitat aus dem Artikel.

  • Bei Globuli hilft auch der Glauben...

  • Wenn der Glaube an ein übernatürliches Wesen dasselbe ist wie meine Beyonce-Verehrung, dann bleiben mir nur zwei Schlussfolgerungen:

    1. Die enge Pforte war einmal der Königsweg des Glaubens, jetzt scheint sie nur noch das Ziel jener, die die Leuchtkrame an der weiten Pforte übersehen haben: "Heute Eintritt frei!"



    2. Bin ich froh, dass es in meinem Glauben kein Abbildverbot gibt.

    • 0G
      05158 (Profil gelöscht)
      @pitpit pat:

      Jetzt kommt es auf die Formulierung an!

      Ihr Satz."... Die enge Pforte war einmal der Königsweg des Glaubens.."..(Der Rest(des Satzes) ist noch apparter...)

      Dieser Satz könnte von Klassikern, Gegenwartsliteraten*in in den unterschiedlichsten Varianten interpretiert werden.

      Ganz zu schweigen, wie von H.R., W.D., J.R., E.E.K., und natürlich K.T. .

  • Ich finde die Autorin hat für die taz einen sehr guten differenzierten Artikel geschrieben.

    Weder Gläubige noch nicht gläubige sind per se bessere Menschen.



    Ein gegenseitiger Respekt voreinander sollte allerdings schon gewahrt werden.

    Schließlich gilt es zu bedenken dass zwar die Existenz Gottes nicht bewiesen werden kann - jedoch gibt es für die Nichtexistenz Gottes ebensowenig einen Beweis.



    Dasselbe gilt für ein ewiges Leben nach dem Ende des irdischen Daseins.

    Insofern sind sogar "nicht gläubige" darauf angewiesen an ihre Überzeugung glauben, was sie wiederum zu auch Gläubigen macht.

    • @Poseidon:

      Die Nichtexistenz von Einhörnern ist auch noch nicht bewiesen. Wir werden darauf auch ewig warten können, denn die Nichtexistenz von etwas zu beweisen ist unmöglich.

      Mit anderen Worten: Niemand muss die Nichtexistenz Gottes beweisen. Es ist auch kein Glaube, dass kein Gott existiert, sondern eine sinnvolle Hypothese. Im Gegensatz zur Annahme sprechender Dornbüsche.

      • @pitpit pat:

        Hauptsache Beyoncé existiert.

        • @Jim Hawkins:

          ;)

          Wer Augen hat, der sehe!

  • "Und ich glaube, dass Glauben vermutlich nicht rettet, aber hilft."



    Ich nicht ! Im Gegenteil denke ich, daß Glaube in solchen Situationen vorwiegend schadet. Hier drei taz-Artikel allein von heute, die das belegen:



    taz.de/Brasiliens-...d-Corona/!5675865/



    taz.de/Coronavirus...675918&s=tansania/



    taz.de/Corona-Rest...675774&s=orthodox/

    • @jhwh:

      Religionen auf Beispiele vom rechten Rand - Evangelikale oder Orthodoxe Juden - zu reduzieren ist eine ziemlich einseitige na ja "unwissenschaftliche" Weltsicht.

      • @Rudolf Fissner:

        So ähnlich argumentiert die AfD, wenn man sie auf ihren "Flügel" anspricht :)

        • @jhwh:

          Ich glaube, Sie haben ihre Vergeallgemeinerungslogik selber nicht verstanden. Wenn man ihrer obigen Logik folgt sind alle politisch Aktiven Nazis. Nicht nur die vom Afd-Flügel.

        • @jhwh:

          Sind denn die Khmer Rouge exemplarisch für den Kommunismus?

          • @Sven Günther:

            Wer oder was wäre denn exemplarisch für den Kommunismus?

            • @Stefan L.:

              Prinzipiell bisher nirgends.

  • Zum Glauben gehören auch Sprüche wie: "Strafe Gottes", und andere ähnliche Aussagen. Nein, Glaube hilft nicht wirklich. Die Geschichte hat es bewiesen. In unserem Gedächtnis streichen wir all das Leid, das der Glaube in einem Menschen anrichtet, aus. All die Zweifel, Ängste und Widersprüche, die untrennbar mit der religiösen Idee verknüpft sind.

    • @Hampelstielz:

      Wann haben Sie sich zuletzt mit welchem Glauben beschäftigt?! Den Begriff „Strafe Gottes“ werden Sie zumindest bei den üblichen Amtskirchen schon seit ein paar Jahren nicht mehr gefunden haben können...

    • @Hampelstielz:

      Manche streichen das Leid aus, Andere das Gute...

      • @Normalo:

        Was ist das Gute am Glauben an die Erbsünde, was ist das Gute daran zu glauben, dass eine Macht vorherbestimmt hat, dass man nun Leiden muss? Die Stunden der Zerwürfnisse, der Selbstzweifel und -negierung trägt man beim Gottesdienst oder im Gespräch nicht nach außen. Die Ängste, in Ungnade gefallen zu sein auch nicht.



        Was liegt Gutes darin? Erkläre es mir bitte etwas genauer und nicht mit einem standardisierten Satz a la "... spendet Hoffnung und Kraft...".

        • @Hampelstielz:

          Q.E.D. Wieder nur die negativen Beispiele erwischt...

          Was ist mit Nächstenliebe? Was ist mit "Du sollst nicht töten(stehlen/begehren Deines Nächsten was auch immer)"? Was ist mit Vergeben statt Rächen?

          Das jetztmal nur beispielhaft und aus einer einzelnen Religion. Ich könnte ziemlich lang weitermachen. Die meisten von uns merken gar nicht, wie selbstverständlich sie Werte leben (oder wenigstens vertreten), die irgendwann mal religiös etabliert wurden.

          Für die, die es brauchen, ist auch allein das Bewusstsein, dass nach dem irdischen Tod nicht Schluss ist, ein wesentlicher Quell der Hoffnung. Das sind gar nicht mal wenige. Du magst Dich für viel souveräner halten als diese Menschen und ihnen lieber Deine Souvernänität wünschen als irgendeinen Glauben. Aber denen fällt , und ja, für die, die es brauchen ist auch das Bewusstseins eben nicht so leicht, sich mit ihrer Vergänglichkeit abzufinden, und es ginge ihnen erheblich schlechter, wenn sie diese Hoffnung nicht hätten.

          • @Normalo:

            Das sind moralische Grundnormen, welche nicht durch Religion und speziell nicht durch das Christentum entwickelt wurden. Die Beispiele, in welchen gegen diese Gebote verstoßen wurden kennst du und ihre Wirkung übertreffen den Grad der Hilfen, der Almosen und Brotkrümel

            • @Hampelstielz:

              Ein Blick rund um die Welt - gerade auf die Teile, wo es das Christentum nicht so hingeschafft hat - sollte dartun, dass es eben KEINE naturgesetzliche Entwicklung war, dass wir diese "Grundnormen" heute für selbstverständlich halten. Anderswo gilt die Bitte um Vergebung - und AUCH deren ungesühnte Gewährung - immer noch als Zeichen von Schwäche, und der Schwächere wird untergebuttert, weil er es nicht besser verdient hat. Auch die Raubrittermentalität "Wenn der Andere nicht genug aufpasst, dann nehme ich mir halt, was mir gefällt" hat anderswo z. B. in Afrika, Asien oder im islamischen Raum nicht den starken moralischen Makel, den sie hier hat. Dort werden entsprechende Verstöße auch im Sinne einer Vergeltung (=Rache oder Wiederherstellung der Machtverhältnisse) bestraft, nicht als feinsinnige "General- und Individualprävention".

              Andere Kulturen haben andere Säulen, auf denen ihr Zusammenleben ruht, und andere Pfade, auf denen sie auch zu einem mehr oder minder sozialen Miteinander finden. Aber die Gedanken, von denen ich sprach, sind speziell die des "christlichen Abendlandes". Sie funktionieren in anderen Kulturen so nicht sondern sind immer nur kolonial übergestülpt. (Gandhi z. B. hatte das kapiert und umgekehrt seine Besatzer mit Waffen in die Flucht geschlagen, die gegen einheimische Machthaber nie funktioniert hätten).

              Sie können Sich ruhig weiter einreden, das sei alles "zwangsläufig" NEBEN dem Christentum (dessen ethische Dogmatik unseren Kontinent 1500 der vergangenen 1700 Jahre fest im Griff hatte) so entstanden. Aber so richtig glauben können Sie sich das auch nicht, oder?

              Man muss unterscheiden zwischen der Heilslehre an sich und dem, was machthungrige Menschen aus ihr (wie aus jeder anderen Lehre auch, übrigens) im Laufe Zeit an Missbrauch entwickelt haben. Beides steht nebeneinander und ist nicht "verrechenbar".

  • Ich sach's mal so: „Der Glaube kann Berge versetzen“ und wenn das tatsächlich so stimmen sollte, wäre es doch die Katastrophe in der Katastrophe. (;-))

    • @Rainer B.:

      Quatsch, die Infektionskurve ist auch ein Berg, und um den zu versetzen geht es ja gerade ;-)

      • @Hanne:

        Nöö - eine Kurve ist eine Kurve und ein Berg ist ein Berg. Das wird Ihnen nicht nur jeder Fahrlehrer sofort bestätigen können (;-))

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    In einer hoffnungslosen Situation erleichtert der Glaube das Sterben.

    In einer nicht hoffnungslosen Situation verhindert er das rationale Handeln, weil man auf ein nicht existentes Pferd setzt.

    Siehe Brasilien und USA, um mal die Länder mit dem schlimmsten Aberglauben zu nennen.

  • In Nigeria prophezeite einer der bekanntesten Pfingstkirchenführer das Ende des Coronavirus für vergangenen Freitag. Es kam anders

    Dann glaubt schön weiter...

    Ich persönlich glaube auch. Allerdings glaube ich, dass dieser Glaubens-Schwachsinn nie enden wird, der ganze Völker mordet und Menschen in wervoll und wertlos einteilt

    • @ Christoph:

      "Allerdings glaube ich, dass dieser Glaubens-Schwachsinn nie enden wird, der ganze Völker mordet und Menschen in wervoll und wertlos einteilt"

      Na ja Deutschland ist ja eher bekannt, dafür von areligiöser Seite aus ganze Religionen erst in solche Kategorien zu stopfen und dann ...

  • Liest man den Spiegel-Artikel zu Priestern in Norditalien ( www.spiegel.de/pan...-b7e1-db249b4ab991 ) dann kann man die implizite Überschrift "Glaube rettet nicht aber hilft" [einem selbst] ausweiten auf [und andere].



    Geistliche sind dort aufgrund der Betreuung von schwerst infizierten Corona-Patienten im Bereich Palliative Care "sogar besonders gefährdet".

  • Pro: Menschen finden im Glauben Trost und können sich besser fühlen.

    Contra: Menschen finden im Glauben Schuldgefühle und können sich schlechter fühlen. Glaube verhindert ausserdem oft wichtige Maßnahmen und tötet gerade auch jetzt unzählige Menschen. Glaube sät gewred jetzt Hass und Schuldzuweisungen...

    • @Wiener:

      Pro: Glaube ist das Narrativ, das Menschen zur Kooperation verleitet und damit wichtige Maßnahmen überhaupt erst möglich macht und unzähligen Menschen das Leben rettet.

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @rero:

        Ist jetzt eine Beleidigung von Ungläubigen. Und der heutigen Zeit besonders perfide. Oder haben sie Beweise dafür, dass alle im Gesundheitswesen gläubig sind.

        • @4813 (Profil gelöscht):

          Das beleidigt niemanden. Im Gegenteil.

          Wer im Gesundheitswesen tätig ist, glaubt an den Humanismus, die Menschenrechte oder die Gleichheit aller Menschen, die Nation - oder eben an einen Gott oder mehrere.

          Wer altruistisch gegenüber Fremden tätig wird, muss an irgendwas glauben. (Beyoncé ist mir jetzt zu blöd, wobei Frau Hierse ja recht hat sie zu erwähnen.)

          Der Beweis, den sie wollten: Der Verdienst ist für die meisten im Gesundheitswesen nicht so toll.

          Wenn man Glaube nicht auf Theismus einengt, haben Sie quasi keine komplett Ungläubigen.

          Möglicherweise wurde nicht deutlich, dass es mir um die Ambivalenz geht, die aus meiner Sicht auch im letzten Satz von @Wiener vorhanden ist. Wiener hat ja recht, ich habe ihn nur ergänzt.

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @rero:

        Das ist einfach nur Quatsch

      • @rero:

        Dass Menschen kooperieren kommt nicht aus dem Glauben, sondern aus der Evolution.

        • @Elvenpath:

          Auch der Glaube kommt aus der Evolution. Er fiel vermutlich nicht vom Himmel.

  • Gebete helfen gar nicht. nicht die mit Dank und nicht die mit Stoß.



    Wir müssen die Religionen runter hohlen von dem ihrem eingeräumten traditionellen Thron.

    Denn die jeweilige Religion ist bloß eine Weltanschauung, von denen es so viele wie Menschen gibt, und speziell hier eine mit Gottesbehauptung, von denen es auch einige gibt. Jede Religion hat zu dieser Gottesbehauptung weitere Schichten von Behauptungen hinzugefügt. Dazu gehört die Seele, die angeblich unsterblich sei und der noch weitere Eigenschaften angedichtet werden. Aber auch die Gebete, also daß dieser Gott in der Lage sei ungesprochenes wahrzunehmen und fähig zu sein daraufhin den Lauf der Welt zu ändern weil Gott sie gemacht habe. Zu viele gewagte und widerlegte Behauptungen finde ich.

    • @Friedensgrenze:

      Glaube ist und wirkt immer subjektiv. Daher bringt es wenig, ihn objektiv zu verurteilen. Nehmen Sie die Gedanken von Frau Hierse lieber als eine Beobachtung, die für sie, aber auch für viele andere Menschen zutrifft.

      Auch Ihre Beobachtungen treffen sicherlich auf viele Menschen zu, aber deshalb wird niemand in die Lager versetzt, religiösen Glauben Anderer abzuschaffen, weil er abgeschafft gehört. Das jämmerliche Scheitern aller atheistisch ausgerichteten Ideologien bei diesem Versuch sollte darauf Hinweis genug sein.

      Ich komme ganz gut ohne Religion aus. Sie wahrscheinlich auch. Aber darin, sich über die Reliosität Anderer zu echauffieren, sehe ich keinen Sinn.

      • @Normalo:

        Man soll jedem seine Religion lassen (aber man darf sie kritisieren und bescheuert nennen). Ich weiss nur nicht, was eine "atheistisch angehauchte" Ideologie sein soll. Wir leben in einem sekulären Staat, in dem Gott nur ins Privatleben gehört - was mit sehr gut gefällt und auch so bleiben soll. Wenn sie mit atheistisch "antireligiös" meinen - meinetwegen. Dann reden wir aber von Diktaturen, die ins Privatleben reinregieren wollen. So wie übrigens alle theistischen Staatsformen.

        • @Wiener:

          Religion gehört genauso wenig nur ins Privatleben wie Sport oder Kultur. Sie ist ein gesellschaftliches Phänomen, das auch in der Öffentlichkeit seinen Platz hat. Deshalb sind Überschneidungen mit dem Staat ("res publica") unvermeidlich. Zum Beispiel hätte die Würde des Menschen in unserem staatlichen Wertesystem ohne christliche Vorprägung der Moralvorstellungen nicht diese herausragende Bedeutung - weder quantitativ noch qualitativ.

          Und die Überschneidungen gehen weiter: Man mag sich eher für einen Humanisten als für einen Christen halten, aber das ändert nichts daran, dass der Humanismus seine Wurzeln auch in der christlichen Ethik hat. Was für eine Witzfigur wäre Marx mit seinen Ideen, hätte nicht ein junger Rabbi vor etwa zweitausend Jahren angefangen, sehr erfolgreich die Gleichwertigkeit der Menschen und die universelle Solidarität zu predigen? Wäre Marx ohne diesen Unterbau überhaupt auf seine Ideen gekommen?

          Wir sehen in Religionen gerne nur das Anachronistische, die starre Dogmatik, die die Welt nicht wahr haben will, so wie sie ist. Dabei vergessen wir leicht, wie wenig universell und unbelastet von eben solchen Dogmen unser eigener Blick auf die Welt ist.

      • @Normalo:

        Glücklicherweise haben wir Weltanschauungsfreiheit. Die gilt für alle Menschen egal ob mit und ohne Gottesbehauptung.Meiner Meinung nach schadet eine Gottesbehauptung wenn es darum geht vernünftig zu sein.

        Die Viruskrise stützt diese Weltanschauung. Die meisten französischen Infizierten stammen vom Gottesdienst in Straßburg bei dem gefastet und gebetet wurde. Genauso in Süd Korea. Auch die italienische Verbreitung könnte mit der Unvernunft Gläubiger in Zusammenhang stehen. Wir Menschen können es besser als jeder Gott.

        • @Friedensgrenze:

          Als ob sich areligiöse Menschen nicht in potenziell ansteckender Weise versammeln würden...

          An Ihrem letzten Satz ist was Wahres dran, aber er führt das vorher Gesagte ad absurdum. Denn WEIL wir Menschen so ziemlich jede Ausrede nutzen, um irgendeinen Blödsinn zu machen, kann man den Blödsinn auch nicht pauschal irgendeiner Religion in die Schuhe schieben. Sie ist nur eine Ausrede von vielen.

          Und was Vernunft betrifft: Religiöse Heilslehren sind überwiegend ganz schön vernünftig, die Unvernunft liegt häufiger in ihrem Anachronismus als in irgendwelchen inhaltlichen Brüchen. Aber ein ganz erheblicher Teil ihrer Wertesysteme ist auch völlig zeitlos brauchbar, und es ist gar nicht so einfach, sie mit etwas Vernünftigerem zu ersetzen, das in gleicher Weise zum Mitmachen motiviert (Merke: Ein Regelwerk, dem niemand folgen will, ist niemals der Weisheit letzter Schluss, egal wie "vernünftig" es ist). Deshalb halten sich Religionen ja auch so hartnäckig.

  • Glaube an einen Gott hilft nur denen, die daran glauben. Aber nicht, weil der Gott irgendwie auf ihre Gebete reagiert, sondern weil sie selbst oder ihre Mitgläubigen auf ihre Gebete reagieren. Das könnten sie freilich auch ohne die Gebete.

    • @What If:

      Na ja. bei Egos hilft nie etwas. Ob mit oder ohne Glauben.



      Manchen aber, wie Geistlichen in Norditalien bspw. hilft der Glaube anderen zu helfen: www.spiegel.de/pan...-b7e1-db249b4ab991

      Woher die Menschen ihre Kraft zur Solidarität ziehen ist mir letztlich wurscht. Mich nerven eher immer jene, die die Solidarität anderer schlecht machen wollen.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Ich tausche Glaube gegen Hoffnung.

    Und auf einmal merkst du äußerlich:



    wieviel Kummer zu dir kam,



    wieviel Freundschaft leise von dir wich,



    alles Lachen von dir nahm.

    Fragst verwundert in die Tage.



    Doch die Tage hallen leer.



    Dann verkümmert deine Klage …



    du fragst niemanden mehr.

    Lernst es endlich, dich zu fügen,



    von den Sorgen gezähmt.



    Willst dich selber nicht belügen



    und erstickst, was dich grämt.

    Sinnlos, arm erscheint das Leben dir,



    längst zu lang ausgedehnt. – - –



    Und auf einmal – -: Steht es neben dir,



    an dich angelehnt – -

    Was?



    Das, was du so lang ersehnt.

    Joachim Ringelnatz

  • Glaube kann helfen, sicher.

    Aber er kann (leider) auch schaden, sogar töten: Wie meine Lebensgefährtin, die mehr als ein Jahr damit verbracht hat, ihre Symptome ˋganzheitlich´ und homöophatisch behandeln zu lassen. So lange, bis der Krebs nicht mehr in einem gut behandelbaren Frühstadium war, das 89% Heilungsaussichten gehabt hätte (nach Schulmedizin, ohne Glaube), sondern eben final war.



    Lag wahrscheinlich daran, dass Krebszellen nicht zuhören und schon gar nicht glauben, wenn irgendwer etwas total überzeugendes faselt.

    Glauben *nach* oder *zusätzlich zu * einer wissenschaftlichen Methode ist ziemlich wertvoll, *anstatt* einer solchen bestenfalls harmlos - oder eine darvinistische Funktion.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ich stimme der Autorin uneingeschränkt zu: Der Glaube an etwas k a n n uns helfen. Muss es aber nicht.

    Gerne glaube ich an das, was ich sehe, was ich fühle und was ich weiß. Und tue alles mögliche, dies nicht zu vergessen. Jedenfalls nicht so schnell.

    Letztlich ist aber kein Glaube für mich die letzte Sicherheit. Denn wir alle glauben an andere Dinge. Da ist es schwer, dass aus Glauben Gewissheit wird.

    Meine besonderen Freunde, die Ameisen, sind uns Menschen da weit voraus. Obwohl sie (wahrscheinlich) nicht glauben können, verfügen sie über eine höchst beeindruckende Schwarmintelligenz. Die basiert wohl eher auf Instinkt und Intuition.

    Spiritualität hat da weit enger gesteckte Grenzen. Viele Probleme lassen sich mit Spiritualität nicht lösen. Mehr noch: sie werden erst durch unterschiedliche Spiritualität geschaffen.

    Wie viele verschiedene Götter gibt es weltweit?

    • 0G
      00677 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Beim Lesen Ihres Beitrags lief eine Ameise über meinen Frühstückstisch, verzweifelt auf der Suche nach ihrem Schwarm. Ich bewunderte ihren Glauben daran, dass er irgendwo sein muss, und ihre Intelligenz, nach ihm zu suchen, - eine animalische Intelligenz, die von Menschen in ihrem Größenwahn so instinktlos als "Instinkt" gebrandmarkt wird, obwohl sie evolutionär erst Bedingung der Möglichkeit ihrer eigenen war.

      "Die Philosophie ist eigentlich dazu da, das einzulösen, was im Blick eines Tieres liegt." (Adorno im Gespräch mit Horkheimer 1956)

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @00677 (Profil gelöscht):

        Da ich hier von Instinkt und Intuition geschrieben habe, müsste ich mich auch als Adressat Ihrer Winkel-und-Ecken-Kritik angesprochen fühlen.



        (Aber vielleicht verstehe ich Sie auch miss.)

        Instinkt ist in meinem Wertesystem etwas sehr Kostbares. Nie käme ich darauf, Instinkt zu "brandmarken". Als ich, angestoßen von Menschen, die ich zuletzt betreut habe, den Instinkt für mich selbst entdeckte, hat sich mein Leben grundlegend verändert.

        Die von Ihnen herausgelesene Konnotation des menschlichen Größenwahns ist nicht meine.

        Ich folge im Übrigen Adorno in Vielem. Bei Ihrem Zitat würde ich freilich gerne danach differenzieren, welcher Blick welches Tieres gemeint ist. Denn jeder Blick ist - bei Mensch und Tier gleichermaßen - eine Frage des BlickWINKELS.

  • Bitte was? Wie kann man denn Sozialismus mit dem ganzen anderen Mist gleichsetzen? Ja, mit Sicherheit mag es Einzelne geben, die den Boden des dialektischen Materialismus verlassen und es daher idealistische Auswüchse annimmt aber an sich ist der Sozialismus erst mal die Idee einer anderen Gesellschaftsordnung ganz konkret und ohne Jenseits Klimbim!

    • @RosaLux:

      Richtig! Es kann nur den einen richtigen wahren Glauben geben. Es ist ein Unding "richtig" mit "falsch" zu vergleichen!

      • @Rudolf Fissner:

        Es ist ein Unding, existierende Dinge mit Hirngespinsten zu vergleichen.



        Sozialismus existiert, bzw man kann ihn jederzeit existent machen. Götter nicht.

        • @Elvenpath:

          Ja ja, der real existierende Sozialismus :-) .... existiert ach nicht mehr. Der Glaube an ihn natürlich immer noch.

        • @Elvenpath:

          Utopie bleibt Utopie - ob irdisch oder überirdisch. Es wird ein Wunschzustand erträumt, und weil es den nicht gibt, wird er für real oder realisierbar erklärt, um den Traum nicht zu zerstören. Der wesentliche Unterschied zwischen Religion und Sozialismus ist nur, dass erstere als Traum primär gegen die Angst vor dem Tod wirkt, letzterer nur gegen die Angst vor dem Leben.

          ...und gemein haben Religiöse und Sozialisten, dass sie diese Aussagen empört zurückweisen, soweit sie ihre jeweilige Anschauung betreffen, weil sie sie wider aller historischen Beweislage für offensichtlich falsch halten. So funktioniert Glaube nunmal...

    • @RosaLux:

      Dafür, dass er doch so materialistisch sein soll, verfügte der Sozialismus aber bislang in allen Staaten, in denen er versucht wurde, über jede Menge religiöses Gepräge. Heilige Schriften (Mao-Bibel!), Prozessionen (Organisierte Aufmärsche, komplett mit “Heiligenbildern” von Mitgliedern des jeweiligen Regimes), “Morgengebete” in Schulen und Betrieben, Heiligenverehrung in Gestalt von Personenkulten, Jugendweihen, Mythologien, “heilige” Symbole (Hammer, Sichel, Zirkel), Bestrafung von “Sündern”, das Versprechen eines Paradieses...wo ist da keine Quasireligion?

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @RosaLux:

      Gestorben wird aber auch im Sozialismus im Diesseits. Hat der Sozialismus für das Jenseits etwas zu bieten? Im Diesseits sah es bisher auch ziemlich mau aus. Nicaragua, El Salvador, Venezuela, DDR., Simbabwe, Moçambique, und viele andere. Die Katholen und Evangelen sowie Muslime haben durchaus eine soziale Komponente die auch für das Diesseits ein Richtung angibt und darüberhinaus auch etwas für das Jenseits.

    • @RosaLux:

      Allein der Tonfall Ihrer Antwort ist Beweis genug dafür, dass auch der Glaube an den Sozialismus den Menschen in die gleiche Irre führt und ihn zu den gleichen irrationalen Denk- und Handelsweisen verleitet, wie jede andere Ideologie oder Religion...

      • @boidsen:

        verstehe ich jetzt nicht. Was hat mein Ärger darüber, dass Dinge miteinander gleichgesetzt werden, die eben nicht gleich sind, damit zu tun? Da reimen sie sich jetzt aber eine Kausal-Kette zusammen, die keine ist. Was sie raus lesen können, ist dass ich Religion ablehne! Das wäre richtig.

        • 0G
          05158 (Profil gelöscht)
          @RosaLux:

          Wer mit" Die Partei, die Partei, die hat Recht, die hat immer Recht" aufgewachsen ist und in seinem Leben alle Errungenschaften des real existierenden Sozialismus in vollen Zügen genießen konnte, um sich zur allseits gebildeten sozialistischen Persönlichkeit zu entwickeln, der antwortet gerne nochmal mit:

          Steffi Spira

          www.youtube.com/watch?v=QKYeCkcOBYA

          Das Experiment Sozialismus ist sowas von gescheitert.!

        • @RosaLux:

          Sozialismus ist eine Idealvorstellung und als Idee wie das Jenseits ebenso real und wirksam in Köpfen vorhanden wie real in der Wirklichkeit nicht vorhanden.

          • 0G
            05158 (Profil gelöscht)
            @Rudolf Fissner:

            quod erat demonstrandum

            s.. Artikel über ihnen!

        • @RosaLux:

          Ich tippe drauf, Sie sind nicht im Sozialismus aufgewachsen.

          Statt Jenseits gibt es ein nicht erreichbares Diesseits, den Kommunimus.



          Der Kommuninismus war nur noch nicht erreicht, weil die Menschen noch nicht ausreichend geläutert waren.



          Ziel war es aber, den "neuen" Menschen zu schaffen.



          So lernte man es als Jugendlicher.



          In der SU nannte man das "Sowjetmensch".

          Die Analogien sind durchaus sichtbar.

          Marx stiftete eine humanistische Religion, keine theistische. Den Klimbim haben sie aber mit bei.

      • @boidsen:

        Den Gedanken kann ich nachvollziehen, alleine die Stoßrichtung halte ich für verkehrt.

        Religionen sind einfach nur Weltanschauungen mit eingebauter Gottesbehauptung. Es ist die Gottesbehauptung die ich angreife weil sie eben nicht nur nicht schadet sondern ganz massiv Schaden auf Einzelne oder Gruppen übertragen hat. Im Gegensatz dazu hat der "Sozialismus" der ja durchaus die Knöpfe der Atomraketen hätte drücken können am Ende des Wettrüstens, sich dafür entschieden bei eigenem Untergang des Weltanschauungssystems die Menschheit vor dem Tod zu bewahren.

        Ein Trump oder Putin hätte diese Noblesse nicht. Das könnte an der Gottesbehauptung liegen.

        • 9G
          97287 (Profil gelöscht)
          @Friedensgrenze:

          Am Ende des Wettrüstens hat auch der Kapitalismus nicht den Knopf gedrückt. Das Bedrohungspotential haben beide Systeme beibehalten. Mit Der Sozialismus , oder die Idee ist doch nicht untergegangen.

        • @Friedensgrenze:

          Sie erinnern sich, dass Trump gerade dafür kritisiert wird, dass er us-amerikanische Soldaten aus mehreren Konflikten abzieht, weil er nicht bereit ist, sie dort sterben zu lassen.

          Bei Trumps Antritt haben viele befürchtet, er würde in verschiedenen Konflikten weltweit militärisch intervenieren.



          Das Gegenteil ist der Fall. (Bewirkte auch wieder Kritik.)

          Ich bin bestimmt nicht Mitglied im Trump-Fanclub, aber fiel vorwerfen kann man ihm in dieser Hinsicht nicht.

          "Im Gegensatz dazu hat der "Sozialismus" der ja durchaus die Knöpfe der Atomraketen hätte drücken können am Ende des Wettrüstens, sich dafür entschieden bei eigenem Untergang des Weltanschauungssystems die Menschheit vor dem Tod zu bewahren."

          War da wirklich so viel Noblesse?

          Der Sozialismus, von dem Sie hier sprechen, hat schon vorher so viele eigene Leute über die Klinge springen lassen. Da ist es nicht völlig absurd, wenn mal einer kommt und sagt: "Das reicht jetzt."

          Außerdem war irgendwann klar, dass das Knöpfchen auch die eigenen Welt atomar mitauslöscht.



          Für mich ist es nicht direkt Noblesse, keinen Suizid zu begehen.