Porno im Netz und Jugendschutz: Cock-Block für Pornhub

Die Landesmedienanstalt NRW will Jugendschutz im Internet konsequenter durchsetzen. Und zur Not Pornowebseiten sperren.

Ein Jugendlicher schaut auf sein Smartphone, das Gesicht ist unscharf und vom Display erleuchtet

Theoretisch gelten für alle Medien dieselben Jugendschutzgesetze Foto: Stefan Arend/epd/imago-images

Berlin taz | Ausweiskontrolle vor dem Masturbieren? Das könnte eine Möglichkeit sein, mit der Betreiber:innen von Pornoseiten ihre Plattformen vor dem Zugriff durch Minderjährige schützen. Denn geht es nach Tobias Schmid, dem Leiter der Landesmedienanstalt (LMA) Nordrhein-Westfalen, soll Minderjährigen der Zugang zu pornographischen Inhalten im Internet in Zukunft effektiv verwehrt bleiben.

Theoretisch gelten für alle Medien dieselben Jugendschutzgesetze, egal ob Rundfunk, Print oder das Internet. Doch in der Praxis sieht das anders aus und genau das will der Medienwächter ändern: „Bei Fernsehsendern kontrollieren wir sozusagen jede Ausspielung darauf, dass die Musik nicht zu gruselig ist, gleichzeitig kann aber jeder Zwölfjährige jederzeit von Kikaninchen auf Pornhub wechseln.“

Private Fernsehsender in die Verantwortung zu nehmen, ist für die Aufsichtsbehörden der Länder leicht. Die Sender richten sich eindeutig an ein deutsches Publikum, sind in der Regel nur in Deutschland empfangbar und sitzen meistens auch noch im Land. Sie fallen also eindeutig in den Aufgabenbereich der Medienanstalten und können sich Strafverfolgung im Zweifel nur schwer entziehen.

Bei Videoplattformen wie Youtube, Vimeo, aber auch Pornhub und Youporn sieht das anders aus. Viele dieser Webseiten sind zwar in deutscher Sprache verfügbar und richten sich damit erkennbar an ein deutsches Publikum, der Firmensitz liegt aber meist im Ausland und damit außerhalb der Reichweite deutscher Behörden.

Zugangskontrolle, sonst Sperrung

Schmid sieht dennoch eine Chance, deutsches Recht durchzusetzen. Auf Anfrage der taz sagt der LMA-Chef, seine Behörde gehe zur Zeit gegen Pornhub und drei weitere der reichweitenstärksten Plattformen für pornographische Inhalte vor – um Sie zu zwingen, ihren Content für Minderjährige unzugänglich zu machen. Andernfalls droht die Aufsichtsbehörde mit Sperrung der Seiten in Deutschland. Geplant sei das schon seit ungefähr einem dreiviertel Jahr.

Solche Schritte gegen Plattformen im europäischen Ausland einzuleiten ist kompliziert, aber möglich. In Absprache mit den zypriotischen Kolleg:innen leitete die Landesmedienanstalt bereits Ende des vergangenen Jahres ein Verfahren gegen Pornhub und drei andere Plattformen mit Sitz in Zypern ein.

Eine der Plattformen – welche, das will Schmid aufgrund des laufenden Verfahrens nicht sagen – wurde offenbar durch die Kommission für Jugendmedienschutz vergangene Woche als jugendgefährdend eingestuft. Pornhub und die zwei übrigen Plattformen dürften von der Jugendschutzstelle in den kommenden Wochen ebenfalls dazu aufgefordert werden, den Jugendschutz effektiv durchzusetzen, oder ihre Plattform abzuschalten.

Falls die Plattformen dieser Aufforderung nicht nachkommen, und auch der Host, also der Serverbetreiber die Seiten nicht für deutsche Kunden unzugänglich machen will, kündigt Tobias Schmid an, sich direkt an Internetanbieter wie Telekom oder Vodafone zu wenden, um eine Sperrung durchzusetzen. Ein drastischer Schritt für die Durchsetzung von Jugendschutzgesetzen. In der Regel wehren sich Internetanbieter massiv gegen solche Zensurvorhaben. Bisher gelang eine solche Sperrung einer ganzen Plattform nur in wenigen Fällen. Zum Beispiel bei der Streamingplattform Kinox.to oder Boerse.to, einem Forum, auf dem Mitglieder illegal beschaffte Software tauschen konnten.

Ausweis, Post-Ident, Schufa?

Um das zu verhindern, müssen Webseiten sicherstellen, dass kein:e Minderjährige:r Zugriff auf die Inhalte hat. Ein einfaches Klicken auf „Ich bin 18!“ reicht als Altersverifikation in Deutschland schon jetzt nicht aus. Die Überprüfung der Volljährigkeit der User:innen muss „über persönlichen oder vorgelagerten Kontakt erfolgen“, heißt es auf der Webseite der Kommission für Jugendmedienschutz.

Das könnte bedeuten: Ausweiskontrolle. Damit man nicht bei jedem Pornhub-Besuch seinen Ausweis in die Kamera halten muss, gibt es Drittanbieter, die eine solche Verifizierung durchführen können. Beispielsweise die Schufa. Liegen bei der Schufa Personaldaten, die beispielsweise bei einer Kontoeröffnung gemacht wurden, ist klar: Die Person ist volljährig und musste bei der Kontoeröffnung ihren Ausweis vorzeigen. Liegen solche Daten nicht vor, bleiben Lösungen wie das Post-Ident-Verfahren der Deutschen Post, bei dem ein:e Mitarbeiter:in der deutschen Post persönlich den Ausweis des Kunden oder der Kundin kontrolliert und dem Verifikationsanbieter bestätigt, dass die Person volljährig ist.

Gleichzeitig muss ein solches Verfahren gewährleisten, dass der Zugang nicht an andere Personen weitergegeben werden kann. Entweder durch eine Hardwarelösung, etwa einen personalisierten USB-Stick oder dem Anmelden des Endgeräts oder indem die Altersverifikation mit einem Zahlungsmittel verknüpft wird, um die Weitergabe der Zugangsdaten mit einem Risiko zu verbinden.

Sollten derartige Altersverifikationen tatsächlich kommen, dann wären VPN-Clients ein möglicher Weg, sie zu umgehen. Damit kann man einer Website vorgaukeln, man greife aus einem Land mit weniger strengen Jugendschutzgesetzen auf den Service zu.

Nur deutsche Pornos sind ein Problem

Aber auch für die Betreiber:innen könnte es ein Schlupfloch geben. Wenn eine Seite nicht mehr in deutscher Übersetzung existiert und nicht mehr über eine „.de“-Adresse erreichbar ist, dann ist sie nicht mehr auf den deutschen Markt ausgerichtet. Damit wird sie für die Landesmedienanstalten uninteressant.

Trotzdem könnte die stringente Durchsetzung des Jugendschutzes im Internet weitreichende Folgen haben. Denn die vier Unternehmen, gegen die Landesmedienanstalt NRW derzeit vorgeht, sind möglicherweise erst der Anfang.

Es sieht so aus, als erprobe die Behörde gerade das Regulierungsverfahren, um es danach möglicherweise auf noch mehr Unternehmen anzuwenden. Schmid gibt sich entschlossen. „Ob ein Unternehmen groß oder klein ist, in Irland oder Deutschland sitzt, ist mir egal“, sagt er. „Solange meine Schutzbefohlenen betroffen sind, werden wir tätig. Und wenn es da etwas bei Twitter gibt, dann werden wir auch das in den Griff kriegen. Das kann ein, zwei Tage dauern, aber das machen wir schon.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.