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Soziologe über Soziale BubblesMuss jede Grüne AfDler kennen?

Wir umgeben uns mit Leuten, die uns in Status und Ansichten ähnlich sind. Aber ist das ein Problem? Der Soziologe Olaf Groh-Samberg erforscht Blasen.

Neubausiedlung im Prenzlauer Berg. Wenn alle Häuser gleich sind, trifft das auch auf ihre Be­woh­ne­r:In­nen zu? Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz
Friederike Gräff
Interview von Friederike Gräff

wochentaz: Herr Groh-Samberg, wie homogen ist eigentlich Ihr eigener Bekanntenkreis?

Bild: Lukas Klose
Im Interview: Olaf Groh-Samberg

Groh-Samberg ist Professor für Soziologie am Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen und Sprecher des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ). Er ist einer der Au­to­r:in­nen des ersten Zusammenhaltsberichts des FGZ, der unter dem Titel „Entkoppelte Lebenswelten?“ erschienen ist.

Olaf Groh-Samberg: Ziemlich homogen.

Als Hochgebildeter gehören Sie zu einer der Risikogruppen für das Leben in sozialen Blasen.

Ja, es ist eine Bubble.

In Ihrer Studie beschäftigen Sie sich auch mit den Risiken der Abkopplung sozialer Gruppen – sehen Sie da bei sich nun Handlungsbedarf? Nach dem Motto: Ich fahre jetzt mal häufiger Bus, um andere Milieus zu treffen?

Klar ist das etwas, was mich bewegt. Ich bin Soziologe und zudem Ungleichheitsforscher. Wenn ich eine Stadt besuche, dann fahre ich auch in Stadtteile, die normale Tou­ris­t:in­nen vielleicht nicht besuchen, weil ich ein bestimmtes soziologisches Interesse habe. Trotzdem ist es nicht einfach, darüber persönliche Freundschaften und Bekanntschaften zu anderen sozialen Milieus herzustellen.

Warum sind Hochgebildete und Grünen-Wähler:innen besonders häufig in ihren sozialen Netzwerken abgeschottet?

Soziale Bekanntschaftskreise und Netzwerke werden sehr stark über Arbeitsplätze und Bildungsinstitutionen vermittelt. Das deutsche Bildungssystem ist sehr stark segregiert. Das heißt, es stellt bestimmte Gelegenheitsstrukturen, die sozial vorgefiltert sind. Dazu kommt die Tendenz, dass Menschen die grundsätzliche Neigung haben, sich mit ähnlichen Menschen zu vernetzen. Man nennt das Homophilie. Es gibt auch die Tendenz einer gewissen Abgrenzung zwischen sozialen Gruppen, wir sprechen dann von einer Distinktionsstrategie. Das kann bis zu einer offenen Feindseligkeit reichen und spielt in Deutschland entlang politischer Linien eine große Rolle.

Schon immer blieben Aka­de­mi­ke­r:in­nen sehr stark unter sich, aber damals waren das kleine elitäre bildungs­bürgerliche Zirkel

Wenn Homophilie und Distinktion zeitlose Strategien sind, was ist dann das Neue an sozialen Blasen?

Wir haben die Daten über persönliche soziale Netzwerke in Deutschland zum ersten Mal in dieser Form erhoben, deshalb haben wir keine Vergleichserhebung aus früheren Zeitpunkten. Aber wenn man sich die Entwicklung über die letzten Jahrzehnte anguckt, dann weiß man aus der Ungleichheitsforschung, dass sich Stadtteile zunehmend sozial auseinanderdividieren. Es gibt hohe Segregationstendenzen im Schul-, Ausbildungs- und Hochschulsystem …

… und zugleich immer mehr Aka­de­mi­ke­r:in­nen – mischen sich da nicht Gruppen, die früher getrennt blieben?

Es hat alles zwei Seiten. Aka­de­mi­ke­r:in­nen blieben schon immer sehr stark unter sich, aber das waren damals kleine elitäre bildungsbürgerliche Zirkel. Heute stellen die Aka­de­mi­ke­r:in­nen eine nennenswert große Bevölkerungsgruppe. Früher gab es eine stärkere Mitte, in der sich die Menschen ähnlicher waren im Hinblick auf ihren Bildungsstand und ihre berufliche Stellung.

Wo ist die Entkopplung am deutlichsten?

Wir sehen sie besonders stark im politischen Raum. Sicherlich nicht so krass wie in den USA, aber es gibt auch in Deutschland eine starke Polarisierung, und zwar zwischen Personen, die den Grünen und solchen, die der AfD nahestehen.

Wie viele Grüne muss eine AFD-Wählerin kennen und umgekehrt, um nicht entkoppelt zu sein?

Wenn „die meisten“ Bekannten Grüne sind, aber trotzdem „viele“ der AfD nahestehen oder wenn „viele“ im eigenen Netzwerk Grüne sind, aber „einige“ auch AfDler:innen, gilt das Netzwerk nicht mehr als homogen. Es kommt also auf das Verhältnis beider Gruppen an.

Und wie ist es bei den anderen Parteien?

Wir mussten uns in der Befragung beschränken, deshalb haben wir die beiden Parteien gewählt, von denen wir aus anderen Studien wissen, dass sie die größte ideologische Distanz zueinander aufweisen. Das sind in Deutschland im Moment die AfD und die Grünen.

Jenseits der Grünen-/AfD-Wähler:innen und Hochgebildeten: Welche Gruppen sind innerhalb der Studie als sozial abgekoppelt aufgefallen?

Ländliche Gruppen sind sehr stark unter sich sowie Gruppen mit muslimischem Glauben. Bei Menschen mit Migrationshintergrund ist die Tendenz, unter sich zu bleiben, sehr gering.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Nur eine Vermutung, da wir die Ursachen nicht direkt erfragt haben: Der muslimische Glaube ist etwas, das stärker über religiöse Einrichtungen vermittelt zu einer Netzwerkbildung beiträgt, während ein Migrationshintergrund so verbreitet ist, dass er nicht zu einer Netzwerkbildung führt.

Es gibt eine Studie der Technischen Universität Dresden, wonach die gefühlte Polarisierung stärker ist als die reale. Deshalb warnen manche So­zio­lo­g:in­nen davor, dass der Diskurs über eine mutmaßliche Polarisierung ein Problem verschärft, das so drastisch gar nicht existiert.

Der öffentliche Diskurs ist immer polarisierter als die tatsächliche Meinung in der Bevölkerung. Es gibt aber mindestens an den Rändern eine Polarisierung, die in den letzten Jahren größer geworden ist.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wenn Sie in Ihrer Studie als parteipolitische Gruppen AfD- und Grünen-Wähler:innen nehmen, anstatt beispielsweise CDU und SPD, tragen Sie dann zu diesem Bild bei?

Wahrscheinlich schon. Es macht aber auch einen Unterschied, ob Sie die Studie lesen oder die Berichterstattung darüber. Natürlich wird dann genau der Befund mit den Grünen und der AfD besonders stark hervorgehoben.

Welches Ergebnis würden Sie in der Berichterstattung gerne wiederfinden?

Ich würde hervorheben, dass die deutsche Gesellschaft nicht in totalen Parallelgesellschaften lebt. Wir haben viele Netzwerkmerkmale erhoben und die Tendenz zur Segregation ist jeweils sehr unterschiedlich ausgeprägt. Wir sehen zum Beispiel, dass diejenigen Armen, die sich in homogenen Netzwerken bewegen, sich in ihren Einstellungen und vor allem in ihren Erfahrungen deutlich unterscheiden von armen Personen, die sich nicht in homogenen Netzwerken bewegen. Sie machen deutlich mehr Abwertungs- und deutlich weniger Zusammenhaltserfahrungen.

Woran liegt das? Man könnte doch vermuten, dass man in einem homogenen Bekanntenkreis weniger Abwertung erfährt.

Über die Ursachen kann ich wieder nur spekulieren beziehungsweise auf den Forschungsstand zurückgreifen: Wir wissen, dass Armut sehr stark sozialräumlich segregiert ist und dass gerade Be­woh­ne­r:in­nen sozial abgehängter Viertel sehr stark unter sich bleiben und sich zugleich sehr stark stigmatisiert und abgewertet fühlen – allein aufgrund ihrer Wohnadresse.

Und bei welchen Bevölkerungsgruppen macht es umgekehrt keinen Unterschied, ob man in einer sozialen Blase lebt oder nicht?

Zum Beispiel bei gering Gebildeten. Diese Gruppe hat zwar eine starke Tendenz zur Segregation. Aber wenn wir uns gering Gebildete anschauen, die sich in homogenen Netzwerken bewegen und gering Gebildete, die sich nicht in solchen Blasen bewegen, dann unterscheiden sie sich nicht stark in ihren Einstellungen und in ihren Werten.

Heißt es für Sie unterm Strich: Entwarnung in Sachen Parallelgesellschaften?

Das Problem mit Warnungen und Entwarnungen ist, dass sie Trendaussagen erfordern. Die können wir nicht machen. Aber ein wichtiger Befund ist, dass AfD- und Grünen-Wähler:innen sehr stark voneinander segregiert sind und sich auch wechselseitig maximal ablehnen.

Ist das ein Problem?

Es kann dann ein Problem werden, wenn sich bestimmte soziale Gruppen aus dem Auge verlieren. In bestimmten Milieus ist kein Verständnis mehr dafür da, wie die Lebenswirklichkeit in anderen Milieus aussieht und was für Zumutungen zum Beispiel bestimmte gesellschaftliche Transformationen für andere bedeuten, die für das eigene Milieu kein Problem sind.

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47 Kommentare

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  • Persönliche Empfindung: als rechts denkender Mensch (was bedeutet das überhaupt konkret?) wird man mittlerweile in Deutschland stigmatisiert und direkt als rechtsextrem eingestuft.



    Per Definition muss irgendwo die Mitte sein, daraus folgt aber bereits, dass das Spektrum auf beiden Seiten gleich schwer wiegt. Würde man jetzt alles rechts der Mitte loswerden, verschiebt sich diese logischerweise und es gibt wieder etwas rechts davon.



    Das nächste Problem sind reflexhafte Verknüpfungen: Beispiel: Klimawandelskeptiker —> rechts; Nicht-Genderer —> rechts. Das macht überhaupt keinen Sinn, oder kann es keine gendernden Nazis geben, die Lastenfahrrad fahren?



    Viele eher linken Menschen fahren ältere Autos mit zweifelhaften Umweltstandards: sind das dann etwa doch Rechte?



    Früher fühlte ich mich bei der Union zu Hause, heute leider nicht mehr. Die Alternative ist auch nicht das Wahre. Deswegen hoffe ich auf Maaßen - dessen Partei schon als rechtsradikal dargestellt wird, bevor sie überhaupt richtig gegründet wurde.



    Frau Wagenknecht dagegen ist zugleich links- und rechts(extrem)



    Früher konnte man mit dem Nachbarn, der anderer politischer Meinung war, noch einen trinken gehen, heutzutage stehen sich die „Blöcke“ dermaßen gegenüber, dass man mit einem Eingeständnis der politischen Meinung jede Beziehung zerstören würde.



    Deshalb hoffe ich jetzt auf ein AfD Verbotsverfahren, um die Partei damit entweder zu rehabilitieren oder aber einer neuen Partei den Weg frei zu machen.

    • @Phönix24:

      Ich kann zwar mit Ihrer politischen Denkrichtung jetzt nicht allzuviel anfangen, mich stört aber schon seit langem, dass insbesondere in Zeitung und TV rechts und rechtsextrem synonym verwendet wird. Wer rechts ist, bewegt sich im völlig normalen politischen Spielfeld, wer rechtsextrem ist, bewegt sich außerhalb dieser Grenzen. Warum ist das (vielen ) Journalisten so schwer vermittelbar?

      • @Bommel:

        Fragen wir denn laut Wikipedia rechtsextremen Politiker Maximilian Krah.

        "Krah lehnt den Begriff „konservativ“ für sich und die AfD ab, seine politische Zuordnung beschreibt er selbst klar als „rechts“."

        de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_Krah

        Wie das Rechte nun mal so tun. Die paar Figuren, die sich selbst als Nazis oder Rechtsextreme bezeichnen, sind Relikte aus den 90-er-Jahren.

        Denken wir an die "Neue Rechte". Die zeichnet sich eben auch dadurch aus, dass sie nicht doof ist.

        Nicht krakeelt, sondern Symposien abhält, ein missing link zwischen Konservativen und echten Nazis darstellt.

        So wie Krah. Kennen Sie auch nur einen Politiker von der CDU, der von sich als "Rechter" sprechen würde?

        Außer vielleicht Maaßen und der ist ja nicht mehr dabei.

        • @Jim Hawkins:

          "ein missing link zwischen Konservativen und echten Nazis darstellt."

          ... Sie haben Krahl und seine mistig duftenden Gedanken vermisst? Krahl hat Ihnen gar die Augen geöffnet?

          Soviel Dummheit traue ich Ihnen nicht zu, auf das Geschwätz der Rechten hinein zu fallen. Sie wissen doch ganz genau, was Rechtspolisten und Rechtsextreme damit bezwecken, wenn diese von Demokratie, Sozialismus, "sozial" oder "rechts" sprechen. Sie wollen Begriffe besetzen.

          Und mancher, der sich links gibt, macht diese Spielchen mit um damit gegen mitte-rechts zu agieren.

          • @Rudolf Fissner:

            „ Soviel Dummheit traue ich Ihnen nicht zu, auf das Geschwätz der Rechten hinein zu fallen“. Bestätigen Sie nicht gerade selbst die These durch Ihren eigenen Sprachgebrauch?

          • @Rudolf Fissner:

            Warum denn so giftig?

            Ist das eine Neuigkeit für Sie, dass die Neue Rechte diese Scharnierfunktion hat?

            Und: Kennen Sie Konservative, die sich als Rechte bezeichnen?

            • @Jim Hawkins:

              Was sollen solche Fragen? Sie wissen selber zu gut, wie die Parteienlandschaft politikwissenschaftlich in links und rechts einsortiert ist. Wollen Sie die CSU etwa der Linken zuordnen? Ich glaube kaum. Ich nen, Krahl ist mit Sicherheit nicht Politikwissenschaftler.

  • In der Bahn, in der Kneipe, im Verein, nach dem Elternabend, im Supermarkt: Zeit für ein Pläuschchen ist immer, und eine Weile zuhören darf auch sein. Nachfragen, Gegenargumente bringen, respektvoll, natürlich auch.



    Dabei gibt es - Verblüffung - tatsächlich wahrscheinlicher Zutreffendes und weniger wahrscheinlich Zutreffendes. Und das Leben ist wohl gesünder, je näher es am Zutreffenden bleibt. Was nicht die eigene vorige Meinung sein muss.



    PS: Zeitungsabo hilft häufig etwas.

  • Bei mir ist das komplett durchmischt. Verstehe gar nicht wie das gehen soll. Da müsste man ja lauter alte Freunde oder auch Familie aus seinem Leben verbannen...



    Klar, so Menschen gibt es auch, aber ich glaube den meisten sind Freundschaften wichtiger als Politik.

  • Es ist sicher richtig, dass auch Grüne tendenziell eher in ihren Kreisen verkehren.

    Dennoch macht es einen großen Unterschied ob man sich über den Qualitätsjournalismus informiert. Sich als Demokrat gebärdet, der auch andere Meinungen respektiert...

    oder

    ..ob man sich nur noch über seine/ihre geschlossenen Netzwerke informiert, alle anderen Informationsquellen als "Systemmedien" diffamiert und andere Meinungen prinzipiell als "von oben dirigiert" einordnet. All das ist in afd Kreisen leider sehr verbreitet..

    Und btw..dass die afd keine Argumente hat, bzw, diese nicht anerkennt, zeigt sich aktuell daran, dass sie jetzt die großen Demonstrationen als "Systemgesteuert" und Fake darzustellen versucht. Aber leider werden einige afd Anhänger auch auf diesen Mist herein fallen.

    Es daher zutreffender zu sagen: Grüne bewegen sich in ihren Welt offenen "Clustern", afdler eher in ihren aktiv abgeschotteten "Blasen".



    (in gewisser Weise hat die afd ja sogar Sektenähnliche Züge - siehe die ARD Doku über afd Aussteiger).

    Bleibt also die Frage wie erreicht man afd Sympathisanten. Wie kommt man an diese Menschen heran um ihnen aufzuzeigen mit welchen Lügen und Fake News die afd sie in ihre Fänge zieht..

    Na ja immerhin: der afd/Pegida Mythos von wegen "wir sind das Volk" dürfte gerade zusammen gebrochen sein..und das ist ja schon mal ein ermutigender Anfang..

  • Es kommt auch darauf an, was man unter "hochgebildet" versteht.

    Ich bin Aka­de­mi­ke­r (Diplom-Psycholge), aber einige Bekannte wie Elektrotechniker, KfZ-Mechaniker oder Restaurant-Besitzer haben deutlich mehr Wissen als ich.

  • Solange Grünren-Wähler nicht 24/7 im Homeoffice herum hängen, die Verwandschaft, Kollegen und Nachbarn meiden und nur zum Besuch eines Bioladens das Haus verlassen ist es durchaus möglich nie überhaupt mit Wählern anderer Parteien in Kontakt zu kommen.

    Die Anzahl dieser Spezies Mensch dürfte aber auch bei den Grünen gegen null gehen.

    Von daher lautet für mich die Frage nicht "Muss jede Grüne AfDler kennen?" sondern, warum weiß man nicht, dass der Schwager, die Cusine, der Kollege, der Nachbar, der gute Bekannte, der aus dem Verein ... AfD wählt?

    Die Blase ist m.E. keine reale zwischen Menschen. Sie ist eine virtuelle. Man trifft sich schon, meidet aber politische Themen. Man redet nicht über Migration. Man geht dem Ärger aus dem Weg.

    Das öffentliche politische Reden abseits der Medien ist abhanden gekommen.

    • Annette Hauschild , Autor*in ,
      @Rudolf Fissner:

      Also ich glaube, dass man sehr genau weiß, wo die werte Verwandtschaft politisch hintendiert und was die wählt. Von meiner Familie weiß ich es sicher. Worüber spricht man denn am Mittagstisch und bei Familienfeiern? Nur übers Essen?

      • @Annette Hauschild:

        Urlaub, Hausbau, Krankheit, Witze, Arbeit, Essen natürlich, die Kinder ... konfliktträchtige Themen werden i.d.R. gemieden.

        Das man in einer Welt, wo jeder fünfte ein AfD-Wähler ist, keine AfD-Wähler kennt, ist mir sonst nicht erklärbar. Dafür sind die Zusammenhänge, wo ich keinen Einfluss auf die Teilnehmenden habe zu viele.

        Aber vielleicht stimmt auch schon die Grundannahme, das man keine AfDler im eigenen privaten Umfeld kennen könnte, bereits nicht.

  • Was fast alle sozialen Milleus in DE im wesentlichen gemeinsam haben, ist dass sie absolut null Erfahrung haben, wie 90% der Weltbevölkerung lebt. Auf Müllkippen als Kind Rohstoffe einsameln, das kennt man hier nicht. Da bildet die deutsche Gesellschaft eine eigene Oberdeckblase

    • @Rudolf Fissner:

      Das stimmt zwar, hilft uns aber für das Zusammenleben in D nicht weiter.

      Es wäre ja schon ein Fortschritt, wenn sich wenigstens die Menschen in einem Land untereinander verstehen würden...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Priorittäten sind in DE imer auch im Hinblick auf den Rest der Welt zu setzen.

        • @Rudolf Fissner:

          Wäre schön. Aber seinen wir mal ehrlich. Dazu sind die meisten Menschen, speziell die meisten Deutschen, viel zu egoistisch.

          Wer will hier schon verzichten, damit Kinder nicht mehr auf Müllkippen Rohstoffe sammeln müssen? Ab und zu ein paar Scheine in den Klingelbeutel und das Gewissen ist beruhigt...

    • @Rudolf Fissner:

      "Was fast alle sozialen Milleus in DE im wesentlichen gemeinsam haben, ist dass sie absolut null Erfahrung haben, wie 90% der Weltbevölkerung lebt."

      Besonders viel "Erfahrung" kann man damit in der Regel auch nicht haben. Bezüglich entsprechender Kenntnisse mag die Relation hingegen stimmen. Aber das ist kein neues Phänomen. Die Menschheit hatte vermutlich in mehr als 99% ihrer gesamten Geschichte keine Ahnung davon, wie viele Mitglieder ihrer Art es überhaupt gibt, und dementsprechend auch keine Ahnung davon, wie meisten Anderen leben. Geändert hat sich das erst in den vergangenen Jahrhunderten, insbesondere innerhalb der letzten hundert Jahre. Allerdings sind Menschen an das Leben in überschaubaren Gruppen/Rudeln/Horden angepasste Lebewesen. Die Menschheit war nie eine gemeinsame Herde. Und daran ändern die heute verfügbaren Informationen wenig.

      Es gibt unzählige größere und "kleinere" Krisenherde auf dieser Welt: Ukraine, Israel/Palästina, Syrien, Irak, Libyen, Myanmar, Sudan, Mali, Haiti, Venezuela usw.. Kein Mensch ist in der Lage, neben der notwendigen Bewältigung seines Alltags den jeweiligen (im Verhältnis zu seinem Umfeld gigantischen) Rest der Welt im Blick zu haben und zu behalten. Also konzentrieren sich die meisten Menschen auf das, wovon sie glauben, dass es vielleicht (direkte) Auswirkungen auf ihr eigenes Leben haben könnte. Und das ist bei uns dann eher die Ukraine, als z. B. der Sudan.

      • @Al Dente:

        So isset.

        Nur sollte das eigentlich nicht für die Politik gelten.

        Wofür haben wir Volksvertreter, wenn nicht un einen kühlen Kopf zu bewahren und die Gesamtsituation zu analysieren.

        Weil es mag so wirken als würde uns der Krieg in Syrien oder sie Situation in Afghanistan/Iran deutlich weniger angehen als die Ukraine.

        Aber in einer globalisierten Welt gibt es praktisch keine reine lokalen Krisen.

        Die Auswirkungen spüren immer auch wir, nur zeitverzögert und in unterschiedlichen Formen.

        Anders als zur Zeit der Höhlenmenschen oder eigentlich zu jeder anderen Zeit der Menschheitsgeschichte ist sie Menschheit so mobil und die Grenzzäune so hoch, wie noch nie zuvor.

        Unser heutiges Verständnis von geschlossen Grenzen ist kaum älter als das Internet bezogen auf die gesamte Menschheitsgeschichte.

        Diese kamen mit dem Buchdruck, der erst eine homogene Kultur/ Sprache / Schrift zur Identifikation ermöglichte.

        • @sociajizzm:

          Die Ukraine ist wenige Autostunden von Berlin entfernt und dieser kleine Krisenherd kann existenzbedrohend für unser Land und unsere Demokratie werden. Bzw. ist es schon.

    • @Rudolf Fissner:

      Da haben Sie leider recht.

  • Interessanter Artikel, teilweise.



    Aber was ist jetzt so neu daran?



    Es sind dich eher bereits genannte Situationen.

  • Normale Leute die mit dem billigen alten Verbrenner Auto zur schlecht bezahlten Arbeit fahren sollte man schon kennen. Im Zweifelsfall hat man die bei der eigenen Arbeit direkt vor der Nase. Sicherheit/Pförtner, Reinigungspersonal usw Hab letztens mit einem Mann gesprochen der einen Stuhl geliefert hat und sich unseren geschlossenen Kiosk angeschaut hat. Er meinte noch es sei doch besser so etwas zu betreiben als Stühle zu schleppen, der war nett. Ist für alle ganz gut wenn man an den Kollegen nicht mit erhobener Nase vorbei läuft.

  • Früher gab es noch eine andere Form von "Klammern einer Gesellschaft", nämlich neben den Vereinen für Sport etc, die viele verbanden oder noch verbinden, die Kirchen mit ihren Ritualen und Veranstaltungen und die Parteien, vor allem die, die sich als sogenannte Volksparteien begriffen. Heute ist Diversifizierung und Schrumpfung nicht zu übersehen. Austritte sind allenthalben vernehmbare Reaktionen auf ein Ende der durch viele Veränderungen in die Jahre gekommenen "Prinzipientreue".



    /



    taz.de/Klimasuende...n-Milieu/!5972047/

  • Die (moderne) Demokratie beruht darauf, dass alle Bürger:innen sich beteiligen dürfen und nicht ausgeschlossen werden. Zusammen mit Freiheit, die darauf beruht, dass der Staat nichts regelt, was privat bleiben darf und die Allgemeinheit nichts angeht, mit dem Rechtsstaat, der allgemeine und nicht individuell-willkürliche Entscheidungen garantiert, und mit dem Sozialstaat, der insbesondere fordert, dass das Eigentum nicht nur geschützt wird, sondern auch zu Leistung verpflichtet, würde das alles politisch schon ganz gut funktionieren.



    Allerdings hat die neoliberale Ideologie den Sozialstaat ausgehöhlt und die Debatten über „Identität“ (ja, auch und gerade von der Identitären Bewegung, die das seit den 1980ern forciert), den Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung sturmreif geschossen.



    Wenn wir uns als Gesellschaft doch nur wieder darauf einigen könnten, nicht in allem einig zu sein, anderer Meinung sein und bleiben zu dürfen, und gleichzeitig die oben angeführten Grenzen als gemeinsamen Rahmen anzuerkennen, dann wäre Vieles besser.

  • Wer rechts ist, ist für mich gestorben. Ihr mögt es Blase nennen, ich selbst schütze mich davor von rechts eingenommen zu werden.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Hallo, ich kann diese Sichtweise ganz gut nachvollziehen. Gerade wenn man jünger und vlt nicht ganz so gefestigt ist, kann man darin eine Gefahr sehen von der falschen Seite eingenommen zu werden. Ich selbst sehe diese Gefahr für mich überhaupt nicht. Meine politische Meinung ist dafür viel zu klar um von einigen verwirrten Menschen aus meinem Umfeld umgepolt zu werden. Vielleicht kannst du ja mit zunehmender Standhaftigkeit auch offener sein. Dem Land und seiner Bevölkerung würde es vermutlich besser tun als die Abschottung die du betreibst. Somit treibst du ja auch die, die du meidest immer weiter in die Arme von Rattenfängern. Aber klar, das muss natürlich jeder so machen wie er oder sie es kann :)

    • @Troll Eulenspiegel:

      Auch schon wer nur rechts ist? Also nicht rechtsextrem oder rechtsradikal? Entschuldigung, aber das verstehe ich nicht…gerade wenn Sie ein gefestigt linkes Weltbild haben (davon gehe ich jetzt mal aus), ist es doch umso wichtiger auch mal mit nichtlinken Menschen argumentativ in einen Austausch zu treten, allein schon um den eigenen Standpunkt immer wieder kritisch hinterfragen zu können (was ja ab und zu keinesfalls schaden kann).

      • @Saile:

        Nein, danke.

        Wenn ich anfangen muss, den Schutz von Juden zu hinterfragen, Menschenrechte hinterfrage, oder ob man die Todesstrafe nicht doch toll finden kann, dann kann mir der Austausch gestohlen bleiben.

        Ähnlich bei weiteren Dingen.

        • @Troll Eulenspiegel:

          Na, das, was du benennst, verbuche ich schon unter rechtsextrem, nicht rechts.

          Alle paar Monate mit dem konservativen CDUler aus der Nachbarschaft oder dem Onkel, der sich gern FDP-nah und rechtsliberal gibt, Standpunkte zu klären, finde ich durchaus hilfreich fürs Schärfen der eigenen argumentativen Waffen.

  • Lustig ist die Unterscheidung zwischen Hochintelligenten und Grünen-Wähler bzw. AFDeppen Wähler

    • @Ahnungsloser:

      Ok, also Bubble.

  • Gut dass auch mal über die linken Blasen gesprochen wird. Da sind ja nicht nur die Menschen versammelt, die man sich in den rechten Blasen vorstellt. Da sind auch klammheimliche zumindest dann AFD-Wähler, wenn sie ehrlich zu sich selber wären. Solche Blasen sind schon etwas merkwürdiges, hauptsächlich ein Ort der Selbsttäuschung und der Bestätigung. Politisch definiert sind sie in Wirklichkeit kaum, jedenfalls nicht bei den "Linken". Bei den Rechten ist zwar die Vorstellung von "denen da oben" konstitutiv, zunehmend bestimmend ist aber doch eher die Eitelkeit des Andersdenkens, der Stolz auf das Durchschauen, so etwas. Ist das wirklich Politisch? Was bleibt dann für ein Unterschied? Ein finanzieller ja wohl auch nicht, AFD- Wähler sind ja durchschnittlich auf einem Einkommensniveau von Grünen oder FDP- Anhängern. Ist es also vielleicht in Wirklichkeit sehr zufällig in welcher Blase man landet? Sollte man sich nicht vor allem mal mit dem Bedürfnis nach einer Blase beschäftigen? Denn vielleicht ist es zufällig in welcher Blase man landet, aber nicht, dass man überhaupt in einer landet. Oder vielleicht trifft das Gegenteil zu und man ist drin ohne es zu merken. Ach, Freiheit wäre doch was Schönes! Wenn man sich nur trauen würde.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Als Linksgrünversiffte mit der Ordnungsmentalität einer Else Kling würd ich sagen: Rechts und AfD ist mehr "Glas halb leer - und du/ die Anderen/ die da oben/ die Ausländer sind schuld! Rettet mein Privileg, ICH bin wichtig! - Was kann ich schon tun außer meckern? - Ich will ne starke Hand, die regelt!"



      Links ist mehr "Glas ist halb voll - es muss sich was ändern, verdammt nochmal, und bei so vielen anderen ist es noch leerer, da muss man mal was tun - ich könnte ja auch was tun! Mal sehen, ob die Nachbarin mitmacht!"

      Jajajaja, idealisiert, klar. Aber m.E. sind "Linke" veränderungsbereiter als "Rechte" und haben ein insgesamt positiveres Menschen- und Weltbild. Ich finde mich deutlich sympathischer als die dumpfen AfD-Hansels und Motzköppe, die hier so rumlatschen...

      Und: Darf ich mir meine Freund:innen und Bekannten nach Sympathie aussuchen oder muss ich mir die, um der Blasenbildung zu entgehen, nach Proporz als Gruppe zusammenstellen? ;)

      • @hierbamala:

        Ich denke jeder Mensch umgibt sich am liebsten mit anderen Personen, die ihm oder ihr sympathisch sind, da bin ich nicht anders.

        Allerdings spielt für mich die politische Position der ausgewählten Personen nun gar keine Rolle, mein Freundes- und Bekanntenkreis ist daher bunt gemischt.

  • Der abschließende Satz des Interviews bringt es auf den Punkt:

    "In bestimmten Milieus ist kein Verständnis mehr dafür da, wie die Lebenswirklichkeit in anderen Milieus aussieht und was für Zumutungen zum Beispiel bestimmte gesellschaftliche Transformationen für andere bedeuten, die für das eigene Milieu kein Problem sind."

    Besser (und kürzer) kann man es kaum sagen.

    Unsere Demokratie gibt uns (noch) die Möglichkeit, den Einfluss dieser Milieus zu begrenzen, egal ob es sich dabei um rechtsradikale handelt (AfD & Co) oder eher linke (Grüne & Co) oder sich in der "Mitte" verortende (FDP).

    • @Al Dente:

      Keine Panik.

      Der Klimawandel wird die "Lebenswirklichkeit" auf das Essentielle runterbrechen.

      • @Ajuga:

        Unsere Gesellschaft ist aber so gestrickt, dass zumindest ein kleiner Teil ohne große Einschränkungen weiter gut leben kann. Eine Frage des Geldbeutels...

  • Irgendwie reden die Fragestellerin und der Herr Professor leicht aneinander vorbei. Zwar wurden hier Grünen- und AfD-Wähler verglichen, die Studie geht aber doch viel weiter, etwa was Wohnsituation usw. betrifft. Daher muss - mit der Überschrift - der Grünen-Wähler gar keinen AfD-Wähler "kennen". Der Grünen-Wähler sollte aber Menschen kennen (oder kennenlernen wollen und sich damit beschäftigen), die in anderen Milieus leben, andere Probleme haben und andere Prioritäten. Das heißt ja nicht, dass er diese übernehmen soll, es reicht erst mal, davon überhaupt zu wissen.

  • Für mich ist da ein ehemaliger Bekannter exemplarisch: Alleinstehender Professor in Berlin Mitte, geerbtes Haus, eigene Kinder lehnte er aus "gesellschaftlicher Verantwortung bei der Überbevölkerung" ab. Sich selbst als global denkend sehend, ist sein Umfeld meist berlinerisch-akademisch. Er belehrte mich über meinen Egoismus, weil ich Kinder auf dem Land mit dem Moped zur Schule bringe anstatt Busse zu nehmen. Dass meine Kinder seine Bezüge bezahlen werden, sah er nicht als Widerspruch. Er ist da kein Einzelfall.

    • @Waldläufer:

      Was haben seine Altersbezüge damit zu tun, ob die Kinder Bus fahren? Da sehe ich auch keinen Widerspruch.



      Oder gehts drum, wer wen als egoistisch hezeichnen darf?

      • @decaflo:

        Es geht darum, dass es eine widersprüchliche Haltung ist, einerseits aus "gesellschaftlicher Verantwortung" heraus auf eigene Kinder zu verzichten, andererseits von ebendieser Gesellschaft zu erwarten dass sie für die Altersrente aufkommt, was nur funktionieren kann, wenn andere Menschen genügend Kinder in die Welt setzen.

    • @Waldläufer:

      Das hätte mich als Kind ganz schön genervt. Wieso darf ich nicht meine Hausaufgaben wie alle anderen im Bus abschreiben? Und Vokabeln lernen fällt im Bus auch leichter. Wir wissen ja mittlerweile, dass beim Lernen die Wiederholungen zählen. Nix für ungut ;-)

      • @Gostav:

        Hallo, das meine ich mit Blase: Sie vergessen, dass es oft keine akzeptablen Verbindungen auf dem Land gibt. Berlin ist nicht überall. Meinen Sie wirklich, ich habe Lust, 2 Kinder auf getrennten Wegen zur Schule zu bringen?