Propaganda im russischen Fernsehen: Reden über Raketen auf Berlin
Im russischen Staatsfernsehen werden zunehmend atomare Angriffe auf den Westen simuliert. Und das zur besten Sendezeit.
In seiner Wochenschau drohte etwa der Fernsehmoderator Dmitri Kiseljow am Sonntag zur besten Fernsehzeit Großbritannien mit der atomaren Zerstörung. Das Land sei so klein, so Kiseljow, dass schon eine Sarmat-Rakete ausreiche, um es ein für alle Mal zu versenken. Aber es müsse nicht unbedingt eine Sarmat-Rakete sein, so der Propagandist, die Roboterdrohne Poseidon leiste auch keine schlechte Arbeit und könne „Großbritannien in die Tiefen des Meeres stürzen“.
Diese Unterwasserdrohne mit einer Sprengkraft von 100 Megatonnen könnte vor der britischen Küste eine gigantische Welle von bis zu 500 Metern Höhe auslösen und gleichzeitig extreme Radioaktivität ausbreiten. Und dann würde nur noch eine radioaktive Wüste von Großbritannien übrigbleiben, so Kiseljow. Offensichtlich wollte er mit Margarita Simonjan, der Chefin von Russia Today und seit 20 Jahren eine der Vertrauten von Putin, wetteifern.
Die erklärte in einer Sendung von Wladimir Solowjow, ein Atomkrieg sei wahrscheinlicher als eine russische Niederlage in der Ukraine. „Entweder wir verlieren in der Ukraine oder der dritte Weltkrieg beginnt. Wie ich uns kenne, wie ich unseren Anführer Putin kenne, halte ich einen dritten Weltkrieg für realistischer“, zitiert das ukrainische Portal strana.news Margarita Simonjan.
Schon wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, hatte Wladimir Putin die russischen Atomstreitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Dabei verdeutlichte er, wann sich Russland einen Einsatz von Atomwaffen vorstellen könne. Russland werde nicht nur Atomwaffen als Antwort auf einen atomaren Angriff durch ein anderes Land einsetzen. Ein Atomwaffeneinsatz sei auch möglich, „wenn die Durchführung militärischer Operationen unter Einsatz konventioneller Waffen eine Bedrohung für die Existenz unseres Staates darstellt“, zitiert das russische Portal svpressa.ru Wladimir Putin.
„Zügellose westliche Führer“
Auch in der Gesellschaft gibt es Rufe nach einem Einsatz von Atomwaffen. Das russische Portal panorama.pub berichtete Anfang März über eine Aktion der patriotischen Organisation „Putins Einheiten“, die einen Atomschlag gegen die Hauptstädte Deutschlands, der Niederlande und Großbritanniens gefordert hatte.
Zügellose westliche Führer, so der Aufruf, hätten eine gangsterfaschistische Kampagne gegen Russland gestartet, Sanktionen verhängt und wollten Russland in die Knie zwingen. „Wie lange wollen wir das noch hinnehmen? Wir fordern die sofortige Entsendung unserer strategischen Bomber, um Berlin, Amsterdam und London in radioaktive Asche zu verwandeln“, zitiert das Portal Jefim Klimow, Sprecher von Putins Einheiten.
In Reaktion auf westliche Sanktionen verabschiedete der russische Präsident Wladimir Putin am Dienstag ein Dekret für wirtschaftliche Vergeltungssanktionen gegen den Westen. Dies verbietet die Ausfuhr von Produkten und Rohstoffen an Personen und Organisationen an bestimmte Organisationen, Länder und Personen. Welche das sind, ist noch nicht bekannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Frauenfeindlichkeit
Vor dem Familiengericht sind nicht alle gleich