Reaktionen auf Asylrechtsverschärfungen: Die Zurückhaltung der Grünen

Sie wandten sich vehement gegen Abschiebungen, nun sind die Grünen auffällig still. Scharfe Kritik kommt nur aus der Grünen Jugend. Und aus der SPD.

Die Grünen am Ende: Zustimmung für Abschiebungen nach Afghanistan (Archivbild 2019) Foto: Michael Kappeler/picture alliance/dpa

BERLIN taz | Ein Großteil der Grünen-Abgeordneten schweigt bisher zu den Verschärfungen in der Asylpolitik, die die Bundesregierung am Donnerstag vorgestellt hat. Und an der Abschiebung von verurteilten Verbrechern nach Afghanistan, die am Freitagmorgen öffentlich wurde, üben sie nur verhaltene Kritik. Das ist bemerkenswert, denn bis vor kurzem hatte sich die Partei noch vehement dagegen gewandt, Geflüchtete in das von den islamistischen Taliban beherrschte Land zurückzuzwingen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Marco Buschmann (FDP) hatten das Maßnahmenpaket am Donnerstag vorgestellt, mitverhandelt hatte auch Grünen-Vizekanzler Robert Habeck. Es sieht mehr Kompetenzen für Sicherheitsbehörden und deutliche Verschärfungen im Waffenrecht vor, vor allem aber auch weitere Einschränkungen für Geflüchtete.

Sie sollen noch leichter abgeschoben werden können, wenn sie straffällig werden. Das soll auch Jugendliche betreffen. Geflüchtete, für deren Asylantrag nach dem Dublin-System andere EU-Staaten zuständig sind, sollen Sozialleistungen gestrichen werden, sofern der Aufnahmestaat sie auch tatsächlich zurücknehmen will. Auch das Ziel, wieder nach Syrien und Afghanistan abzuschieben, hatte Faeser am Donnerstag bekräftigt. Kurz darauf hob ein Abschiebeflieger mit 28 afghanischen Straftätern ab.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke sagte der taz mit Blick auf die Abschiebung, „Schwerkriminelle können keinen Schutz erwarten.“ Es stellten sich aber „rechtliche Fragen, ob die Abschiebung am Freitagmorgen auf diese Weise hätte durchgeführt werden dürfen.“ Der Rechtsstaat zeichne sich „dadurch aus, dass Täter überführt und vor Gericht gestellt werden und ihre Strafe vollständig verbüßen“

Keine Hysterie, mehr Integration

Der grüne EU-Abgeordnete Erik Marquardt sagte der taz zum Abschiebeflug: „Niemand will diese schweren Straftäter in Deutschland behalten.“ Es gebe aber offene Fragen: Was hat Qatar dafür bekommen? Und was die Taliban? Bei letzteren handele es sich schließlich um „internationale Topterroristen, die unbedingt hoffähig werden wollen.“

Man müsse „aufpassen, nicht aus der guten Absicht, gegen Islamismus vorzugehen, die härtesten Islamisten der Welt zu stärken.“ Es müsse außerdem unbedingt darauf geachtet werden, „dass nicht bald auch unschuldige Personen abgeschoben werden, die vor den islamistischen Taliban geflohen sind.“

Das Maßnahmenpaket, das Faeser und Buschmann vorgestellt hatten, kritisiert Marquardt nicht grundsätzlich. „Das Asylrecht und der Schutz von Menschen in Not ist eine große Errungenschaft, auf die wir stolz sein sollten.“ Er warnt aber: „Ich wünsche mir sehr, dass nicht hektisch irgendwas beschlossen wird, sondern, dass im Gesetzgebungsverfahren sehr genau überlegt wird, was wirklich sinnvoll ist.“

Die öffentliche Debatte drohe derzeit „in Hysterie zu verfallen“. Zu bedenken sei etwa, dass Schlechterstellung bestimmter Gruppen mitunter Radikalisierungsprozesse begünstigen könne. Zudem sei mit der Reform des Europäischen Asylsystems (GEAS) der Spielraum für nationale Vorstöße sehr klein geworden.

Wirklich scharfe Kritik kam am Freitag nur von der Grünen Jugend. Katharina Stolla, eine der zwei Bundessprecherinnen, sagte der taz: „Das Asylpaket der Ampel ist die falsche Antwort auf die schreckliche Tat von Solingen.“ Statt Islamismus effektiv zu bekämpfen, stellen die Pläne „ganze Gruppen unter Generalverdacht.“

Die Kürzungen bei Dublin-Fällen seien nicht nur unwürdig, sondern liefen sogar Gefahr, dass die Betroffenen sich dadurch erst radikalisierten. Zu der Abschiebung nach Afghanistan sagte Stolla, diese sei „durch nichts zu rechtfertigen.“ Denn: „Straftäter gehören einem rechtsstaatlichen Verfahren zugeführt, Abschiebungen in den Tod dürfen nicht dazugehören.“

SPD fordert mehr Geld für Prävention

Härter als die Bewertungen in der Grünen-Fraktion war am Freitag auch die Reaktion der migrationspolitischen Sprecherin der SPD im Bundestag, Rasha Nasr. Zur Abschiebung nach Afghanistan sagte sie: „Wir tragen Verantwortung und dürfen uns nicht mit Regimen gemein machen, die wir in der kommenden Bundestagsdebatte wieder scharf kritisieren werden.“

Am Maßnahmenpaket gegen Islamismus lobt sie die geplanten Verschärfungen beim Waffenrecht, mahnt aber: „Verstärkte Kontrollen, weitreichendere Kompetenzen der Polizeibehörden und der Einsatz von KI brauchen Augenmaß und müssen rechtssicher erfolgen.“

Nasr fordert von der Bundesregierung insbesondere mehr Geld für Präventionsprojekte gegen Islamismus. Die Verschärfungen im Asylrecht seien genau das falsche Signal: „Pauschaler Leistungsentzug und die Ausweitung von Strafmaßnahmen gegen geflüchtete Jugendliche führen zu Ausgrenzung und Spaltung.“ Sie warnt: „Zusammen mit den Versäumnissen bei der Integration in Deutschland bilden sie den Nährboden für weitere Radikalisierung.“

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