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Rentenstreit in der UnionEin Debakel mit Ansage

Sabine am Orde

Kommentar von

Sabine am Orde

Kanzler Merz demonstriert wieder einmal, dass er die Kunst der Regierungsführung nicht beherrscht. Für die Reformfähigkeit verheißt das nichts Gutes.

Vorführung auf offener Bühne: Kanzler Merz beim Deutschlandtag der Jungen Union am 15. November Foto: Chris Emil Janssen/imago

F riedrich Merz dürfte der „Deutschlandtag“ der Jungen Union (JU) lange in Erinnerung bleiben. Noch nie wurde dem Kanzler in Anwesenheit und auf offener Bühne so klar vorgeführt, dass er dabei ist, seine größten Unterstützer zu verlieren. Die JU, das waren bislang mehrheitlich Merz-Ultras. Noch vor einem Jahr war Merz hier als künftiger Kanzler frenetisch gefeiert worden. Jetzt: kritische Nachfragen, kein Beifall, eisiges Schweigen.

Aus zwei Gründen kann einen das nicht kalt lassen: Merz hat diese Mischung aus Wut und Enttäuschung und die damit eingehende Verhärtung bei der Jungen Union erstens selbst mit produziert. Und damit, nur kurz nach Stadtbild-Äußerungen und Syrien-Debatte, wieder einmal gezeigt, dass er das Handwerk des Regierens nicht beherrscht.

Was in diesem Fall zweitens die ohnehin angeschlagene Koalition in eine fulminante Regierungskrise führen könnte. Manche raunen sogar schon von einem Scheitern von Schwarz-Rot, sollten die Jungen aus CDU und CSU das Rentenpaket im Bundestag wegen ihrer Kritik an der sogenannten Haltelinie für das Rentenniveau wirklich scheitern lassen.

Merz hat – wie auch Kanzleramtschef Thorsten Frei und Fraktionschef Jens Spahn – offensichtlich viel zu spät erkannt, welche Sprengkraft in dem Gesetzentwurf aus dem SPD-geführten Arbeitsministerium steckt. Als die JU ihre Kritik anbrachte, bestärkte Merz sie sogar darin. Weil es die Verabredung mit der SPD gibt, ließ er sie dann fallen, so empfinden das viele aus der JU.

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Ein Debakel mit Ansage

Vor ihrem Treffen schafften es Merz, Frei und Spahn nicht, den Konflikt einzudämmen. Und dann kofferte Merz die JUler noch an, statt sie wie Söder geschickt zu umgarnen. Den Widerstand in der Jugendorganisation hat das weiter befeuert. Das Ganze: ein Debakel mit Ansage. Wieder einmal.

Nun muss Merz gemeinsam mit Spahn die jungen Abgeordneten von dem Baum holen, in dessen Spitze er sie selbst getrieben hat. Auf ein Entgegenkommen der SPD wird er dabei kaum hoffen können. Die hat bei der Rente bereits viele Zugeständnisse gemacht und kann sich darauf zurückziehen, dass das Kabinett dem Gesetzentwurf bereits zugestimmt hat.

Dafür, dass sich die jungen Abgeordneten mit einer Zusatzerklärung für eine künftige, umfassende Rentenform zufrieden geben, wie Merz sie vorgeschlagen hat, gibt es bislang keine Anzeichen. Vielleicht ist am Ende wirklich der einzige Ausweg aus der verfahrenen Situation, das Gesetzespaket zu verschieben, bis die Rentenkommission ihre Ergebnisse vorgelegt hat. Für die Reformfähigkeit der Koalition ließe das allerdings nicht Gutes hoffen. Und für den Kanzler wäre es eine deutliche Schlappe.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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4 Kommentare

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  • Ich würde mich freuen, wenn Angela Merkel den Job morgen wieder übernimmt.



    Bin wohlgemerkt keine UnionswählerIn …

  • "Kanzler Merz demonstriert wieder einmal, dass er die Kunst der Regierungsführung nicht beherrscht. Für die Reformfähigkeit verheißt das nichts Gutes."



    Na ja, ein verknöcherter Konservativer und Reformen, das ist ja bereits ein inhärenter Gegensatz. Insofern keine Überraschung.

    Wir wollen auch nicht vergessen, dass Merz nicht Kanzler wurde, weil von ihm Lösungen und Reformen zu erwarten waren, sondern weil er der einzig realistische Kandidat war - statt Alice Weidel...

  • Ich vermisse in der Berichterstattung einige Gesichtspunkte. Sieht das Ganze nicht aus, wie ein zweiter Aufguss der Bundesrichterwahl?



    Alles ist (schon im Koalitionsvertrag) vereinbart und im Kabinett abgestimmt. Dann fällt unmittelbar vor der Abstimmung einigen bei der CDU/CSU auf, dass es ihnen eigentlich nicht passt.



    Wer fragt endlich einmal Herrn Spahn, das große Organisationstalent, wie er das wieder gemanagt hat? Oder Herrn Frei?



    Vielleicht passt es ihnen ja ganz gut in den Kram?



    Gesichtsverlust droht in erster Linie der SPD, dem erneut begossenen Pudel.



    wori

  • So sieht er aus: schlecht!



    Was sich schon als Oppositionspolitiker zeigte,



    Merz ist ein Populist.



    Da ist auch Nichts dahinter!



    Schon Merkel hat den Windbeutel erkannt, bei Anderen hat es Etwas länger gedauert.



    Bundeskanzler Scholz hat eine schwierige Konstellation gut moderiert.



    Diese Schuhe sind Merz zu groß:



    nicht einmal seine eigene Partei kriegt er unter einen Hut.



    Es wäre besser, die Union würde zurück zur alten Großen Koalition Tradition finden:



    lasst die Sozis denken und versucht dabei nicht allzu dumm auszusehen!