Saufen ist teuer: Kein Wein ist auch keine Lösung
Alkoholmissbrauch verursacht hohe finanzielle Kosten. Eine Gesellschaft, die das ändern will, muss mit der Aufklärung bei den Jüngsten beginnen.
B ier ist ja so was wie ein Volksgetränk. Kein Ereignis scheint ohne das Hopfen-Malz-Gebräu zu funzen. Zur EU-Wahl lockte die SPD aus Angst vor ausbleibenden Stimmen vielerorts mit Freibier an die Urnen, es gibt den politischen Aschermittwoch, bei dem die Humpen nur so durchs Fernsehbild rauschen. Und es gibt die Bierpartei, die zur EU-Wahl mit dem Slogan warb: Mut zur Dichtheit.
Jede und jeder Deutsche trinkt durchschnittlich 88 Liter Bier im Jahr. Das hat (teure) Folgen: Knapp 17 Milliarden Euro berappt die Gesellschaft jedes Jahr, wenn jemand krank geschrieben ist, zur Reha, in eine Entzugsklinik oder gepflegt werden muss, weil er infolge von Alkoholmissbrauch nicht (mehr) arbeiten kann. Wohlgemerkt nicht, wenn man mal so richtig die Korken knallen lässt, sondern wenn Alkohol zur Sucht geworden ist.
Hinzu kommen Kosten wie Sozialgelder oder Ausgaben für einen früheren Renteneintritt. Insgesamt beträgt der volkswirtschaftliche Schaden rund 57 Milliarden Euro pro Jahr. Dem gegenüber stehen geringe Einnahmen: 2023 nahm der Fiskus etwas mehr als 3 Milliarden Euro durch die Alkoholsteuer ein. Was gab es nicht schon alles für Ideen, um dem Problem beizukommen? Höhere Steuern, Werbeverbot, Ausschankverbot für Personen unter 21 Jahren. Die Ampel hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag immerhin auf ein Werbeverbot geeinigt, passiert ist nichts.
Im Kampf gegen zu viel Sauferei wird immer gern auf Skandinavien verwiesen. Dort ist Alkohol so teuer, dass man sich im Restaurant überlegt, ob man Köttbullar oder ein Glas Wein bestellt. Die Folgen sind überall außerhalb Skandinaviens zu beobachten: Vor allem Männer saufen sich die Hucke voll, sobald sie auf billigeren Fusel stoßen.
Eine Gesellschaft, die Alkoholmissbrauch vermeiden will, muss bei den Jüngsten mit der Aufklärung beginnen, in der Schule, in Freizeiteinrichtungen, in der Familie. Wer früh lernt, mit Alkohol sorgsam umzugehen, dem macht auch mal ein Vollrausch bei der Hochzeitsparty nichts aus – und der erscheint am Montag wieder fit im Büro.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin