Präsidentschaftswahl in Frankreich: Nährboden für rechte Ideologien
Die Erleichterung über den Wahlsieg von Frankreichs Präsident Macron ist groß. Doch seine Politik hat die rechtsextreme Marine Le Pen groß gemacht.
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M an kann aufatmen in Europa: Die rechtsextreme Marine Le Pen hat in Frankreich die Stichwahl verloren. Präsident bleibt Emmanuel Macron. Damit wurde zwar das Schlimmste für die kommenden fünf Jahre verhindert. Dennoch: Nichts ist in Ordnung in Frankreich. Eine Rechtsextreme war so dicht an der Macht, dass man zittern musste. Wie konnte es so weit kommen?
Oft wird darauf hingewiesen, wie Le Pen daran gearbeitet hat, ein moderates Image zu verbreiten. Bei genauem Hinsehen zeigt sich: Viel brauchte sie nicht zu tun. In kaum einer Talkshow vor den Wahlen – auch nicht im TV-Duell kurz vor der Stichwahl – wurde die Kandidatin mit ihrem Rechtsextremismus konfrontiert. Kaum eine Frage zum migrationsfeindlichen Programm, kein ungemütliches Gespräch.
Da fällt es leicht, moderat zu wirken. Es ist ein katastrophales Versagen der Medien. Dann war da noch der grobschlächtige Rechtsextremist Eric Zemmour, der bis Herbst 2021 jeden Abend zur besten Sendezeit im Privatfernsehen die krudesten Ideen verbreiten durfte – von Rassenlehre bis hin zu Holocaustverharmlosung. Es war nicht schwer, neben diesem zügellosen Rassisten geradezu harmlos zu wirken. Eine ganze Reihe Intellektuelle und Schriftsteller haben das Ihre beigetragen, indem sie die Theorie des „großen Austauschs“ normalisiert und weiterverbreitet haben.
Und Macron? Auch er ist in seinem kurzsichtigen Streben nach Macht Teil ebendieser Verantwortungslosigkeit. Er hat autoritäre Gesetze geschaffen, die eine nie gesehene Überwachung erlauben und die Pressefreiheit einschränken; er plant weiterhin, die Rundfunkgebühren für Öffentlich-Rechtliche abzuschaffen. Und das, wo etliche Medien ohnehin schon in Händen von teilweise rechten Milliardären liegen. Sollte Macron später einmal eine rechtsextreme Nachfolgerin haben – und das ist nicht auszuschließen –, hätte er ihr den Weg zum Durchregieren bereitet.
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Linker Strohhalm Parlamentswahlen
Auch sonst ist seine Politik ein Nährboden für rechte Ideologie. Er privatisiert, kürzt Sozialhilfen, macht das Bildungswesen unzugänglich, bevorteilt die Reichen und lässt mit unverhältnismäßiger Polizeigewalt gegen viele vorgehen, die sich widersetzen. Damit ist es Le Pen ein Leichtes, das Narrativ über ein zu bekämpfendes Establishment zu fahren. So überspielt sie geschickt, dass sie selbst in Wirklichkeit zu diesem Establishment gehört.
Nun mag man hoffen, dass die gesellschaftliche Linke in dieser desolaten Lage noch irgendeinen Hebel in die Hände bekommt. Im Juni sind Parlamentswahlen, das ist ein Strohhalm. Auch in den anstehenden sozialen Kämpfen gegen Macron, um die Rente oder Uni-Gebühren, kann der Diskurs noch mitgestaltet werden. Trotzdem: Es brennt. Jubel über das vermeintlich gerettete Europa ist fehl am Platz.
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