Rassismus in Frankreichs Parlament: Rechte versuchen sich herauszureden

Wegen eines rassistischen Zwischenrufs wurde die Sitzung der Nationalversammlung unterbrochen. Aber Marine Le Pen spricht von einem „Missverständnis“.

Blick in die französische Nationalversammlung

Der Abgeordnete Gregoire de Fournas in der französischen Nationalversammlung (Archivbild vom 20.07.2022) Foto: Jacques Witt/SIPA PRESS/action press

PARIS taz | Carlos Martens Bilongo, ein Abgeordneter der linken Partei „La France insoumise“ (LFI) stellte der Regierung gerade eine Frage zur Rettung von Geflüchteten im Mittelmeer, als aus den Reihen der rechten Rassemblement National (RN) ein lauter Zwischenruf kam: „Retourne en Afrique!“ Die Mehrheit hörte deutlich die Worte während der wöchentlichen Fragestunde am Donnerstagnachmittag und verstand sofort, dass damit der schwarze Redner der LFI in krass rassistischer Weise beleidigt und aufgefordert wurde, „nach Afrika zurückzukehren“.

Auch die Ratspräsidentin der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet, hatte das so mitbekommen, sie unterbrach kurzerhand die Sitzung. Im ausbrechenden Proteststurm war es zunächst nicht möglich zu erfahren, wer genau diesen Zwischenruf gebrüllt hatte. Ihre Aufforderung an den Zwischenrufer, sich zu melden, blieb ohne Antwort.

Aber dank der Kameras wurde dieser rasch identifiziert. Es handelte sich um den RN-Abgeordneten Grégoire de Fournas. Geschlossen forderten die linke Opposition und auch die Fraktion der Regierungspartei Renaissance (früher En Marche) gegen ihn sofortige Sanktionen.

Die Fraktion des RN (früher Front National) stellte sich hinter de Fournas und sprach von einem „Missverständnis“, das sie versuchte, schnell aufzuklären: Carlos Martens Bilongo habe die Regierung aufgefordert, zugunsten der auf dem Meer blockierten Geflüchteten auf dem Rettungsschiff Ocean Viking zu intervenieren. Darauf habe De Fournas reagiert und die Geflüchteten angesprochen mit: „Qu'ils retournent en Afrique!“ („Die sollen nach Afrika zurück!“).

Auf die Hautfarbe reduziert

De Fournas habe also nicht den Abgeordneten mit der Aufforderung gemeint, schoss die RN-Fraktion. Allerdings klang die Behauptung nicht sehr glaubhaft und wäre politisch oder moralisch kaum besser. Auch die anwesende Premierministerin Elisabeth Borne protestierte: „Für Rassismus ist kein Platz im Parlament!“

Carlos Martens Bilongo hatte inzwischen den Saal verlassen und gab vor den Medien eine Erklärung ab. Der in Frankreich geborene Mittelschullehrer sagte: „Ich hätte nicht erwartet, eines Tages solche Worte in der Nationalversammlung zu hören.“

Er bezeichnete es sichtlich schockiert als „Schande“, in ordinär rassistischer Weise auf „die Hautfarbe reduziert zu werden“. In einer Medienmitteilung fügte er an: „Wenn es angeht, dass ein Abgeordneter ohne Komplex einem anderen Abgeordneten wegen seiner Hautfarbe ins Gesicht spucken kann, und dies mitten in einer Ratssitzung, was würde sich dieser erlauben, falls seine Partei an die Macht kommen sollte?“

De Fournas blieb dabei, dass seine „Bemerkung“, die eine „politische Ansicht“ sei, von den linken Gegnern für eine „Manipulation“ und eine „Polemik“ deformiert und missbraucht werde. Seine Par­tei­kol­le­g*in­nen stellten sich hinter ihn. Seine Partei-Vorsitzende Marine Le Pen meinte: „Die von unseren Feinden geschaffene Polemik ist allzu krass, um die Franzosen zu täuschen.“

Ein reines Gewissen hat der RN-Abgeordnete de Fournas aber nicht. Wie diverse Medien entdeckten, hat er in aller Eile einige offenbar kompromittierende Publikationen und Kommentare auf Twitter gelöscht, die seine rassistische Haltung offenbaren. Beim attackierten LFI-Ratskollegen Martens Bilongo habe er sich per E-Mail für das „Missverständnis“ entschuldigt.

Für die linke Opposition hat der Zwischenfall das „wahre (rassistische) Gesicht der extremen Rechten“ enthüllt. Wie die Regierungspartei Renaissance auch fordert sie den Rücktritt von de Fournas.

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