Putins Rede an die Nation: „Westen hat den Krieg losgetreten“
Vor dem Jahrestag des Überfalls macht Putin den Westen für den Ukraine-Krieg verantwortlich. Aus dem New-Start-Vertrag mit den USA will er raus.
Ein definitiver Ausstieg aus dem nuklearen Rüstungsvertrag mit den USA sei das zwar nicht. Sollten die Amerikaner allerdings ihre Waffen testen, so werde Moskau das auch tun, so der Kremlchef. Der New-Start-Vertrag begrenzt die Nuklear-Arsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und 1.550 einsatzbereite Atomsprengköpfe. Erst 2021 war die Laufzeit des Abkommens um fünf Jahre verlängert worden.
Was Putins Ankündigung tatsächlich bedeutet, ob mehr dahintersteckt als die Rhetorik eines sich immer weiter radikalisierenden Präsidenten, wird sich zeigen. Die Schlagzeile aber ist dem russischen Oberbefehlshaber, der sich im Kampf mit dem „neoliberalen Totalitarismus des Westens“ sieht, gewiss. Seine Botschaft: Jegliche Zusammenarbeit mit den USA hat keinen Wert. Sein Hauptanliegen ist die „Front“: Armee, Wirtschaft, Politik, Kirche, Bildung, Soziales – jeder Bereich in Russland soll mobilisiert werden. Nur die „echten Patrioten“ seien in einem „großzügigen, unverwüstlichen, starken Russland“ zu Hause, so der Kremlchef weiter.
Wenige Tage vor dem ersten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine ist Putins Rede mit Spannung erwartet worden. Dabei nutzte er den Auftritt einmal mehr, um die Verantwortung an der „militärische Spezialoperation“ im Nachbarland von sich zu weisen: „Der Westen hat diesen Krieg losgetreten, und wir wenden Gewalt an, um ihn zu beenden.“
Putin ist kein perfides Narrativ zu schade
Das ist die bekannte offizielle Umdeutungsstrategie Moskaus. Putin ist sich seines „Rechts“ und seiner „Wahrheit“ sicher. „Sie spucken drauf, wen sie für ihre Wetteinsätze gegen uns gebrauchen. Sie haben schon in den 30er Jahren einen Krieg gegen uns entfacht. Und jetzt versuchen sie es wieder, um uns endgültig zu schlagen“, behauptet er.
Dabei kämpfe Russland keineswegs gegen das ukrainische Volk, es sei der „verlogene Westen“, der das Land besetzt halte und alle Ukrainer*innen als Gebrauchsmaterial und das Land als Waffenplatz gegen Russland einsetze. Ihr Ziel dabei ist es, uns die historischen Territorien, die jetzt Ukraine heißen, zu entreißen.“ „Sie“, das ist der Westen, das sind die USA. Dem Kremlchef ist kein perfides Narrativ zu schade, um sein Land darauf einzuschwören, dass der Krieg lange dauern wird.
Knapp zwei Stunden lang wiederholt er Versatzstücke seiner Erzählung vom „geduldigen, stets auf Ehrlichkeit hinauswollenden, vom degenerierten Westen aber lange Zeit vertrösteten und beleidigten Russland“. Im Publikum sitzen auch einige aus der Ukraine zurückgekehrte Soldaten in Ehrenuniformen und mit Krücken.
Die meisten Menschen im Land glauben Putins Erzählung, sie haben sie längst zu ihrer gemacht und stehen hinter ihrem Präsidenten, der auch am Dienstag von „einem Land, einem Volk, einer Wahrheit“ spricht. Und weiter: „Wir werden alles tun für die Sache. Wir werden alles tun für den Sieg“, sagt er, die Gäste applaudieren. Was dieses „alles“ aber ist, erläutert er nicht. Die Menschen, spätestens seit Ausrufung der Mobilisierung in Alarmbereitschaft, würden durchaus gern wissen, wie dieser Krieg weitergehen und wie er beendet werden soll.
Konkretes aber liefert Putin nicht. Der Krieg ist für ihn Mittel, um sein Land umzubauen. Wirtschaftlich, politisch, auch moralisch. Es soll eine Art „neuer Russe“ entstehen: einer, der für den Kampf fürs Vaterland „alles gibt“ und dabei nichts in Frage stellt. „Wir sind uns in unserer Stärke sicher“, ruft Wladimir Putin noch. Hymne. Standing Ovations. Der Krieg kann weitergehen.
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