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Prüfung des AfD-VerbotsverfahrensVerbot ist Gebot

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Die AfD würde die Demokratie zu ersticken und ihre Institutionen zu schleifen, wäre sie an der Macht. Daher ist es angebracht, ihr Verbot zu prüfen.

Unterstützer von Björn Höcke in Erfurt, 1.9.2024 Foto: Wolfgang Rattay/reuters

D as Bundesverfassungsgericht war beim letzten Verbotsverfahren 2017 in seinem Urteil recht deutlich: Die NPD war zwar klar verfassungsfeindlich, sei aber zu irrelevant, um sie zu verbieten. Sie habe keine Chance, ihren Willen durchzusetzen.

Bei der AfD ist das anders: Sie kann seit den Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen mit einer Sperrminorität Verfassungsänderungen, Richterbesetzungen und die Auflösung des Parlaments blockieren. Sie vergiftet auf dem Rücken von Minderheiten Diskurse, stellt bereits erste Bürgermeister sowie einen Landrat. Und sie hat mit Blockaden bei der Konstituierung des Thüringer Landtags erneut gezeigt, dass sie jeglichen Spielraum nutzen wird, um das Land unregierbar zu machen.

Die Argumente, dass ein Verbotsantrag politisch schwierig ist, wenn die AfD stark ist, weil es ihren Opfermythos nährt oder Politik und Zivilgesellschaft sich so ihrer Verantwortung entziehen, stimmen für sich genommen teils. Sie blenden aber das Wichtigste aus: Das Verbot einer verfassungswidrigen Partei ist keine politische Frage, die nach Augenmaß und politischem Kalkül entschieden werden sollte. Sondern ein grundsätzlicher Schutzmechanismus unserer Verfassung als eine direkte Lehre aus der faschistischen NS-Diktatur.

Dieser Schutzmechanismus steht nicht umsonst im Grundgesetz, er ist ein Gebot. Die Würde des Menschen ist unantastbar, Menschenrechte gelten universell, die Bundesrepublik ist ein Rechtsstaat. Demontiert eine Partei systematisch die Eckpfeiler der Demokratie, ist sie zu verbieten, insofern sie die Chance hat, ihren Willen durchzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Aufgabe, zu prüfen, ob das bei der AfD der Fall ist. Punkt.

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Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass nach einer Machtübernahme vieles zu spät sein kann: Ungarn ist eine auf Orbán zugeschnittene autoritär-illiberale Demokratie geworden, in Polen zeigt sich gerade, wie komplex es ist, zerstörte demokratische Mechanismen wieder zu reparieren. Auch der deutsche Rechtsstaat ist nicht immun gegen den autoritären Umbau. Die AfD würde an der Macht schrittweise dafür sorgen, die Demokratie zu ersticken und ihre Institutionen zu schleifen. Zudem ist der Rechtsstaat in der Verantwortung, all jene zu schützen, die nicht in das Weltbild der AfD passen und die schon heute unter steigender rechter Gewalt leiden.

Den nun veröffentlichten Verbotsantrag hat sich die autoritär-nationalradikale Partei im Übrigen selbst zuzuschreiben: Sie hat sich fortschreitend radikalisiert. Völkisch-rassistisches Denken ist heute das zentrale Element. Sie verzichtet zwar im Programm auf allzu klare Formulierungen, ist aber in den Äußerungen ihrer Po­li­ti­ke­r*in­nen nicht viel weniger extrem als die NPD.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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1 Kommentar

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  • Bitte den ersten Satz korrigieren: "Die AfD würde die Demokratie zu ersticken und ihre Institutionen zu schleifen *versuchen*(?), wäre sie an der Macht."