Ruprecht Polenz über Koalition mit BSW: „Dann muss die CDU in die Opposition“

Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz ist strikt gegen eine Koalition seiner Partei mit dem BSW. Selbst wenn dann die AfD regieren würde.

Mario Voigt (CDU, v.l), Vorsitzender der CDU in Thüringen und Spitzenkandidat, steht im ZDF-Fernsehstudio bei der Runde der Spitzenkandidaten neben Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen und Spitzenkandidat, der Moderatorin, Björn Höcke (AfD), Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen und Spitzenkandidat, und Katja Wolf, Spitzenkandidatin des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Thüringen.

Und nun? Spitzen­kandidatenrunde nach der Thüringer Landtagswahl am 1. Sep­tember Foto: Jacob Schröter/dpa

taz: Herr Polenz, in der CDU gibt es einige Aufregung, weil Ihre Partei in Sachsen und Thüringen wohl mit dem BSW zusammenarbeiten muss, um eine Regierung bilden zu können. Wie sehen Sie das?

Jahrgang 1946, gehörte von 1994 bis 2013 dem Bundestag an und war von April bis November 2000 Generalsekretär der CDU

Ruprecht Polenz: Sehr kritisch. Das BSW steht eigentlich gegen alles, was man als DNA der CDU bezeichnen kann: Westbindung, eine starke Europäische Union, Menschenrechte, soziale Marktwirtschaft und eben auch einen Umgang miteinander, der nicht populistisch sein soll.

taz: Über die Westbindung, also die Integration der Bundesrepublik in politische, ökonomische und militärische Bündnisse nach 1949, wird nicht in den Landtagen in Erfurt und Dresden entschieden.

Polenz: Wir sind in einer Situation, die der Bundeskanzler als Zeitenwende beschrieben hat. Nach dem Ende des Kalten Krieges haben wir auf einen stabilen Frieden gehofft, auf territoriale Unversehrtheit und Menschenrechte, so wie es in der Charta von Paris steht, die die Sowjetunion noch unterschrieben hat. Diese Zeit ist vorbei. Die Annexion der Krim und dann 2022 die große Invasion von Russland gegen die Ukraine, das ist eine tektonische Veränderung, der wir Rechnung tragen müssen: durch eine Unterstützung der Ukraine und durch eine Stärkung unserer Verteidigungs­fähigkeit. Dagegen steht Sahra Wagenknecht.

taz: Was heißt das genau?

Polenz: In jeder ihrer Stellungnahmen heißt es, dass man der Ukraine keine Waffen mehr liefern dürfe, und sie ist auch gegen­ eine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, die eine Antwort auf die russischen Raketen sind, die schon seit Langem in Verletzung der Abrüstungsverträge in Kaliningrad stationiert sind. Frau Wagenknecht hat das im Wahlkampf selbst zu einem zentralen Thema gemacht. Sie nennt das Friedenspolitik, aber in Wirklichkeit ist das, was sie vorschlägt, ein Rezept dafür, den Krieg weiter nach Europa zu lassen und Putin zu ermutigen, weiterzumachen.

taz: Das ist alles keine Landespolitik. Sollte es nicht um die gehen?

Polenz: Die CDU muss in sich konsistent arbeiten, damit sie glaubwürdig bleibt. Frau Wagenknecht will, dass die Koali­tionsverträge Passagen enthalten, die das beinhalten, was ich gerade als ihre Position beschrieben habe. Zudem ist es schwer, glaubwürdig zu erklären, dass eine Zusammenarbeit auf Bundesebene wegen dieser außenpolitischen Ansichten undenkbar ist, aber auf Landesebene machen wir das. Diese Fragen sind so grundsätzlich, die können wir auf Landesebene nicht ausblenden. Außerdem ist es wichtig, dass wir bei der Unterstützung der Ukraine glaubwürdig und standfest gegenüber Putin bleiben. Der ist es doch, der sich freut.

Eine Illustration. Mehrere Kreise sind mit Strichen miteinander verbunden. Die Kreise haben unterschiedliche größen und Farben. Sie sind rot, gelb, grün und Blau.

Dieser Text ist Teil unserer Berichterstattung zu den Wahlen 2024 in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Die taz zeigt, was hier in diesem Jahr auf dem Spiel steht.

taz: Sahra Wagenknecht selbst wäre weder in Thüringen noch in Sachsen an der Regierung beteiligt. Müsste man nicht über die Personen reden, um die es konkret geht: Katja Wolf, die BSW-Spitzenkandidatin in Thüringen, war bislang Oberbürgermeisterin von Eisenach und hat den Ruf, eine ganz vernünftige Frau zu sein.

Polenz: Ja, ich höre das. Aber mir fehlt nach dem, was man über den Parteiaufbau weiß und wie Sahra Wagenknecht die Partei führt, im Augenblick die Fantasie, dass das letzte Wort nicht doch immer bei ihr liegt. Das BSW hat doch auch deshalb bisher so wenig Mitglieder, damit sie alles unter Kontrolle hat. Das ist eine Kaderpartei, straff von oben nach unten organisiert. Es ist ja bezeichnend dafür, dass die Partei ihren Namen trägt. Frau Wagenknecht hat vermutlich gar kein Interesse an Landesthemen. Sondern sie will die Landespolitik zum Erzeugen schlechter Stimmung nutzen, die ihr dann auf Bundesebene politisch nutzt.

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taz: Sind Sie auch dafür, dass die CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss zum BSW verabschiedet, wie es ihn zu AfD und Linke schon gibt?

Polenz: Ja, die Politik von Sahra Wagenknecht ist unvereinbar mit dem, wofür die CDU steht, und das sollte auch klar zum Ausdruck gebracht werden.

taz: Und dann? Was sollen Ihrer Ansicht nach Mario Voigt und Michael Kretschmer, Ihre Parteifreunde in Thüringen und Sachsen, dann machen, um eine Regierung zu bilden?

Polenz: Natürlich ist die Situation alles andere als einfach. Aber es gibt sicherlich Möglichkeiten jenseits einer förmlichen Zusammenarbeit, um eine Parlamentsmehrheit zu schaffen.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

taz: Eine Duldung also? Die CDU in Thüringen hat zusammen mit der SPD 29,7 Prozent der Stimmen und soll sich vom BSW und der Linken tolerieren lassen? Selbst mit BSW fehlt ja noch eine Stimme für die eigene Mehrheit, was auch noch die Linkspartei mit Bodo Ramelow ins Spiel bringt.

Polenz: Zum Beispiel. Das soll nicht besserwisserisch klingen. Die Situation für Herrn Kretschmer und Herrn Voigt ist außerordentlich schwierig, das sehe ich durchaus. Aber man muss abwägen.

taz: Eine Tolerierung könnte ein Einfallstor für die AfD sein. Aber lassen wir das mal außen vor. Was ist, wenn eine Duldung nicht funktioniert? Wenn das BSW regieren, nicht tolerieren will? Was wäre dann die Konsequenz?

Polenz: Für die CDU wäre dann die Konsequenz, in die Opposition zu gehen. Ich will mich da auch nicht drum herumdrücken. Aber ich persönlich bin der Meinung, die Thüringerinnen und Thüringer haben nun mal dieses Parlament gewählt, in dem AfD und BSW die Mehrheit haben. Und wenn es keine andere Lösung gibt, müssen die eben regieren.

taz: Mal abgesehen davon, dass das BSW wie Ihre Partei eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen hat: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie eine Regierungsbeteiligung der rechtsextremen AfD – und dann vermutlich Björn Höcke als Ministerpräsidenten – in Kauf nehmen würden, um eine Koalition Ihrer Partei mit dem BSW zu verhindern?

Polenz: AfD und BSW haben viele Gemeinsamkeiten, nicht nur die Russlandpolitik. Dass man AfD-Anträgen zustimmen könne, erklärt BSW ständig. Natürlich finde ich eine AfD-BSW-Regierung schrecklich für Thüringen, und es kann auch negative Auswirkungen über Thüringen hinaus haben, etwa wenn man an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk denkt, den die AfD abschaffen will. Aber das Risiko, das für die Statik der gesamten Bundesrepublik entstehen kann, wenn sich die CDU in die Zange nehmen lässt von dem BSW in der gemeinsamen Regierung und der AfD in der Opposition, das sehe ich als sehr groß an.

Sowohl AfD als auch BSW wollen die CDU zerstören. Das wäre also auf keinen Fall eine Zusammenarbeit, wie sie sonst mit unterschiedlichen Parteien in einem Koalitionsvertrag mündet. Da findet man Kompromisse, und am Ende soll der Koalitionsvertrag eine Win-Win-Situation sein. Das BSW hätte aber auch in einer Koalition mit der CDU null Interesse daran, dass diese Regierung erfolgreich wäre in dem Sinne, dass auch die CDU damit punkten könnte. Das ist nicht das Interesse vom BSW. Das muss man in der Analyse berücksichtigen. Wenn ich die Risiken insgesamt abwäge, komme ich zu dem genannten Ergebnis.

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taz: Herr Polenz, Münster, wo Sie leben, ist die Stadt mit der niedrigsten AfD-Quote bundesweit, und sie ist auch ziemlich weit von Thüringen und Sachsen entfernt. Könnte es sein, dass Sie die jetzt schon extrem schwierige Situation für die Menschen, die in Thüringen und Sachsen leben, und die Tragweite einer AfD-Regierung unterschätzen?

Polenz: Ich denke, nicht. Ich sehe durchaus das Risiko, beide Entscheidungen haben ein Risiko. Bei mir ist das auch keine 70-zu-30-Abwägung, sondern eher 52 zu 48. Ohne Zweifel wäre das für Thüringen eine schlimme Zeit. Aber in fünf Jahren gehen die Thüringer wieder zur Wahl und könnten sich anders entscheiden.

taz: Bis dahin könnten Demokratie und Menschenrechte schweren Schaden genommen haben.

Polenz: Möglicherweise werden dann die Aufräumarbeiten etwas länger dauern, aber dass es geht, sieht man ja gerade in Polen.

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