Religion in den Niederlanden: Ärger um Burkaverbot

Gesichtsbedeckende Kleidung in der Öffentlichkeit ist ab 1. August nicht mehr erlaubt. Unklar ist jedoch, wer diese Regelung umsetzen soll.

Verdecktes Gedicht

Soll ab dem 1. August in den Niederlanden aus dem Straßenbild verschwinden: die Burka Foto: dpa

AMSTERDAM taz | „Gesetz zum teilweisen Verbot gesichtsbedeckender Kleidung“ – so lautet der offizielle Name einer umstrittenen Neuerung, die in den Niederlanden am heutigen Donnerstag in Kraft tritt. Künftig ist es nicht mehr erlaubt, in staatlichen Gebäuden, öffentlichem Verkehr, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen Kleidung zu tragen, die das Gesicht nicht erkennen lässt.

Darunter fallen Nikab und Burka sowie Sturmhaube, Integralhelm und Maske. Das Bußgeld soll bei 150 Euro liegen, bei Weigerung, ein entsprechendes Gebäude zu verlassen, kann es höher ausfallen.

Sperrig wie der Name ist die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, im allgemeinen Sprachgebrauch und Medien nur „Burkaverbot“ genannt und jahrelang kontrovers diskutiert. Eingereicht wurde der Antrag erstmals 2005 durch Geert Wilders, damals noch als Ein-Mann-Fraktion im Den Haager Parlament am Beginn seiner rechtspopulistischen Laufbahn.

2015 brachte die damalige Regierung unter Premier Mark Rutte eine abgeschwächte Version vor, die 2016 von der Zweiten Kammer angenommen wurde. Vor einem Jahr stimmte auch der Senat zu.

Können, nicht müssen

Fraglich ist allerdings noch immer, wie das Gesetz umgesetzt wird. Laut einer Richtlinie der niederländischen Staatsanwaltschaft „können“ Mitarbeiter von staatlichen Einrichtungen, Verkehrsmitteln oder Krankenhäusern die betreffenden Personen auffordern, das jeweilige Kleidungsstück abzulegen.

Erst danach können herbeigerufene Polizisten Strafen aussprechen. Genau hier aber hakt es in der praktischen Ausführung: ­Instanzen wie Verkehrsbetriebe oder Kliniken sehen dazu wenig Veranlassung.

Letztere verweisen darauf, dass Patientinnen möglicherweise nötige medizinische Versorgung nicht bekommen. Die Niederländische Federation Universitärer Medizinischer Zentren (NFU) sieht die Umsetzung des Burkaverbots daher nicht als ihre Aufgabe an und will keine Patientinnen nach Hause schicken.

Laut Universitätskrankenhaus Utrecht ist die Umsetzung des Verbots Sache von Polizei und Justiz. Die Universität Utrecht teilt diesen Standpunkt. Auch die Verkehrsbetriebe der Metropolen Amsterdam und Rotterdam sowie mehrere private Unternehmen geben an, keinen Musliminnen mit Gesichtsbedeckung den Zutritt zu ihren Fahrzeugen verweigern zu wollen.

Prominenteste Stimme

Es geht bei diesem Konflikt nicht nur um technische Aspekte wie die Verpflichtung, medizinische Versorgung oder Transport zu gewährleisten. Vielmehr stehen sich die politischen Ebenen von Regierung und Kommunen gegenüber. Mehrere der letzteren haben sich vehement gegen das Gesetz ausgesprochen und wollen bei seiner Umsetzung nicht mitwirken, allen voran Utrecht, Rotterdam und Amsterdam.

Die prominenteste Stimme ist Femke Halsema (GroenLinks), die Bürgermeisterin der Hauptstadt. Schon Ende 2018 kündigte sie an, ein Burkaverbot passe nicht zu ihrer Stadt. Selbstverständlich müssten Gesetze umgesetzt werden, doch gebe es in Amsterdam wichtigere Dinge, und über Prioritäten könnten Kommunen selbst entscheiden. Konservative Parteien und Publizisten befürchten, dass dadurch der Rechtsstaat untergraben wird.

Die Zahl der betroffenen Frauen liegt in den Niederlanden bei einigen Hundert. Je nach Schätzung geht es um 150 bis 400 Nikab-Trägerinnen, Burkas kommen noch deutlich weniger zum Einsatz. Für letztere will die Rotterdamer Lokalpartei Nida, die sich als „islamisch inspiriert“ bezeichnet, künftig eventuelle Strafgelder bezahlen. Der umstrittene Prediger Abou Hafs rief „Schwestern mit Nikab“ auf, „standhaft zu bleiben“.

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