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Problematische LeihmutterschaftDer Wille zum Kind

Kommentar von Chantalle El Helou

Leihmutterschaften sind in Italien bereits verboten, nun hat die Regierung das Gesetz verschärft. Warum das ein Vorbild auch für Deutschland ist.

Leihmutterschaft im Ausland ist ein boomender Geschäftszweig Foto: imago

I n Italien wurde das Verbot von Leihmutterschaft ausgeweitet. Fortan ist es nun nicht nur im Inland verboten, eine Leihmutter in Anspruch zu nehmen, sondern auch im Ausland. Das könnte auch ein Modell für Deutschland sein.

Verboten ist hierzulande das vertraglich vereinbarte Austragen von Kindern für Dritte. Damit einher geht das Verbot ärztlicher Leistungen, eine durch In-vitro-Fertilisation befruchtete Eizelle in die Gebärmutter einer anderen Frau zu implantieren, die Eizellenspende, sowie die Vermittlung einer Leihmutter. Nicht strafbar machen sich hingegen die „Wunscheltern“; und es ist bereits Praxis, Leihmutterschaft im Ausland, in den USA oder der Ukraine in Anspruch zu nehmen.

Durch diese Möglichkeit ist Leihmutterschaft im Ausland ein boomender Geschäftszweig. Ein Unternehmen etwa verlangt für seine „Servicepakete 60.000 Euro. Inbegriffen ist die Garantie für ein genetisch gesundes Baby, das Wunschgeschlecht sowie die gewünschteVolkszugehörigkeit“. Diese Garantien zu geben heißt für die Leihmutter den Verlust der Rechte am Kind. Was, wie und wann passiert, entscheidet das Unternehmen.

Bei einer Eizellspende bedeutet das eine intensive Hormonbehandlung bei Spenderin und Empfängerin und ist keinesfalls eine Nebensache, wie das die begriffliche Nähe zur „Samenspende“ impliziert.

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Kinderlosigkeit als nicht zu akzeptierender Zustand?

Die „Wunscheltern“ nutzen die prekäre Situation von Frauen aus. Eine strafrechtliche Verfolgung wäre nur konsequent und würde der Kommodifizierung von Geburten in anderen Länder die Kunden entziehen. Aber auch wenn Frauen aus nichtökonomischen Gründen ein Kind austragen, ist ein Konzept wie die altruistische Leihmutterschaft zurückzuweisen.

Erstens: Der Bezeichnung von Leihmutterschaft als altruistisch geht die Prämisse voraus, dass Kinderlosigkeit ein nicht zu akzeptierender Zustand ist, der vorrangig durch die „selbstlose“ Opfergabe anderer Frauen zu überwinden sei. Doch ökonomisch begründete Leihmutterschaft wird so legitimiert. Schließlich sind hier die Gründe aufseiten der „Wunscheltern“ dieselben: Ein Kind muss her.

Die bloße Möglichkeit, legal eine Leihmutter in Anspruch zu nehmen, weitet das Feld durchsetzbarer Anspruchshaltungen gegen andere Menschen aus

Anstatt also zu diskutieren, wie man die Grenzen der eigenen Möglichkeit durch die Potenz der Körper Dritter überwinden könnte, sollte die Fixierung auf die Idee, eigene Kinder seien notwendiger Bestandteil des Lebens, analysiert und kritisiert werden.

Zweitens: Die bloße Möglichkeit, legal, staatlich gebilligt, eine Leihmutter in Anspruch zu nehmen – ob altruistisch oder nicht –, weitet das Feld durchsetzbarer Anspruchshaltungen gegen andere Menschen aus. Während man vor den heutigen medizinischen Möglichkeiten einen anderen Umgang mit Kinderlosigkeit finden musste, produziert die Legalität aktiv die Haltung, den anderen Menschen als Mittel zum eigenen Zweck zu gebrauchen. Entgegen der Behauptung, Leihmutterschaft vermittle einfach zwischen bereits bestehenden Interessen, produziert die Möglichkeit zur Leihmutterschaft auch aktiv Leihmütter, weil die Unternehmen die infrastrukturellen, technischen und medizinischen Bedingungen einer Leihmutterschaft nicht nur bereit­stellen, sondern aktiv fördern und fordern.

Instrumentelles Verhältnis zum Leben

Die Merkmale der kapitalistisch Gesellschaft sind Eigenverantwortung in fremdbestimmten Verhältnissen und isolierte Handlungsfähigkeit bei gleichzeitiger Abhängigkeit vom Verkauf der eigenen Arbeitskraft. Das heißt, um zu Überleben zum Narzissten zu werden, bei stetiger narzisstischer Kränkung durch die tatsächliche Ohnmacht. Zwangsläufig entwickelt sich ein instrumentelles Verhältnis zum Leben und Körper eines anderen wie auch zum eigenen. Vom nur instrumentellen Verhältnis zum Leben eines anderen Menschen zeugt auch der unbedingte Kinderwunsch und der Wille, diesen gegen alle Widerstände und über den Körper eines anderen Menschen durchzusetzen.

Dieser Wunsch mag in der Organisation unserer Gesellschaft angelegt sein, es macht jedoch einen faktischen Unterschied im Leben von Frauen, wieweit sich die Möglichkeit ihrer potenziellen Ausbeutung staatlich legitimiert vervielfältigt, wie viele Bereiche des Lebens von Ausbeutung erfasst werden können. Nicht mehr nur die Arbeitskraft, sondern die Stofflichkeit des Körpers selbst – und das neue Leben, das ein weiblicher Körper hervorbringt – stehen potenziell zum Verkauf.

So ist die Antwort sowohl an homosexuell als auch heterosexuell unfreiwillig Kinderlose: Es gibt kein Recht auf ein Kind und keins auf die Benutzung des Körpers eines anderen Menschen. Ja, die Möglichkeiten des eigenen Körpers sind begrenzt. Es kann aber ein dieser Einsicht entsprechender Umgang gefunden werden: Get over it.

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