Shitstorm auf Twitter: Tauber lästert über Minijobber
CDU-Generalsekretär Peter Tauber erntet Kritik für einen Tweet über Minijobs – zu Recht. Sein Satz ist gleich aus mehreren Gründen dumm.
Jetzt hat auch Peter Tauber seinen Kurt-Beck-Moment. Tauber ist CDU-Generalsekretär, ein wichtiger Mann für Merkels Wahlkampf, und er vergriff sich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter im Ton. In einer Diskussion über das Versprechen von CDU und CSU, bis 2025 Vollbeschäftigung zu schaffen, fragte ihn am Montagabend ein Nutzer: „Heißt das jetzt drei Minijobs für mich?“
Tauber schoss – offenbar ohne groß Nachzudenken – zurück: „Wenn Sie was Ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.“ Klatsch. Die arrogante Antwort des Christdemokraten hatte das Potential, ein echter Rohrkrepierer zu werden. Taubers Antwort klang nicht nur wie eiskalter, elitärer Technokratensprech, sie war auch aus mehreren Gründen inhaltlich falsch.
Erstens schützt heutzutage eine (ordentliche) Ausbildung nicht mehr vor schlecht bezahlten Jobs, mit denen sich keine Familie ernähren lässt. Tauber sollte sich mal bei Angestellten in der Gastronomie oder im Wachschutz schlau machen. Es war seine CDU, die an der Expansion des Niedriglohnsektors tatkräftig mitgewirkt hat. Zweitens beleidigte Tauber mit dem Tweet eine Gruppe, um die er eigentlich kämpfen sollte. Der Generalsekretär gilt ja als Gesicht einer modern aufgestellten, urbanen Christdemokratie.
Minijobs machen mehrheitlich Frauen
Minijobs machen mehrheitlich Frauen, weil sie sich mit Kindererziehung vereinbaren lassen und steuerliche Vorteile bieten. Der häufigste Schulabschluss in dieser Gruppe ist laut einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung auf dem nordrhein-westfälischen Arbeitsmarkt das Abitur, der häufigste Berufsabschluss eine Lehre oder Ausbildung. Und für diese Frauen hat der CDU-General nur Verachtung übrig?
Der Shitstorm folgte prompt, bis zum Dienstagmorgen antworteten 1.400 Menschen – meist mit scharfer Kritik. Ein Nutzer warf ihm eine „menschenverachtende, arrogante und elitäre Haltung“ vor. Eine andere fragte: „Würden Sie der Putzfrau attestieren, nichts ,Ordentliches`gelernt zu haben?“ Eine dritte berichtete von dem Kitaerzieher, der zusätzlich als Kassierer arbeiten müsse, weil er sonst nicht über die Runden komme. Der Satiriker Jan Böhmermann kommentierte lakonisch: „Die Schwarze Null.“
Empfohlener externer Inhalt
Die Gegner der CDU konnten ihr Glück kaum fassen – und griffen die Vorlage dankbar auf. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann twitterte: „Und wer keinen Anstand gelernt hat, wird CDU-Generalsekretär.“ Die „pöbelnde Arroganz“ Peter Taubers zeige: „Der CDU fehlt der Respekt vor Geringverdienern“, kritisierte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Und Grünen-Chef Cem Özdemir schrieb: „Traurig, wenn eine ‚christliche‘ Volkspartei den Bezug zur Lebenswelt der BürgerInnen verliert.“
Wahlprogramm ignoriert Niedrigverdiener
Taubers Äußerung explodierte auch deshalb so fulminant, weil CDU und CSU am Montag ihr gemeinsames Wahlprogramm vorgelegt hatte. Jenes verspricht viele Geschenke für die (obere) Mittelschicht, lässt aber Niedrigverdiener außen vor.
Und Tauber? Der Mann, der Krisenkommunikation aus dem Effeff beherrschen müsste, versuchte sich am Dienstagmorgen zunächst noch in der Vorwärtsverteidigung. Fakt sei: „Nur mit einer guten Ausbildung verdient man genug, damit man nicht drei Mini-Jobs braucht, um über die Runden zu kommen!“, legte er nach. Nun gilt auch im politischen Geschäft die Regel: Wer sich in einem Loch wiederfindet, sollte tunlichst aufhören zu graben.
Schließlich sah das auch Peter Tauber ein. Wer drei Minijobs brauche, der habe es nicht leicht, twitterte er. Er habe niemandem zu nahe treten wollen. „Es tut mir leid, dass ich mein eigentliches Argument – wie wichtig eine gute Ausbildung und die richtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind, damit man eben nicht auf drei Minijobs angewiesen ist – so blöd formuliert und damit manche verletzt habe.“
Übersetzt heißt das: Sorry, Leute, ich habe Unsinn verzapft. Tauber, das muss man ihm zugute halten, hat es am Ende noch selbst gemerkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen