Rückgabe von Kulturgütern: Nofretete will zurück nach Hause
Eine Petition fordert die Rückgabe von Nofretete aus Berlin nach Ägypten. Die Frage spiegelt die Debatte um die koloniale Vergangenheit Europas wider.
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Inhaltsverzeichnis
Warum gerade um die Büste der schönen Nofretete seit Jahrzehnten gestritten wird, hat vor allem drei Gründe. Einmal der koloniale Hintergrund, dann die selbst auf der Grundlage der kolonialen Gesetzgebung im damaligen Ägypten umstrittene Fundteilung, bei der die Deutschen die Büste für sich sichern konnten, und nicht zuletzt die herausragende archäologische Bedeutung der Büste. Sie gilt als das wichtigste Exemplar einer nur kurzen politischen und ästhetischen Periode Ägyptens, nämlich die Zeit des „monotheistischen Pharaos“ Echnaton, ihres Mannes. Als der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt neben anderen Schätzen in Amarna im Dezember 1912 auch die Nofretete-Büste fand, war Ägypten von den Briten besetzt und die Franzosen leiteten den ägyptischen Antikendienst, in dem die Ägypter selbst nichts zu melden hatten.
Nach dem britischen Gesetz mussten antike Grabungsfunde geteilt werden – eine Hälfte konnten ausländische Archäologen mitnehmen, die andere Hälfte ging ins Ägyptische Museum. Am 20. Januar 1913 kam es zwischen Borchert und dem jungen französischen Angestellten des Antikendienstes, Gustave Lefebvre, zur Fundteilung. Dabei gelang es Borchardt wunderbarerweise, die Nofretete für sich zu reklamieren. Wie außergewöhnlich dieser Coup war und wie sehr Borchardt klar war, dass er Lefebvre dabei über den Tisch gezogen hatte, ergibt sich schon aus seinen Briefen, die er anschließend nach Berlin schrieb.
Es ist eine politische Entscheidung
Darin beschwor er den Leiter des Ägyptischen Museums, die Nofretete nicht öffentlich zu zeigen, sondern schön im Depot zu halten. Tatsächlich wurde die Nofretete erst zehn Jahre später, 1923, erstmals öffentlich gezeigt. Kurz darauf forderte die damals immer noch französische Antikenverwaltung Ägyptens ihre Rückgabe.
Seitdem beruft sich das Berliner Ägyptische Museum darauf, formal im Recht zu sein. Tatsächlich hätte die ägyptische Regierung über den Gerichtsweg keine Chance, die Büste zurückzubekommen, genauso wenig, wie die griechische Regierung per Klageweg die Parthenon-Friese aus dem Britischen Museum oder die türkische Regierung den Pergamon-Altar wiedererlangen kann.
Damit aber fängt die Debatte erst an. Gehören die einmaligen Kunstwerke, die europäischen Schatzjägern zu einer Zeit in die Hände fielen, als die europäischen Großmächte den halben Erdball kolonisiert hatten, nicht viel eher zurück zu den Stätten, wo sie entstanden sind, als in die europäischen Museen? Restitution ist keine formale rechtliche Frage, es ist eine politische Entscheidung, wie mit dem kolonialen Erbe umzugehen ist. Als die Rückgabe der Nofretete schon einmal kurz bevorstand, entschied übrigens Adolf Hitler 1933 persönlich, er werde den Kopf der Königin niemals aufgeben. „Es ist ein Meisterwerk“, sagte er damals.
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