Pro und Contra Letzte Generation: Ist die Letzte Generation gescheitert?
Neu ausrichten und umbenennen – das ist das Projekt 2025 der Letzten Generation. War die Gruppierung also erfolglos? Ein Pro und Kontra.
Ja
Der Abschied der Letzten Generation von ihrem Namen und ihren bisherigen Aktionsformen ist kein Grund zur Schadenfreude. Das Anliegen der Klimaaktivist*innen bleibt ja richtig, wird noch wichtiger und es bleibt zu hoffen, dass ihre Sprecherin Carla Hinrichs recht behält: „Wenn wir erfolgreich sind, wird alles, was wir gemacht haben, sicher irgendwann als friedliche Revolution bezeichnet werden.“ Aber es hilft nichts, die Lage schönzureden. Für das Klima und seine aktiven Schützer*innen sind die Aussichten heute noch schlechter als vor Beginn der Protestaktionen.
Als die Letzte Generation mit ihren Straßenblockaden und Flugfeldbesetzungen begann, war ihr erklärtes Ziel, die Gesellschaft wachzurütteln und die Regierung zu wirksamen Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen. Das hat sie nicht nur nicht geschafft. Es ist noch schlimmer: Gesellschaft und Politik haben sich zwar bewegt, aber leider in die falsche Richtung. Das Engagement für Klimaschutz hat nachgelassen.
Schuld daran ist natürlich nicht die Letzte Generation. Das zu behaupten wäre absurd, so wie ihre Kriminalisierung heillos übertrieben war. Schuld sind die Bequemlichkeit der Massen, die Macht der fossilen Lobby und das Versagen der Politik. Kriege und Krisen kamen erschwerend hinzu, weil sie vom Klima abgelenkt haben. Aber zur Ehrlichkeit gehört, dass die Letzte Generation nicht nur an den bösen Gegenkräften gescheitert ist, sondern auch mit ihrem Konzept. Es ging nach hinten los.
Statt neue Sympathien für die Klimabewegung zu wecken, haben die Störaktionen zu neuen Abwehrreflexen geführt. Statt den Fokus auf mächtige Verantwortliche zu lenken, verärgerten sie vor allem Autofahrer*innen, die sich pauschal und moralisch angegriffen fühlten, obwohl viele nur so zur Arbeit kommen können, weil auf ihrem Arbeitsweg kein Bus fährt. Noch sinnloser waren die Anschläge auf unschuldige Kunstwerke in Museen, die auch bei Gutwilligsten auf Unverständnis stießen. Aufmerksamkeit ist kein Wert für sich. Motivieren wäre besser als sabotieren. In einer Demokratie muss man die Mehrheit überzeugen. Die teilweise aggressiven Aktionen der Letzten Generation und der dystopische Name haben das Gegenteil bewirkt. Gut, dass jetzt hoffentlich etwas Neues beginnt. Lukas Wallraff
Nein
Die Letzte Generation ist nicht gescheitert. Im Gegenteil. Sie ist die erfolgreichste, weil prägendste Klimaschutzbewegung der letzten Jahre.
Die Letzte Generation hat genervt und polarisiert. Sie hat das Thema hochgehalten, als der äußerst sympathisch-jugendlichen Latschbewegung Fridays for Future die Luft ausgegangen ist. Sie hat demonstriert, dass politischer Protest häufig mehr bieten muss als höfliche Bitten um Wandel. Dass es Leidenschaft braucht, körperlichen Einsatz bis zur Selbstaufgabe, der gerade weil er von einer Mehrheit nicht verstanden werden will, allein durch die Propaganda der Tat verdeutlicht, dass es hier ums Eingemachte geht.
Selbstverständlich hat die Letzte Generation nicht den Klimawandel gestoppt; und das pure Querstellen als Aktionsform ist inzwischen offensichtlich längst ausgelutscht. Aber wer die Latte an politische Bewegungen so hoch legt, dass sie erst nach der Revolution als erfolgreich bezeichnet werden können, kann gleich einpacken.
Politische Bewegungen wirken immer auf gleich mehreren Ebenen. Eine der wichtigsten, die häufig übersehen wird, ist die nach innen. Die Prägung der Aktivist:innen selbst, aus denen eine Kraft erwachsen kann, die jahrzehntelang nachwirkt. Die ist wichtig für die unweigerlich weiter anstehenden Kämpfe.
Meist ist es der größtmögliche Erfolg, wenn es einer Bewegung gelingt, Missstände sichtbar zu machen. Und darin waren die Straßenblockierer:innen meisterlich. Sie haben aufgezeigt, dass es neben dem Klimawandel ein viel größeres Problem gibt: die Verweigerungshaltung der bundesrepublikanischen Mehrheit, über notwendig fundamentale Änderungen überhaupt nur nachzudenken.
Das kann nicht einmal die Aktivist:innen erfreuen. Aber es präzisiert die Aufgabe für alle Klimaproteste, die noch kommen werden – unter welchem Label und in welcher Aktionsform auch immer.
Wer das nicht sehen möchte, weil Bewegung so unbequem ist, kann gern auf dem Sofa sitzen bleiben und den Weltuntergang live im TV verfolgen. Der kleine Rest der anderen wird ein paar Apfelbäumchen pflanzen. Mitten auf einer Autobahn wäre ein angemessener Platz dafür. Gereon Asmuth
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