Rassismus-Debatte um „Otto – Der Film“: Schluss mit lustig

„Otto – Der Film“ läuft gerade wieder in einigen Kinos und ist wegen einer problematischen Szene Gegenstand einer Diskussion um Rassismus und Humor.

Otto Waalkes und Günther Kaufmann als US-Soldat in einer Szene des Films "Otto - Der Film".

Otto Waalkes und Günther Kaufmann in der Sequenz des Anstoßes Foto: Wolfgang Jahnke/Rialto Film/dpa

BREMEN taz | Darf ein Komiker das N-Wort benutzen – oder gar „Bimbo“ sagen? Von einem mindestens verstörenden Erlebnis berichtete unlängst Jacek Slaski im Berliner Stadtmagazin tip: Mit seinem zehnjährigen Sohn hatte er einen Film mit dem „Helden der eigenen Jugend“ angesehen, die 1985 entstandene Erfolgskomödie „Otto – Der Film“ von und mit dem Exilostfriesen und Wahlhamburger Otto Waalkes. Überraschender Erklärungsbedarf bestand dann in jener Szene, in der Titelheld Otto (Waalkes) einer reichen Dame das Geld aus der Tasche zieht, indem er ihr Günther Kaufmann als „Sklaven“ anbietet – auch mit den Worten: „Schwarzer Kopf, schwarzer Bauch, schwarze Füß“.

Das ist heute nicht mehr lustig, und so fragt sich denn auch Slaski, „was es für eine Gesellschaft bedeutet, dass ein derart erfolgreicher Film so offen und plump mit rassistischen Klischees spielt und das nicht einmal erkannt und eingeordnet wird“. Sein unaufgeregter Text war vermutlich nicht der allererste zu diesem Thema, aber ein ziemlich früher. Seither wird eine gelegentlich schrille Debatte geführt über Humor und Rassismus; in den vergangenen Tagen nahm sie noch mal merklich an Fahrt auf, und das dürfte daran liegen, dass der Film am heutigen Donnerstag vielerorts wieder ins Kino kommt.

Otto Waalkes, der bislang nichts dazu gesagt hat, wäre nicht einer der besten deutschen Nachkriegskomiker, wenn er nicht wüsste, dass die Zeit für diesen Witz schon seit längerem vorbei ist. 1985 hingegen war der Gebrauch dieses „deutschen“ N-Worts üblich und keine rassistische Beschimpfung – und also auch kein Anlass für erhitzte Diskussionen. Zumal der Kontext einer problematischen Lesart eher entgegen arbeitet: Auf der Ebene der Handlung macht die Szene sich lustig über die Scheinheiligkeit „feiner Leute“, die nichts gegen einen Sklaven im Haus hätten – wäre ihnen das bloß erlaubt.

Auch beleidigt Otto den auf der Straße aufgegabelten US-Soldaten (Günther Kaufmann) weder, noch degradiert er ihn, und eher amüsiert als irritiert macht der Mann den Streich mit. Überhaupt spielt Kaufmann (1947–2012), als Darsteller bei Fassbinder oder auch in legendären Bremer Theater­inszenierungen bekannt geworden, die einzige Figur, die keine Karikatur ist – abgesehen vielleicht von Silvia­ (Jessika­ Cardinahl). Andererseits ist dieses weibliche Objekt von Ottos Begierde so naiv gezeichnet, dass der Film mindestens so sehr sexistisch genannt werden kann wie rassistisch.

„Otto – Der Film“. Regie: Otto Waalkes, Xaver Schwarzenberger. Deutschland 1985, 85 Min.

Geschrieben hatten die umstrittene Szene – wie den Rest des Drehbuchs, aber auch die meisten Nummern in Ottos damaligen Bühnenshows – Bernd Eilert, Robert Gernhardt und Peter Knorr, die allesamt zur „Neuen Frankfurter Schule“ des höheren Blödsinns gehörten und zuerst für die Pardon, dann für die Titanic schrieben. „Politisch korrekt“ genannt zu werden, wäre für sie wohl eine Beleidigung gewesen. Lustig machten sie sich aber immer nur nach oben gerichtet, Auch wenn Otto versucht, sich radebrechend einem vermeintlichen Arbeitsmigranten verständlich zu machen, antwortet dieser in geschliffenem Deutsch – das dann wiederum Otto nicht versteht.

Wie gut ist „Otto – Der Film“ also gealtert? Als infantile Kunstfigur ist Otto immer noch witzig. Abseits seiner Auftritte fiel er damals nie aus der Rolle, wer der Privatmann Otto Waalkes­ war, war schwer zu ergründen. Obwohl ihr Humor völlig verschieden ist, dürfte Otto damit ein Rollenmodell für Helge Schneider gewesen sein. In den 1980er-Jahren gehörte Otto zur Handvoll Künstler*innen, die die Populärkultur der Bundesrepublik veränderten. Mit zwei anderen in diesem Sinne wichtigen Leuten, Udo Lindenberg und Marius Müller-Westernhagen, lebte er eine kurze Zeit lang in einer Hamburg-­Eppendorfer Wohngemeinschaft.

Nicht gut gealtert ist eine der bekanntesten und witzigsten Sequenzen: Die Idee, eine Parodie auf Michael Jacksons­ Gruselvideo „Thriller“ zu machen, in dem nachts auf dem Friedhof eine Armee von untoten Heinos auferstehen und zum Marschschritt „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ singen, bleibt einer der schönsten Lacher des Jahrzehnts. Aber Jackson und Heino stehen inzwischen für etwas ganz anderes als schwarze Coolness und weiße Dumpfheit, und gute Parodien müssen einerseits nah an ihren parodierten Vorbildern bleiben – diese aber muss das Publikum auch kennen.

„Otto – Der Film“ übernahm viele Elemente von Ottos Bühnenshows, darunter seine Version des Comedian-­Harmonists-Songs „Mein kleiner grüner Kaktus“. Was damals mancher als Zweitverwertung bemängelte, ist heute ein Vorteil, denn nebenbei bietet der Film so das Beste von Otto aus seinen besten Zeiten. Die Autoren Eilert/Gernhardt/Knorr haben auch hier einen schönen Dreh gefunden und die Komik noch erhöht: So tritt Otto in einem Altersheim auf, wo ihn keine*r witzig findet. Schallend lachen die Senior*innen nur über die boshaften Kommentare eines alten Grantlers im Stil von Waldorf­ und Statler aus der Muppet-Show. „Seid ihr alle da?“ fragt Otto schließlich, und auf ihr „Ja“ antwortet er: „Aber nicht mehr lange!“. Würde man heute noch solche Altenwitze machen?

Mit 14 Millionen Zuschauer*innen war „Otto – Der Film“ der lange Zeit erfolgreichste bundesdeutsche Kinofilm. Produzent Horst Wendlandt (1922 –2002) wusste damals wie niemand anders, was die Westdeutschen wann im Kino sehen wollten, erfand etwa die Edgar-Wallace- und Winnetou-­Filme. Waalkes wiederum machte noch fünf weitere Otto-Filme – mit abnehmendem Erfolg. Sein Comeback hatte er 2002 als Synchronstimme des Faultiers „Sid“ in den Ice-Age-Filmen. Für 2020 geplant war die Premiere von „Catweazle“, der Kinoadaption einer britischen Fernsehserie aus den 1970er-Jahren.

„Otto – Der Film“ war der Höhepunkt von Waalkes̕ Karriere. Derzeit läuft er in einigen Kinos, aber auch auf Netflix ist er zu sehen – noch ohne Schnitte.

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