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Rammstein-Fans im ZeitgeistDie Verwahrlosten

Mit ihrer emotionalen Verwahrlosung stehen Rammstein-Fans keineswegs allein. Sie repräsentieren eine Minderheit, die immer weitermarschieren will.

Nicht­erscheinen würde genügen, um bisschen Anstand zu zeigen: Rammstein-Fan am 15. Juli in Berlin Foto: Fabian Sommer/dpa

„Die Geschichtenerzähler machen weiter, die Autoindustrie macht weiter, die Arbeiter machen weiter, die Regierungen machen weiter, die Rock-’n’-Roll’Sänger machen weiter“ – ja gerade die eben, last not least.

Wenn man das Gefühl, das das gegenwärtige Deutschland ausstrahlt, fassen möchte, dann ist der Dichter mit dem überaus deutschen Namen Rolf Dieter Brinkmann mit diesem Auszug aus seiner sehr viel längeren Litanei des ewigen Weitermachens vielleicht ein Ausgangspunkt. Es hat etwas Besinnungsloses, etwas Selbstvergessenes wie im Spiel, aber auch etwas Trotziges und Rotziges: Wie Kinder eben kommen einem die Rammstein-Fans vor, die einfach nicht glauben wollen, dass Papi Mami schlägt, weil ja noch kein Urteil gesprochen ist, das sie in ihrer geistigen Unreife und emotionalen Abhängigkeit selbst nicht zu fällen in der Lage sind.

Nicht mal durch ein schlichtes Fernbleiben vom Spektakel schaffen sie es, Respekt und Mitgefühl zu zeigen, für die und mit denen, die unzweifelhaft gelitten haben und leiden, die verletzt wurden – jenseits der Frage ihrer eigenen Mitverantwortung und der strafrechtlichen Relevanz der Vorgänge. Im Wortsinn nichts müssten die Fans tun, um für Stadien und Arenen zu sorgen, in denen sich das Unternehmen Rammstein mit seiner eigenen Leere auseinandersetzen dürfte.

Ein einfaches, gern auch freundlich-abwartendes Nichterscheinen würde genügen, um ein wenig Bewusstsein, ein bisschen Anstand zu zeigen und ein klitzekleines Verlangen auszudrücken, dass die Mitglieder von Rammstein mehr tun, als sich hinter Anwälten zu verschanzen wie hinter der Berliner Mauer und höhnische Anspielungen in ihre Texte einflechten. Nichts müssten diese Fans tun – aber nicht mal dazu sind sie in der Lage. Man mag diese Gefühlskälte auf den Neoliberalismus zurückführen oder aufs Neandertaler-Gen – entscheidend ist, den Realitäten in die toten Augen zu schauen.

Die Zukunft interessiert sie nicht

Denn diese Fans stehen mit ihrer emotionalen Verwahrlosung ja keineswegs allein. Sie repräsentieren eine Stimmung im Land, eher nicht die der Mehrheit, aber einer sehr starken Minderheit, die – dazu passt die Musik von Rammstein sehr gut – immer weitermarschieren will, komme, was da wolle. Früher hätte man sie Mitläufer genannt, Aber der Mitläufer erhofft sich ja, aus einem gesellschaftlichen Schlamassel persönlich heil herauszukommen, indem er sich in der Masse versteckt.

Das Rammstein-Konzertpublikum, die vermeintliche Protest-AfD-Wählerschaft, die Verbrennerfanatiker: Sie alle eint, dass sie eine Art Avantgarde der Gemeinheit bilden, die eines nicht mehr interessiert – die Zukunft; nicht die ihrer Söhne und schon gar nicht die ihrer Töchter, aber auch nicht ihre eigene. Sie wollen die finale Party mit Rums und Brumm-brumm zu Ende feiern, rationale Einwände und moralische Erwägungen stören da nur.

Der Kollege Andreas Rüttenauer hat diese Klientel kürzlich das „Normalitariat“ genannt, also jene Menschen, die bei der Erdinger Heizungsdemo sich tummelten und lustvoll juchzend der Hetzrede gegen die Demokratie des stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger lauschten. Zitat Rüttenauer: „Und die anderen? Die sind ‚unnormal‘, wie Hubert Aiwanger gesagt hat. Was würde er wohl mit den Unnormalen machen, wenn er sich wie angekündigt die Demokratie zurückgeholt hat? Man möchte es nicht wissen. Erding macht Angst.“

Rammstein macht keine Angst. Rammstein ist nur eine abgerockte Partycombo, die auf ihrer ironisch begonnenen und ökonomisch überaus erfolgreichen Rundreise durch die deutsche Vergangenheit nun den Kreis geschlossen haben: Ganz unironisch kalt und höhnisch wie SS-Männer treten sie jetzt auf, sich verkniffen-feige zu Opfern stilisierend. Und der knuffige Keyboarder spielt halt einfach immer weiter den Tastenficker, am innigsten mit fest zugedrückten Augen. Angst machen die Leute, die es nicht hinbekommen, sich – ja warum denn nicht – traurig und enttäuscht abzuwenden, die Richtung zu wechseln.

Die Antwort: 51 Prozent

Und was, ist da die logische Frage, wäre einer möglichen ‚Diktatur des Normalitariats‘ entgegenzusetzen? Die Antwort ist ernüchternd, weil sie nüchtern ist. Sie lautet: 51 Prozent. Wir können nicht darauf setzen, dass Menschen, denen ihre eigene Zukunft und die ihrer Kinder egal ist – denn so handeln sie und handeln ist ja bekanntlich wie reden, nur krasser –, durch Argumente überzeugt werden. Wir können sie auch nicht systematisch verändern oder totalitär zu einem Glück zwingen, das sie ja genau nicht wollen. Wir können ihnen nur auf demokratischem Weg einen unattraktiven Platz zuweisen – den der Minderheit.

Damit haben wir genug zu tun und dazu brauchen und haben wir auch Vorbilder: Alle betroffenen Frauen, die sich in der Causa Rammstein zu Wort gemeldet haben, den Schrecken noch einmal durchlebend und Scham überwindend, sind Heldinnen der Mehrheit, die leben und die Idee des guten Lebens weitergeben will. Wir müssen attraktiv, mutig und offen sein, obwohl der Blick in die Welt dazu wenig Anlass gibt. Wir müssen der ­Versuchung widerstehen, die Dinge einfach laufenzulassen und sich mit einem großen Bäng als Gattung Mensch zu verabschieden, obwohl das manchmal so verlockend erscheint: Eben das macht ihn ja aus, den – hatte ich das schon erwähnt? – durchaus suggestiven Rammstein-Sound.

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46 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Ein Nachtrag noch und zwar ein Textauszug aus dem Song "Angst" vom letzten Album.



    Meiner Meinung nach beschreiben Rammstein hier selbst diese reaktionäre Masse, die der Autor des Artikels beschreibt und es ist ein Statement gegen Angst vor Überfremdung und Fremdenfeindlichkeit.

    Im Video zum Song (zu finden auf YouTube bei Rammstein) wird das durch die genutzte visuelle Symbolik noch deutlicher. Ich kann das nur empfehlen, um sich eine komplexere Meinung zu bilden, wo diese Band tatsächlich steht.

    -------

    Und das glauben wir bis heute



    So in Angst sind Land und Leute



    Etwas Schlimmes wird geschehen



    Das Böse kommt, wird nicht mehr gehen

    Und die Furcht wächst in die Nacht



    Tür und Tore sind bewacht



    Die Rücken nass, die Hände klamm



    Alle haben Angst vorm schwarzen Mann

    In Dunkelheit schleicht er heran



    Bist du nicht brav, fasst er dich an



    Traue keinem Fremden dann



    So viel Albtraum, so viel Wahn

    Und so glauben wir bis heute



    Schwer bewaffnet ist die Meute



    Ach, sie können es nicht lassen



    Schreien Feuer in die Gassen"

  • Dieser Artikel steht exemplarisch für einen hässlichen Trend, diese Gesellschaft per Kulturkampf immer weiter zu spalten und zeigt gut, was in unserer Gesellschaft schief läuft, weil es am Ende für steigende Erfolge politischer Ränder sorgt. Das möchte ich gerne etwas ausführlicher erklären.

    An Rammstein wurde sich bereits in den 90ern abgearbeitet, zwischendurch waren sie mal Lieblinge des Feuilleton, derzeit aus bekannten Gründen eher weniger, egal.



    In diesem Artikel erfolgt jedoch eine faktenferne politische Stigmatisierung und Pauschalisierung der Fans einer international höchst erfolgreichen Rockband. Natürlich gibt es auch unter Rammstein Fans in Deutschland AfD Wähler:innen, reaktionäre Kräfte und Menschen, welche Inhalte oder die Selbstironie nicht verstehen können oder wollen.



    Aber diverse und auch aktuell live gespielte Songs (Bsp. "Links", "Deutschland", "Angst") und eindeutige Aussagen in Interviews (Till Lindemann: "Wir hassen Nazis") haben in der langen Karriere für eine Positionierung gesorgt.

    Ich habe auch kein Problem damit, wenn reaktionäre Menschen auf diese Art "mitgenommen" werden, so lange sie sich vernünftig verhalten.



    Diese müssen sich eben auch mit o.g. Songs und Aussagen beschäftigen oder auch mit auf Konzerten gezeigter Symbolik, z.B. LGBTQ-freundlich von Regenbogenfarben bis zu Küssen zwischen Paul und Richard bei Konzerten in Russland und Polen, die bekannte Schlauchboot-Fahrt mit "Willkommen" Schild, Ukraine-Farben usw.



    Ich lehne mich hier nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich Rammstein als eher linke oder linksliberale Band ansehe und das macht sicher auch den größeren Teil der Fans aus, als mitlaufende Reaktionäre.

    Dieser Artikel zeigt exemplarisch, wie im gesellschaftlichen Gesamtkontext versagt wird. Wer so plump auf die Mitte eindrischt, macht dadurch Ränder nur noch stärker. Es ist 5 vor 12, siehe AfD Umfrageerfolge. Und solche Artikel tragen eine Mitschuld.



    Das macht mich wütend und ratlos zugleich.

    Ricky M.

  • Die Fans in den Dreck zu ziehen, weil möglicherweise aber nicht gesichert in der Band was völlig falsch läuft ist mindestens unfair , wenn nicht sogar zu tiefst unmoralisch.

    • @Rudi Hamm:

      Danke, das sehe ich genauso…und zum Foto:



      Nicht nur Rammstein-Fans zeigen gerne mal die Mittelfinger, sondern auch die Gegendemonstrant*innen…

    • 6G
      655170 (Profil gelöscht)
      @Rudi Hamm:

      Da werden keine "Fans" "in den Dreck" gezogen.



      Nur zutreffend charakterisiert.



      Und ihnen wird auch nicht unzumutbares abverlangt.



      Nur, dass sie dem Mist einfach fernbleiben.



      Und Mist fernzubleiben ist ja nun wirklich keine großartige Leistung.

  • D-A-N-K-E🥰

  • Ich verstehe den Frust des Autors über eine zu langsame Veränderung in seinem Sinne.



    Andererseits macht es eben eine demokratische Gesellschaft aus, dass nicht alle unter ihrem Dach so denken müssen oder die gleiche Musik hören müssen wie die die durchschnittlichen taz-Leser:innen. Wir sind keine homogene Gemeinschaft sondern eine Gesellschaft. Und eine Gesellschaft lebt davon, das alle sich irgendwie aushalten. Die Grenzen setzen Regeln und Rechtsstaat. Und so lange der mir schon immer tiefst unsymphatische Till Linemann nicht verurteilt ist, gilt auch für ihn die Unschuldsvermutung und darf er weiter auftreten. Wichtiger als diesen zurückliegenden Fall medial zu überhöhen ist doch, dass Opfer sich in Zukunft melden, damit die Täter mittels Beweis bestraft werden können.



    Und was den Spruch von der "Diktatur des Normalitäriats" betrifft: Das ist genau die Haltung, die AfD hoch treibt und die Grünen auf aktuell 13 Prozent abstürzen lässt. Diese Selbstgewissheit linker Eliten immer Recht zu haben, während "der Pöbel" dumm und unbelehrbar ist. Dabei ist die Mehrheit für Klimaschutz wie für Gleichstellung, nur eben manchmal etwas anders und etwas langsamer. Die linke Alternative war früher die Dikatur über das Proletariat und wäre heute die Ökodiktatur.

    • @Deldenk:

      "gilt auch für ihn die Unschuldsvermutung und darf er weiter auftreten"



      Nur geht es hier eben weder um die strafrechtliche Bewertung oder um etwaige Auftrittsverbote, sondern um die Frage wie man sich individuelle wie gesellschaftlich zu den Dingen und Vorwürfen verhält; Vorwürfen und Gegebenheiten die mittlerweile von so vielen Quellen bestätigt sind, dass man sie langsam mal als Tatsachen akzeptieren kann. Sehr wahrscheinlich ist das Einrichten von Räumen für Oralverkehr nicht illegal, ebenso ist es gut möglich, dass etwaige Prozesse zu keiner Verurteilung führen, weil wie so oft in solchen Fällen Aussage gegen Aussage steht und eine Nichteinvernehmlichkeit nicht absolut zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Ob man in einer solchen Gemengelage dann tatsächlich so tun soll als ob der Umstand, dass die Hürde für eine strafrechtliche Verurteilung zu hoch war, ein kontrafaktischer Unschuldsbeweis wären ist dann letztlich genau die Frage nach Anstand und zivilgesellschaftlichem Rückgrat um die es hier geht.

  • Ich bin eine Frau. Ich mag Rammstein nicht und auch keine Massenaufläufe. Aber für mich klingt der Artikel wie "Alle böse. Außer Mutti." - und wenn dann noch im letzten Absatz von "Helden" gesprochen wird, beißt sich die Katze in den Schwanz.

    Wie kann man denn AfD-Wähler, Menschen, die das Heizungsdebakel kritisieren und eine komplett aus dem Ruder gelaufene Party-Industrie in einen Topf werfen und mit der Endzeitstimmung des Normalitariats (eine Anspielung auf blöde Proletarier oder Prekariatsangehörige?) um die Ecke kommen und gleichzeitig noch gegen Bayreuth austeilen? Wir sind die Guten? Echt jetzt?

    Rammstein hat ja irgendwer groß gemacht und alle waren doch begeistert von einer Band, deren Musik nun ja, deren Texte grenzwertig und deren Logo geklaut ist - ich glaub, das einzig Spannende ist wohl der Mix aus Feuerwerk und einer seltsamen Form von Männersexualität, der einem anscheinend bei den Bühnenshows geboten wird. Vor einer Weile war man noch böse, wenn man die blöd fand.

    Es wäre so schön, etwas differenzierter an alles heranzugehen. Jemand der Wagner hört oder dirigiert, ist nicht zwangsläufig mit Rammstein und Konsorten oder den Nazis gleichzusetzen. Jemand der LNG-Terminals und Alles-auf-Strom nicht sinnvoll findet, ist nicht unbedingt ein Idiot. Und zwischen dieser schwachsinnig-erfolgreichen Band und den verschiedenen AfD-Wählern wird es auch noch Unterschiede geben.

    Vielleicht erst einmal weg von den Helden. Das wäre doch schon was. Und nicht jeden Mist bejubeln. (In dem Zusammenhang - hört man nicht gern, ich auch nicht - aber die Stones und selbst die braven Beatles ... Es ist gut, wenn Lindemann ein Verfahren bekommt und dabei auch ein wirksames Strafmaß bestimmt wird. Und vielleicht ändert sich ja auch was mit der Helden-Verehrung. )

  • Die Bewertung von menschlichen Interkationen, Verhaltensweisen und Denken . Die aneinandergereihten Druckwerke zu diesem Thema langen mehrmals bis zum Mond.

  • Dadurch, daß das alles dermaßen hochstilisiert wird, ist ein fruchtbarer Austausch bzw. ein Zusammenleben nicht mehr möglich. In diesem Text wird Menschen, die eine andere Meinung haben als wir, viel zu viel angedichtet. Fakt ist, Dinge die uns bewegen kümmert sie nicht. Alles andere ist Mutmaßung und trägt nicht zum Frieden bei sondern vertieft die Gräben. Diese Pauschalisierungen von Menschen geht mir wirklich gegen den Strich.

  • Nur mal als Gedankenanstoß:

    Auf Konzerten wird man keine (Ex-)Rammstein-Fans finden, die aus Protest nicht zu Konzerten gehen... ergo kann man dort doch nur Leute finden, denen es egal ist oder die es gut finden.

    Zumindest bei den Rammstein-Konzerten im Juni in München schienen da unüblicherweise diverse Karten wieder verkauf worden zu sein:

    www.abendzeitung-m...swerden-art-906339

    95€ wegwerfen muss man sich eben auch erstmal leisten können. Und die weiterverkauften Tickets werden natürlich von Leuten gekauft, denen es egal ist.

    Lange Rede, kurzer Sinn:



    Vielleicht sollte man es sich nicht so leicht machen mit "dem Rammstein-Fan".

    Disclosure: Ich habe selbst lange Rammstein gehört und bin etwas frustriert, dass ich das nicht mehr tun können werde.

  • Rotz Kotz (die Punkband) sagt: den Rammstein / Grau.Zone / Ekelpaketen den Strom abdrehen und den Erdingern ihren Wunsch erfüllen: Schluss mit dem Heizen!

  • Das kann gut sein, dass Ramstein-Fans sich für Zukunft nicht interessieren - die Band macht ja auch antimoderne Propaganda.



    Aber ich fürchte, taz-Autor_innen und Lesende sind eine Minderheit und Rammstein- und Gabalier- und Hockenheim- und Nürburgring-Konzertbesucher sind in der Mehrheit.



    Siehe die Studie von Plan International, die zeigt, wie viele Männer zw. 18-35 Gewalt gegen Frauen akzeptieren.



    Gut.



    Also nicht nur Massenblockaden der Bayreuther Festspiele, um diese abzuschaffen, sondern auch der Rammsteinkonzerte.



    Ich gehe mit gutem Beispiel voran: Netflix-Boykott auf allen Ebenen.

    • @Land of plenty:

      Grundsätzlich einverstanden, aber



      - die Studie von Plan International zu erwähnen ist kontraproduktiv, da so schlecht gemacht, dass sich daraus wissenschaftlich (!) rein gar nichts ableiten lässt.



      - die Bayreuther Festspiele mit Rammstein Konzerten gleichzusetzen - das müssen Sie mir erklären: passt Ihnen die Person Wagner, seine Musik oder das Publikum (reiche Bildungsbürger) nicht? Waren Sie überhaupt schon mal dort bzw haben Sie sich den "Ring" oder auch "Tannhäuser" schon mal angehört?



      Ich frage nur ...

      • @Emmo:

        Muss man auf einem Helene-Fischer-Konzert gewesen sein, um zu wissen, wie die ablaufen?

        Oder auf einem Nazi-Rock-Konzert?

        Was Bayreuth angeht, da geht es mir wie Woody Allen:

        “I can’t listen to that much Wagner. I start getting the urge to conquer Poland.”

  • Man hätte es nicht besser sagen können, genau so ist es.

  • Seit meiner Jugend in den 90ern habe ich den Weg von Rammstein begleitet. Leider muss ich nun miterleben, wie die Band das selbst erarbeitete selbst einreißt. Ich war auf einem der Konzerte in Berlin. Leider, denn ich weiß, dass ich Courage hätte zeigen müssen. Zu viele Anschuldigungen sind es mittlerweile. Zu langes Schweigen der Band. Zu peinlich das Umdichten der eigenen Textzeilen. Ich weiß nicht, warum ich trotzdem im Stadion war. Die Hoffnung, dass sich etwas auftut, dass die Anschuldigungen entkräftet? Der Glaube an einen vernünftigen Umgang der Band mit der Situation auf der Bühne? Vielleicht habe ich das Konzert auch als letzte Bestätigung gebraucht, um mit eigenen Augen zu sehen, dass die glorifizierte Band nicht das ist, was sie für mich immer zu sein schien, ein Abschluss sozusagen. Ja, ich muss mir Kritik dafür gefallen lassen und mir ist bewusst, dass mein Handeln vielen missfällt. Dieser Artikel hier ist allerdings eine Aneinanderreihung von Beleidigungen, welcher das Potenzial birgt, die Fronten, die es mittlerweile zu diesem, aber auch zu anderen Themen gibt, auf heftigste Weise zu verhärten. In meinen Augen eine Art von Journalismus, der gefährlich ist. Es soll kein Whataboutism sein, aber um ein Normalitariat zu beschreiben, muss man die Moral-Definition unserer Gesellschaft im Gesamtkontext sehen. So habe ich zum Beispiel keine Spielminute der WM aus Katar angesehen, obwohl ich großer Fußballfan bin. Es passte nicht zu meiner Moralvorstellung mir Spiele anzusehen, die in Stadien ausgetragen werden bei deren Bau Hunderte von versklavten Arbeitern ums Leben kamen. Dennoch habe ich niemanden beleidigt, der sich die Spiele angesehen hat, sondern habe es als mein moralisches Verhalten dürr mich abgehakt. Für weitere Beispiele reichen die verbleibenden Zeichen leider nicht. Stichwort finanzielle Unterstützung von Missbrauch und dessen Vertuschung durch Zahlung von Kirchensteuer. Mit Rammstein werde ich dennoch abschließen müssen.

    • @Caschu:

      Chapeau!

  • "...weil ja noch kein Urteil gesprochen ist, das sie in ihrer geistigen Unreife und emotionalen Abhängigkeit selbst nicht zu fällen in der Lage sind."



    a) Vorstellbar, dass sie das Urteil "Unschön", aber strafrechtlich "Unschuldig" sprechen



    b) Vorstellbar, dass sie sagen: "Ich warte ab, bis ein Gericht ein Urteil spricht. Weil das eben so in einem Rechtsstaat ist. Unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils."



    Hier mal die Rechtsprechung:



    www.lto.de/recht/n...eilige-verfuegung/



    "Dabei wurde auch über den Verdacht berichtet, Lindemann habe Frauen bei Konzerten der Gruppe "Rammstein" mit Alkohol, Drogen oder K.O.-Tropfen betäubt oder betäuben lassen, um ihm zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an den Frauen vornehmen zu können.

    Nun verbot das Landgericht Hamburg (LG) mit einstweiliger Verfügung die Verbreitung dieses Verdachts. Das LG begründet dies mit einem fehlenden sogenannten "Mindestbestand an Beweistatsachen". Dabei handelt es sich um eine Voraussetzung für zulässige Verdachtsberichterstattung. Nach Auffassung des LG stützen die eidesstattlichen Versicherungen der im Beitrag zu Wort kommenden Frauen schon den Verdacht nicht, dass Lindemann Frauen zum Zwecke anschließender sexueller Handlungen betäubt habe."

  • Ich bin Sozialpädagoge, Traumapädagoge, Grünenwähler und Vater 3 er Söhne. Schon aufgrund letzteres beschäftige ich mich auch mit der Frage, wie entsteht bei menschlichen Interaktionen Konsens und wie kann Mann dies erkennen ? Ab wann ist jemand nicht mehr Konsenzsfähig ?

    Leider werden diese Themen gerade auch bei der Diskussion um Rammstein nicht verhandelt. Stattdessen werden unbewiesene Behauptungen mit den sehr unangenehmen persönlichen Erzählungem von jungen Frauen zusammen gerührt und uneingeschränkte Solidarität mit den Opfern eingefordert.

    Als Rammstein Konzertbesucher werde ich jetzt als AFD Wähler und Verbrennermotorfan beschimpft, der alten SS Männern im Rechtsrock Konzert zuhört.

    Was glaubt ihr, damit zu erreichen ? Mich habt ihr bei der Diskussion verloren..

    Und bevor ihr euch ein endgültiges Urteil über Rammsteins Kunst erlaubt, solltet ihr noch das Video in eure Theoriekette einbauen, die die Bandmitglieder an der Hundeleine kriechend durch Berlin zeigt. An der Führungsleine ein Kerl in Frauenkleidern.

    Aber nein. Passt nicht ins perfekte Welterklärungsbild.

  • Dieser Rundumschlag ist mir in weiten Teilen zu billig. Wer zu Rammstein geht, schreckt auch vor AfD, Autos und Aiwanger nicht zurück und "macht Angst"? Naja. Davon abgesehen, würde ich mir die Band derzeit nicht ansehen, da bin ich bei Herrn Waibel.

  • OK, die Fans sollen also "freundlich-abwartend" den Konzerten fernbleiben -- ein merkwürdiger Euphemismus für "boykottieren". Die Logik ist also: Es gibt Vorwürfe, deshalb müssen die Fans boykottieren. Nicht vorverurteilen aber vorbestrafen. Und wer nicht mitmacht ist "verwahrlost".

    Es würde mich nicht überraschen, wenn sich die Vorwürfe als wahr herausstellen, aber trotzdem hat es ein Geschmäckle, wenn Journalisten vorauseilende Selbstjustiz einfordern und Menschen, die dabei nicht mitmachen, beschimpfen.

  • Als würden Tom-Cruise-Fans mit jedem Kauf einer Kinokarte automatisch Scientology unterstützen oder alle, die gerne "Let it be" von den Beatles hören, Mord tolerieren, schließlich war der Produzent Phil Spector ein verurteilter Mörder.

  • Worauf Herrn Waibels Annahme fußt, dass das Normaliariat weniger als 50% repräsentiert, entzieht sich meinem Auffassungsvermögen. Gleichzeitig hält er es für sinnlos, dass das Normaliariat durch Argumente zu überzeugen sei. Und dann appelliert er an die Kraft der Demokratie, das alles zurechtzurücken. Das ist mir logisch zu verschwurbelt.



    Die Meinung, dass Argumente nichts bewirken, ist der Todesstoß für jede Form von Pluralismus.

  • "Wie Kinder eben kommen einem die Rammstein-Fans vor, die einfach nicht glauben wollen, dass Papi Mami schlägt, weil ja noch kein Urteil gesprochen ist, das sie in ihrer geistigen Unreife und emotionalen Abhängigkeit selbst nicht zu fällen in der Lage sind."



    Das mit dem Fällen von Urteilen scheint dem Autoren hingegen keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten.

    Ich habe selten einen Kommentar gelesen, in dem so viel ehrlich empfundene Verachtung aus jeder Zeile trieft. Ich frage mich, was das soll. Dass die Vorwürfe strafrechtlich relevanten sexuellen Missbrauchs weiterhin unbewiesen sind - geschenkt. Dass die ersten Vorwürfe gegen Flake Lorenz und Christoph Schneider erst diese Woche kurz vor dem großen Konzert in Berlin plötzlich aufkamen, obwohl sie in den 90er Jahren (!) vorgefallen sein sollen und außer den (immerhin eidesstattlichen) Aussagen der mutmaßlich Betroffenen keine Belege haben - dahingestellt. Dass manche Fans vielleicht sehr wohl urteilsfähig sind und schlicht ein anderes Urteil fällen als der Autor, scheint hier keine Rolle zu spielen.

    Hand aufs Herz: Ich weiß nicht, ob die Vorwürfe gegen Lindemann oder die anderen Rammstein-Mitglieder zutreffen, ebensowenig wie der Autor. Nach allem, was bisher aufkam, bin ich ehrlich unsicher, was ich glauben soll. Ich würde deshalb zum jetzigen Zeitpunkt kein Rammstein-Konzert besuchen, kann aber ehrlich gesagt auch verstehen, wenn Leute dies anders sehen. So zu tun, als wäre die ganze Sache ein klarer Fall in die eine oder andere Richtung, kann ich wiederum nicht verstehen.

    Ich empfinde zudem zunehmend Unbehagen darüber, wie sich seit Bekanntwerden der ersten Vorwürfe in dieser und anderen Zeitungen die Lust daran breitmacht, Rammstein-Fans möglichst eloquent menschlich abzuwerten. In der Taz war ja auch schon von "fröhlich Zurückgebliebenen" die Rede. Als jemand, der Rammsteins Musik immer sehr mochte (und mag) und den die Vorwürfe nachhaltig verunsichert haben, finde ich dies etwas verstörend.

  • Der Vergleich zu den SS-Männern ist mehr als nur unpassend!

  • Also ich muss doch sehr bitten: "Verbrennerfanatiker" in einen Topf mit Nazis zu werfen geht wirklich zu weit.

  • Ambros Waibel spricht mir aus dem Herzen. Danke dafür!

  • Das "Normalitariat", das sind die Menschen, die eine insgesamt konservative Grundhaltung zum Leben haben. Und ist leider die Mehrheit und zwar weltweit.

    • @boidsen:

      "konservative Grundhaltung"

      Ich denke Lindemann ist kein Problem der Konservativen. Er selbst verortet sich und die Band bei den "Sozialisten". Das wird bei den Fans dann wohl auch entsprechend sein.

      "Im Gespräch mit ROLLING STONE ließ Lindemann keinen Zweifel an der antifaschistischen Einstellung der Band. „Wir kommen aus dem Osten und sind als Sozialisten aufgewachsen. Wir waren früher entweder Punks oder Gruftis – wir hassen Nazis!”, so der Sänger" www.rollingstone.d...0so%20der%20Sänger.

      Ich persönlich denke, das Thema ist mit Buzzwörtern aus dem politischen Möbelmarkt (Schubladen) ganz und gar nicht zu fassen.

    • @boidsen:

      Das Dumme ist halt nur, daß diese "Mehrheit?" nicht wirklich konservativ ist, sondern reaktionär. Bekanntlich kommt 'konservativ' ja von lat. 'conservare', was bewahren/schützen bedeutet. Und tatsächlich gibt es eine kleine Gruppe von echten Konservativen, die stark am Erhalt der Natur interessiert ist. Die Armleuchter, welche sich gemeinhin nur selbst mit dem Attribut schmücken, handeln gegenteilig.

    • @boidsen:

      Wenn Sie mit „konservativ“ die Flucht aus der unmittelbar Verantwortung fordernden Gegenwart in die Vergangenheit meinen, einer Vergangenheit, die es nie gab, dann passt‘s aus meiner Sicht. Wenn dieser Flucht tatsächlich die Mehrheit folgt, bleibt nur deren Teilung, wobei ein Teil möglichst nicht wählen gehen sollte. Und ein weiterer Teil weniger als 5% erhalten darf.

  • Normalitariat. Ein gutes Wort, um u becshreiben, warum sich die Menschen so verhalten.



    man verhält sich ja nur "normal". Und "normal" kann ja nicht schlecht sein.

    Die Aggressionen schwappen hoch, wenn man sagt, dass genau diese "Normalität" ein Teil des Problems ist. Das möchte kein "Normaler" hören. Sofort wird in den Angriffsmodus geschaltet und alles attackiert, was "Normalität" ändern will.

    • 6G
      663803 (Profil gelöscht)
      @Elvenpath:

      Welche Normalität kann weiter praktiziert werden und welche Normalität hat sich in eine eher dysfunktionale Richtung verändert…. Sorry immer wieder Blowjobs und quickies zwischen die Auftritte auf der Bühne einhakten, als Routine für die Musiker, das finde ich eher krankhaft denn normal

    • @Elvenpath:

      Richtig!

  • Word Up, Super Kommentar!

    Genau die richtige Schärfe und die perfekte Tonality.

    Punktgenau der stumpfen Bagage die Leviten gelesen.

    • @Jim Hawkins:

      Ja, ein super Kommentar für die eigene Blase. Anderen die Leviten zu lesen ist des Deutschen liebste Tugend.

    • @Jim Hawkins:

      "stumpfe Bagage" - Ironie?

      • @Ringsle:

        Eigentlich nicht.

        Ich kenne keine Band, die derartig öde, langweilig und dumpf wäre wie Rammstein.

        Und das verbunden mit einer nicht weniger öden Misogynie.

        Den Fans sind die aufgekommenen Vorwürfe scheißegal.

        "Manche führen, manche folgen". Die Fans folgen. Das ist der deutsche Weg.

        • @Jim Hawkins:

          Wenn Ihrer Mutter von ihrem Nachbarn Ladendiebstahl vorgeworfen wird, wenden Sie sich dann von ihr ab? Und wenn noch ein zweiter Nachbar dies ebenfalls behauptet, machen Sie dann die Familie mobil, ab sofort den Kontakt zu Ihrer Mutter für immer abzubrechen?



          Oder suchen Sie erstmal nach der Wahrheit und schauen dann, wie damit umzugehen ist...

        • @Jim Hawkins:

          Mit Verlaub, da kann jede beliebige Deutschrock-Band mit Rammstein mithalten. Und die sind, was die Widerlichkeit angeht, teilweise noch schlimmer.

          Ich bin bin auch immer wieder überrascht, dass Bad Religion schon als Teenies über mehr Reflexionsvermögen verfügten als so viele andere, ältere Leute, die sich für Musiker halten.

        • @Jim Hawkins:

          "Den Fans sind die aufgekommenen Vorwürfe scheißegal."

          Die Ehrfahrung in den letzten Jahren hat gezeigt, dass trotz aller Vorverurteilung am Ende oft wenig bleibt, siehe Kachelmann.



          Also wartet man, bis der Rechtsstaat sein Urteil gefaellt hat.

          Es steht natuerlich jedem frei zu versuchen, dieses Verhalten als rechts und antidemokratisch zu framen.

        • @Jim Hawkins:

          Sind da denn schon abschließende Urteile gefallen? Gab es einen Freispruch?

        • 6G
          652797 (Profil gelöscht)
          @Jim Hawkins:

          "Ich kenne keine Band, die derartig öde, langweilig und dumpf wäre"



          Fast so als hätte man verschiedene Geschmäcker. Den Fans sind die Vorwürfe genauso egal wie Ihnen die Beweislage.