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Selenskis Rede an Israels ParlamentMord braucht keine Vergleiche

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Selenski vergleicht den Krieg mit der „Endlösung“. Demokratien haben diese Geschichtsklitterung nicht nötig – und es beleidigt die Holocaust-Opfer.

Ein zerstörtes Wohnhaus mit Brandspuren in Mariupol Foto: Alexander Ermochenko/reuters

ber Mariupol liegt dunkler Rauch. Auf den wenigen Bildern, die uns noch erreichen, sieht man brennende Apartments in großen Wohnblöcken. Andere Wohnungen zeigen sich schwarzen Höhlen gleich, sie sind vom Feuer verzehrt, ohne Fenster und unbewohnbar. Die russische Militärmaschine hat nicht nur Wohnhäuser getroffen, sondern auch eine Geburtsklinik und das städtische Theater. Niemand kennt die Zahl der Toten unter den Zivilisten. Für sie werden Massengräber ausgehoben.

In Charkiw, der Großstadt im Nordosten der Ukraine, ist am vergangenen Freitag der Holocaust-Überlebende Boris Romantschenko bei einem Angriff auf ein mehrgeschossiges Wohnhaus ums Leben gekommen. Der 96-Jährige hatte die Konzentrationslager Buchenwald, Peenemünde, Dora und Bergen-Belsen überlebt und war Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora. So also sieht die Befreiung eines Landes von Nazis aus, wie der russische Präsident Wladimir Putin seinen Angriffskrieg begründet. Mit gezielten Militärschlägen gegen Frauen, Männer und Kinder. Diese Kriegsverbrechen sind so beabsichtigt wie offensichtlich.

Und doch sollten wir uns davor hüten, vorschnell Vergleiche zu ziehen. Schon gar nicht mit dem Holocaust, dem sechs Millionen Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen, ja dessen Ziel die Ermordung eines ganzen Volkes war.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat am Sonntagabend bei einer Videoansprache ausgerechnet nach Israel einen solchen Vergleich gezogen und von einer „Endlösung“ in der Ukraine gesprochen, dem Nazi-Codewort für die Vernichtung der Juden. Das ist historisch falsch. Es beleidigt die Opfer von damals, die damit im Nachhinein funktionalisiert werden – und sei es für einen Verteidigungskrieg. Und es ziemt sich schon gar nicht für Deutsche, die dieses singuläre Verbrechen begangen haben.

Wladimir Putin hat mit seiner Behauptung, man müsse in der Ukraine den Nazismus niederringen, für eine neue Qualität im Ranking der irrsinnigsten Begründungen für einen Angriffskrieg gesorgt. Tatsächlich soll diese schamlose Lüge an den Kampf der Sowjetunion gegen den Nationalsozialismus erinnern. So versucht der russische Präsident, die eigene Bevölkerung hinter sich zu einen und sein Tun zu rechtfertigen – ein billiges, aber wirksames Propagandamanöver.

Demokraten sollten solcherart Geschichtsklitterung nicht nötig haben. Es genügt, die Bilder aus Mariupol, Charkiw und Kiew zu sehen, und es reicht, die Erklärungen aus Moskau zu hören, um zu wissen, wer hier die Verbrecher sind. Ohne Vergleiche.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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44 Kommentare

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  • Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Da "die Deutschen" den Holocaust verbrochen haben, steht uns unter Urheberrechtsgesichtspunkten offenbar die Deutungshoheit bis hin ins wording zu - ja geht's denn noch?

    • @BluesBrothers:

      Die Rede hat in Israel Empörung ausgelöst, nicht in Deutschland.

      • @Günter Picart:

        Mein Kommentar bezog sich auf den taz Beitrag, der keine bloße Wiedergabe der israelischen Empörung ist.

  • Was tut Deutschland bei einem beginnenden Genozid an den Ukrainer (oder anderer Gruppe)?



    -->Denn:



    Wir haben nicht nur die (über)mächtige Verantwortung Holocaust-Vergleiche zu verhindern.

  • Wenn er mit dem Vergleich beiträgt Menschen zu retten, dann bitte gern!

  • Si tacuisses...gestern wurde ein 96-jähriger Holocaustüberlebender durch einen russischen Bombenangriff getötet, offenbar lebendig in seiner Wohnung in Charkiw verbrannt. So viel also dazu.

    Aber noch viel wichtiger:

    Steht es Deutschen wirklich zu, einen jüdischstämmigen Präsidenten, dessen Land von Russland explizit das Existenzrecht abgesprochen wird, über Holocaustvergleiche zu belehren?

    • @Suryo:

      Boris Romantschenko war ein russischer (wohl ethnisch ukrainischer) Zwangsarbeiter, der ins KZ kam und das "R" auf der Jacke trug. Er wird jetzt zwar überall "Holocaustüberlebender" genannt, präziser und besser wäre aber "KZ-Überlebender" zu sagen. Einen Bezug zur Ermordung der Juden gibt es bis auf die Leidensgeschichte im KZ nicht.



      www.tagesspiegel.d...etet/28185506.html

      Ein ähnlich tragischer Fall taucht in diesem Video aus Mariupol auf:



      www.zeit.de/politi...ol-bomben-russland



      (zum Video nach unten scrollen).



      Ein Mann in Mariupol berichtet da (ab Minute 0:40) von seiner Schwiegermutter, einer 1936 geborenen Russin (mit russischem Pass), die die Belagerung von Leningrad im 2. Weltkrieg überlebte, vielfach ausgezeichnet wurde und jetzt bei der Belagerung von Mariupol vom russischen Beschuss getötet wurde und vor dem Haus liegt.

    • @Suryo:

      Ja natürlich steht das "Deutschen" zu. Was kann ich dafür, nicht jüdisch zu sein, bzw. umgekehrt gilt das auch für Selenski. Andernfalls driften die Erzählungen immer mehr in die Unwirklichkeit ab.

      • @resto:

        Nein, das steht uns Deutschen eben NICHT zu.

  • Selinski ist ein verzweifelter, ein vom Krieg "angeschlagener Mann". Den dummem Vergleich sollte man ihm nachsehen!

  • Selenski weiß, dass er die wesentliche Vollkaskowelt (wenn überhaupt) nur am Gewissen packen kann.

    • @Phineas:

      Selenskyi wird genau das Gegenteil dessen bewirken, was er sich an über die bisherige Unterstützung hinausgehenden westlichen Hilfen verspricht … die Irritationen in der israelischen Öffentlichkeit nach dem Holocaust-Vergleich in seiner Videobotschaft an die Knesset sprechen Bände. Und Israel ist bestimmt eines nicht: eine Vollkaskowelt.



      Sollte in den Verhandlungen in der Türkei ein für die ukrainische Seite nur halbwegs akzeptabler Kompromiss zustandekommen, kann Selenskyi sich nicht mehr wie bisher auf Kriegsrhetorik, Durchhalteparolen und Schuldzuweisungen zurückziehen.



      Es mag sein, dass der russische Vormarsch aus eigener ukrainischer Kraft ausgebremst wurde … aber wie hoch ist der Preis dafür schon jetzt? Kann ein Gepokere um für die Ukraine noch günstigere Verhandlungskonditionen wirklich mit noch mehr zerstörter Infrastruktur und Todesopfern unter der Zivilbevölkerung gerechtfertigt werden?



      Darüber, dass die russische Aggression ohne Wenn und Aber zu verurteilen ist, herrscht große Übereinstimmung … jetzt ist aber auch nach der Verantwortung der ukrainischen Regierung zu fragen, damit dieser Krieg beendet werden kann.



      Verpasst Selenskyi das Momentum, müssen ihn seine westlichen Verbündeten darauf stoßen, die kein Interesse daran haben, weiter in den Krieg hineingezogen zu werden … sonst kann es sehr schnell einsam werden um einen ukrainischen Präsidenten, der dann in den Trümmern seines Landes sitzt.

  • Eine anmaßende Belehrung von det ganz falschen Seite! Ganz sicher ist ein Selenskyj, der selber Jude ist, weit davon entfernt die Opfer des Holocaust beleidigen zu wollen. Er hat das auch nicht getan. Und selbst wenn man es doch so sehen sollte, Nachhilfeunterricht was seine Wortwahl betrifft braucht ein Selenskyj ausgerechnet von deutscher Seite ganz sichet nicht. Er wirft ja auch nicht wie Putin mit Kampfbegriffen um sich und er hat dieses eine Codewort auch ganz sicher nicht leichtfertig oder gar "ausgerechnet" in dieser einen Rede ausgesprochen, sondern sehr bewusst um darauf hinzuweisen, dass Putins Krieg mittlerweile Vernichtungs- und Vertreibungscharakter hat, dass es längst nicht mehr nur um Eroberung geht. Man kann solche Parallelen durchaus formulieren ohne die ungeheure Einzigartigkeit des Holocaust zu bestreiten. Historisch falsch muss man das nicht nennen und auch kein "Funktionalisieren" der damaligen Opfer. Wenn der Vergleich hilft in der Gegenwart weitere Opfer zu verhindern, dann ist er legitim.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Absolut meiner Meinung. Danke. Der Begriff Endlösung ist nicht eindeutig wie andere Begriffe - sondern erinnert an die Auswüchse und die grenzenlose Vernichtungsmaschinerie in der Menschheitsgeschichte.

  • Abwarten, abwägen, kommentieren...?

    Ob Russlands unmenschliche Schlächter vor erreichen der sechs Millionen Opfer die Waffen strecken und endlich von der geeinten Weltgemeinschaft zur Rechenschaft gezogen werden?

    Sicher ist, daß blau-gelbe Schminke und Millionen Zuschauer bei Protestkonzerten die russische Killer-Maschinerie nicht stoppen.



    Erschreckend ist nur, daß der vereinte Westen ein denkbar schlechtes Blatt in diesem grausamen Krieg hat.

    Jetzt legt Putin die Karten Zug um Zug auf dem Tisch. Während unsere Politprofis wie aufgescheuchte Hühner von einem Meeting zum nächsten hetzen.

  • Puh. Aus Deutschland einem ukrainischen Präsidenten jüdischen Glaubens, dessen Land im Moment von seinem direkten Nachbarn mit Krieg überzogen wird, sagen zu wollen, wie er vor der Knesset in einer Videorede zu sprechen hat. Da gehört sehr wohl Chuzpe dazu. Also ich würd mir das eher verkneifen wollen.

  • Wenn ich Präsident Selenskis Shoah-Vergleich betrachte, dann sehe ich größte seelische Not und schier unerträgliches Leid um sein Volk dahinter stehen. Sehe ich dagegen hier in der jüngsten Vergangenheit unsagbar dumme Personen und muss mir den Corona-Spruch anhören, sie fühle sich wie Anne Frank, dann - und nur da - dreht sich mir schlichtwegs der Magen um. Nur ist letzterer Spruch von der Meinungsfreiheit geschützt, während ein Aufschrei der Not heuchlerisch kritisiert und scheinheilig in der Luft zerrissen wird. Was für eine hohle Farce!

    • @noevil:

      Danke, viel anders hätte ich es auch nicht gesagt!

    • @noevil:

      Danke. anschließe mich.

  • Einfach mal den Krieg des FSB-Regimes stoppen mit aktiver Mithilfe.



    Nur darum geht es.

  • Faß mal Klaus Hillenbrand z‘samm:

    “ Daneben

    Stoffel hackte mit dem Beile.



    Dabei tat er sich sehr wehe,



    Denn er traf in aller Eile



    Ganz genau die große Zehe.



    Ohne jedes Schmerzgewimmer,



    Nur mit Ruh, mit einer festen,



    Sprach er: »Ja, ich sag' es immer,



    Nebenzu trifft man am besten.«“

    kurz - Wohl wahr. Es gelingt ihm mühelos bieder & immer wieder.

  • "Selenski vergleicht den Krieg mit der „Endlösung“. "



    Ich meine, wir sollten jetzt nicht jedes Wort Selenskiys auf die Goldwaage legen, denn er und sein Land befinden sich in einer existentiellen Extremsituation mit apokalyptischen Zerstörungen durch die russ. Armee vor Augen, die ihn zu diesem verzweifelten Vergleich motiviert haben.

  • Putin hat von einer Endlösung gesprochen.

    Selenski hat ihn zitiert.

    Ich finde es seltsam, dass es Selenski ist, über den sich aufgeregt wird, und nicht etwa Putin.

    Erschieß den Boten?

  • Der Vergleich ist nicht angebracht, aber einen Aufreger konstruieren zu wollen ist zu hoch gegriffen. Denn Selenski ist angesichts der Verbrechen in Mariopol und anderswo in der Ukraine zurecht mehr als verzweifelt. Ein Mann, der viele Angehörige im Holocaust verlor, also in Bezug auf seine Familie genau weiß, wie Entmenschlichung und Hass im “Kleinen“ aufgrund der Naziideologie begann und sich “total“ im 2. Weltkrieg gegenüber den Juden und einer ganzen Bevölkerung in Osteuropa steigerte.



    Warum nennen Sie die "Dinge" nicht einfach beim Namen: es findet zurzeit ein Völkermord von Russland gegenüber der Ukraine statt! Diskutieren Sie ernsthaft die daraus resultierenden notwendigen Konsequenzen für Deutschland! Eine Friedensrettungsmission, wie sie Polen befürwortet. Sofortige Lieferung von modernen Luftabwehrsystemen an die Ukraine, Bann aller wirtschaftlichen Geschäftsbeziehungen (Häfen!) mit Russland, auch Gas und Öl und zwar sofort.



    Faschistisch ist die Terminologie von Putin und Medwedew und der sie umgebenden Ideologen schön seit einigen Jahren. Die Terminologie ließ schon vor Jahren das absolut Böse (auch Völkermord) in Bezug auf die ganze Ukraine ahnen. Nur: Das interessierte im Westen niemanden! Medwedew bedauerte gerade auf Telegramm das Ende der Freundschaft mit Deutschland und viel schlimmer: er droht den "politischen Bazillen" in Polen.



    Dieser feindliche Post und seine bösen Verdrehungen der gemeinsamen Geschichte von Russland und Polen werden in Polen alle Alarmglocken klingeln lassen. Alarmglocken, die Selenski mit „Nie Wieder!“ auch Deutschland gegenüber läuten ließ, um zu fragen: wie stoppen wir Putin, bevor es für die Ukraine, für Polen, usw. zu spät ist? Das ist äußerst unbequem und regt die politische Klasse in Deutschland nicht wirklich auf. Noch immer steht der wirtschaftliche Vorteil Deutschlands im Mittelpunkt aller Betrachtungen.

    Telegram Medwedew zu Deutschland und Polen:



    t.me/medvedev_telegram/11

  • Herr Hillenbrand hat hier sehr schlecht recherchiert, putin hat nicht nur gesagt, dass er den nazismus in der Ukraine niederringen werde, er hat letzte Woche auch gesagt,dass er die ukrainische Frage lösen werde, koste es,was es wolle. Selenski hat putin nur zitiert und die taz-genossen sollten etwas genauer hinhören,was die russen sagen und tun.

  • Wenn Selenski in seiner Rede mit Israel von "Endlösung" spricht , heisst das erstmal nur, dass er historische Vergleiche zieht , um der israelischen Bevölkerung die Dramatik der Situation zu vermitteln, auch wenn es icht das selbe ist. Es nervt etwas, dass gerade aus Deutschland gegenüber dem Opfer eines Vernichtungskrieges mit dem erhobenen Zeigefinger des Besserwissens argumentiert wird.

    • @Rinaldo:

      Der erste Satz ist völlig richtig. Selenski wurde vor seiner Knessetrede international gelobt für das Geschick, bei seinen Reden vor ausländischen Parlamenten immer die Parallelen aus der jeweiligen Geschichte zu präsentieren, die das dortige Publikum am besten ansprechen und für sein Anliegen einnehmen.



      www.theguardian.co...Twitter&utm_medium

      "In Washington erinnert er an Pearl Harbor, in London zitiert er Churchill, in Berlin spricht er von einer Mauer zwischen Freiheit und Unfreiheit."



      www.merkur.de/poli...ntar-91425216.html

      In Israel hat er diese eigentlich positive Rhetorik krass überzogen. Und die Kritik daran kam ja aus Israel, nicht aus Deutschland.



      www.faz.net/aktuel...iche-17894450.html

      Zu beachten ist dabei nicht nur die Geschichtspolitik, sondern auch die besondere geopolitische Lage, in der Israel in Bezug auf den Ukrainekrieg steckt, weil sie auf Putin als Bündnispartner angewiesen sind. Da Selenski den Finger genau in diese Wunde legt, empört sein Holocaustvergleich umso mehr.

  • Selenski hat darauf hingewiesen, dass Putin Nazi-Terminologie benutzt. Die Aufregung über den Vergleich kann ich nicht nachvollziehen, ist die Warnung doch berechtigt und angesichts der furchtbaren Lage nur verständlich. Die Empörung wirkt auf mich konstruiert, offenbar gibt es immer noch Zweifel an der Gefährlichkeit Putins, also beschäftigen wir uns zur Verdrängung lieber mit einem PC-Problem, das haben wir ja geübt.

    • @Prayn:

      Exakt. Den Begriff hat Putin vorher bereits benutzt und auch sonst erkennt man welch Geistes Ursprung Putin ist wenn man sich die Rhetorik auf der Zunge zergehen lässt. Putin will die ukrainische Kultur, nicht nur die Nation und die Demokratie auslöschen. Muss er erst Millionen Menschen in Lagern vernichten bevor man das ultimative Böse und die Parallelen in der Geschichte erkennt und Putins Worte ernst nimmt? Was muss der ethnonationalistische Diktator sonst noch sagen damit es verstanden wird?

  • Selenski wählt geschickt für jedes Publikum (USA/Frankreich/Israel) passende Vergleiche und Stichworte in seinen Reden. Das muss man nicht überanalysieren, gerade als Deutsche nicht eine Ansprache, die sich an Israel richtet.

    • @gyakusou:

      Genau so ist es. Er spricht halt sein jeweiliges Zielpublikum spezifisch und emotional an. Für das Deutsche Parlament zieht er Parallelen zur Berliner Mauer und appelliert an die Deutschen heute eine Führungsrolle in Europa zu übernehmen. Die Briten triggert er mit Churchill-Zitaten und die Amis mit Pearl Harbor. Dass er als Jude, der Angehörige in KZs verloren hat, in Israel vor einem Völkermord warnt, finde ich ebenfalls legitim. Der Mann kämpft um das Überleben seines Landes.

      • @AlexA:

        Mein 2. Versuch zu kommentieren, vielleicht klappt's dieses Mal.



        So sehe ich das im Prinzip auch. Er spricht halt sein jeweiliges Zielpublikum spezifisch und emotional. Das ist nicht nur verständlich, das ist - aus seiner Position heraus - dringend und notwendig.



        Trotz allem: bei der "Endlösung der Judenfrage" ging es um die völlige Vernichtung und komplette Auslöschung aller Juden, Punkt. Beim Vernichtungskrieg gegen die Ukraine ist das Ziel, dass die Ukraine *als eigenständiger Staat* nicht mehr existieren soll.



        Mir ist nicht bekannt, dass Hitler von den Juden als "Brudervolk" gesprochen hätte, das ist schon etwas Anderes.

  • In Israel gibt es in innenpolitischen Debatten öfters mal einen Shoah-Vergleich, der hier jenseits des Sagbaren wäre.

    Wer manchmal israelische Zeitungen liest, stößt immer wieder darauf.

    Man muss das nicht gutfinden.

    Das eine ist Deutschland, das andere Israel.

    Die Frage ist, ob es einem Deutschen zusteht zu urteilen, ob ein Jude, der auch ukrainischer Präsident sein kann, in Israel während einer Rede einen Vergleich mit der Shoah ziehen darf.

    Ich würde diese Frage mit Nein beantworten.

    • @rero:

      Ich stimme Ihnen zu. Ein Deutscher hat hier nicht das Recht zu verurteilen. Gerade wir haben nicht das Recht zu richten, denn Präsident Selenski weiss, wovon er spricht. Und das entzieht sich jeglichen deutschen vergleichenden Urteilen.

      • @noevil:

        Natürlich at man das Recht zu kritisieren, deutsch oder nicht. Es ist allerdings weder angebracht noch gerechtfertigt, deutsch oder nicht, da stimme ich zu.

      • @noevil:

        Dito

  • "Und es ziemt sich schon gar nicht für Deutsche, die dieses singuläre Verbrechen begangen haben."

    Ist Herr Selenski Deutscher? Sie zitieren keine Deutschen, die seine Aussage wiederholt hätten. Und warum sollte ein Jude solche Vergleiche nicht ziehen dürfen? Immerhin dürften im israelischen Parlament nicht wenige Jüdinnen* und Juden sitzen. Und gegenüber anderen Parlamenten sind mir solche Aussagen von seiner Seite bisher nicht bekannt.

    Merke: Deutsche ohne jüdische Wurzeln, die von der Universalität der Nazi-Verbrechen schwafeln, verweigern ihre historische Verantwortung. Jüdinnen* und Juden haben hier deutlich mehr Narrenfreiheit. Je nach Kontext kann ihr Bestehen auf der Singularität der Shoah sogar eine Verweigerung von historischer Verantwortung sein: Dann nämlich, wenn sie das Argument dazu benutzen, um ihr eigenes Nicht-Eingreifen bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu rechtfertigen.

    Warum sollte der ukrainische Präsident, selbst Jude, solche Vergleiche gegenüber dem israelischen Parlament also nicht ziehen dürfen?

  • RS
    Ria Sauter

    Irgendwie wird es immer unmenschlicher, auch in den Reden und Apellen der beiden Beteiligten Präsidenten.

    • @Ria Sauter:

      Das ist leider ein zusätzlicher Effekt von Kriegen. Sie stärken immer Unmenschlichkeit und Nationalismus.



      Das macht oft auch vorherige Ziele sinnlos.



      Und auch viele Beobachter*innen scheinen zu viele Hollywood-Filme geschaut zu haben und sind nicht mehr in der Lage Grautöne zu sehen.



      So ungerechtfertigt der Angriff von Putin ist, so nationalistisch und patriarchalisch (siehe die Beiträge seines Einflüsterers Karaganow, der sich explizit gegen radikalen Feminismus und LBGT wendet), so hatte auch die Ukraine gewisse Tendenzen, die sich nun verstärken. Natürlich wird der Einfluss der Nazis von Putin propagandistisch erhöht. Auch wenn die Stimmenanteile solcher Parteien gesunken sind, gibt es aber nun mal u.a. das faschistische Asow-Regiment, das direkt dem Innenministerium unterstellt ist. Dieses Regiment, dass schon Roma ermordet und Behinderte gequält hat (www.fr.de/politik/...hts-91425243.html), wird vom Botschafter in D, Melnyk, hofiert, der schon 2015 das Grab des NS-Kollaborateurs Bandera besucht hat. Und natürlich bekommen solche Tendenzen in einem Krieg Zulauf. Dazu passt auch, dass Selenski elf politische 'pro-russische' Parteien pauschal verboten hat. Es wäre natürlich verständlich, wenn diese direkt mit Russland zusammen arbeiten. Es gab aber dafür keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil haben zumindest einige dieser Parteien den russischen Einmarsch verurteilt. Es gibt nun mal russische Menschen in der Ukraine, die ihre Sprache sprechen möchten, die sich aber aufgrund des Vorgehens Russlands in den seltensten Fällen mit Russland solidarisieren. Je länger der Krieg dauert, desto weniger demokratisch werden beide Länder sein. Hass ist nie ein guter Ratgeber, auch wenn er verständlich ist.

    • @Ria Sauter:

      Pfui, Frau Flieder! Ihr Kommentar ist schrecklich. Unmenschlich ist hier nur Putin Krieg. Selenskyj ist nicht "beteiligt" sondern angegriffen. Seine verzweifelten Ansprachen haben nicht die geringste Ähnlichkeit mit der zynischen Verlogenheit von Putins Hassertiraden. Ihre Gleichmacherei, Frau Flieder, zielt eindeutig darauf ab, diese Unterschiede zu verwischen.

      • @Benedikt Bräutigam:

        Sie müssen die Dame verstehen. Aus deren Kommentaren spricht eine erhebliche Angst, dass sich der Krieg auch auf uns erstreckt. Ich Glaube nicht, dass es als Gleichmacherei gedacht war.

      • @Benedikt Bräutigam:

        So sehe ich das nicht. Selenskyi ist als handelnder Politiker bzw. als Opfer sehr wohl beteiligt; und da muss man ihn - egal ob "deutsch" oder nicht - auch kritisieren können.