Rentenstreit in der Union: Ein Debakel mit Ansage
Kanzler Merz demonstriert wieder einmal, dass er die Kunst der Regierungsführung nicht beherrscht. Für die Reformfähigkeit verheißt das nichts Gutes.
F riedrich Merz dürfte der „Deutschlandtag“ der Jungen Union (JU) lange in Erinnerung bleiben. Noch nie wurde dem Kanzler in Anwesenheit und auf offener Bühne so klar vorgeführt, dass er dabei ist, seine größten Unterstützer zu verlieren. Die JU, das waren bislang mehrheitlich Merz-Ultras. Noch vor einem Jahr war Merz hier als künftiger Kanzler frenetisch gefeiert worden. Jetzt: kritische Nachfragen, kein Beifall, eisiges Schweigen.
Aus zwei Gründen kann einen das nicht kalt lassen: Merz hat diese Mischung aus Wut und Enttäuschung und die damit eingehende Verhärtung bei der Jungen Union erstens selbst mit produziert. Und damit, nur kurz nach Stadtbild-Äußerungen und Syrien-Debatte, wieder einmal gezeigt, dass er das Handwerk des Regierens nicht beherrscht.
Was in diesem Fall zweitens die ohnehin angeschlagene Koalition in eine fulminante Regierungskrise führen könnte. Manche raunen sogar schon von einem Scheitern von Schwarz-Rot, sollten die Jungen aus CDU und CSU das Rentenpaket im Bundestag wegen ihrer Kritik an der sogenannten Haltelinie für das Rentenniveau wirklich scheitern lassen.
Merz hat – wie auch Kanzleramtschef Thorsten Frei und Fraktionschef Jens Spahn – offensichtlich viel zu spät erkannt, welche Sprengkraft in dem Gesetzentwurf aus dem SPD-geführten Arbeitsministerium steckt. Als die JU ihre Kritik anbrachte, bestärkte Merz sie sogar darin. Weil es die Verabredung mit der SPD gibt, ließ er sie dann fallen, so empfinden das viele aus der JU.
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Ein Debakel mit Ansage
Vor ihrem Treffen schafften es Merz, Frei und Spahn nicht, den Konflikt einzudämmen. Und dann kofferte Merz die JUler noch an, statt sie wie Söder geschickt zu umgarnen. Den Widerstand in der Jugendorganisation hat das weiter befeuert. Das Ganze: ein Debakel mit Ansage. Wieder einmal.
Nun muss Merz gemeinsam mit Spahn die jungen Abgeordneten von dem Baum holen, in dessen Spitze er sie selbst getrieben hat. Auf ein Entgegenkommen der SPD wird er dabei kaum hoffen können. Die hat bei der Rente bereits viele Zugeständnisse gemacht und kann sich darauf zurückziehen, dass das Kabinett dem Gesetzentwurf bereits zugestimmt hat.
Dafür, dass sich die jungen Abgeordneten mit einer Zusatzerklärung für eine künftige, umfassende Rentenform zufrieden geben, wie Merz sie vorgeschlagen hat, gibt es bislang keine Anzeichen. Vielleicht ist am Ende wirklich der einzige Ausweg aus der verfahrenen Situation, das Gesetzespaket zu verschieben, bis die Rentenkommission ihre Ergebnisse vorgelegt hat. Für die Reformfähigkeit der Koalition ließe das allerdings nicht Gutes hoffen. Und für den Kanzler wäre es eine deutliche Schlappe.
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