Politischer Aschermittwoch: Das Grüne vom Himmel
CSU-Chef Söder gibt sich dem Klimaschutz aufgeschlossen gegenüber. Sein konkretes Tun hat mit den Versprechungen wenig zu tun.

I nszenierung kann sie, die CSU. Markus Söder sitzt beim ins Digitale verlegten Politischen Aschermittwoch in einer Art Wohnzimmer. Auf einer Eichenbank, vor ihm ein Tisch mit weiß-blauer Decke, Bierkrug und deftiger Brotzeit. An der Wand hinter ihm hängt ein Bild von Passau, darauf ziehen Wolken über die Stadt, ab und zu läuft ein Typ mit einem Schild durchs Bild: „Markus, wir brauchen Dich!“ Heimatverbunden, aber auch selbstironisch, Söder will die Lederhosen- und die Hipster-Fraktion.
Interessanter als die gekonnte Performance aber ist das, was Söder sagt. Seine Rede ist der Prototyp des modernen Konservatismus, mit dem die Union sehr wahrscheinlich in den Bundestagswahlkampf ziehen wird. Habituell aufgeschlossen, grün angestrichen und leider zu viel weniger Veränderung bereit, als eigentlich nötig wäre. Söder hat früh verstanden, dass die Union mit dem falschen Kurs in der Mitte mehr verliert, als sie ganz rechts gewinnen kann.
Seit der Landtagswahl in Bayern tätschelt er Bäume und wirbt für Klimaschutz. Als er neulich in der Zeit über sinkende Grundwasserpegel und das Wassernotstandsland Deutschland nachdachte, klang er fast wie Robert Habeck. Söder will – wie Merkel – in der modernen Mitte bleiben. Beim Aschermittwoch, einem Hau-drauf-Termin, klingt er so staatstragend, als sei er schon Kanzlerkandidat. Ein zentraler Satz seiner Rede lautet: „Merkel-Stimmen gibt es nur mit Merkel-Politik.“
Ein Merkmal ihrer Ära war, dass die Union jedes Thema aufgesogen hat, das ihr mehrheitsfähig schien. Söder agiert ähnlich wendig, er will grüner als die Grünen sein – Merz-Fans würden es opportunistisch nennen. Aber zwischen dem selbst erklärten Anspruch und dem realen Handeln klafft ein Abgrund so tief wie ein Alpental. Söder kämpfte in der Coronakrise mit der Autoindustrie für eine Kaufprämie für dicke Verbrenner.
Seine Partei verantwortet mit dem Verkehrs- und dem Innen- und Bauministerium jene Häuser, die beim Klimaschutz verlässlich versagen. Andreas Scheuer, der Dead Man Walking der Regierung, versenkte Hunderte Millionen Euro im Maut-Desaster, ohne sein wichtiges Ressort ökologisch auszurichten. Wie unernst CDU und CSU beim Klimaschutz vorgehen, ließ sich beim herbeifantasierten Einfamilienhaus-Skandal beobachten.
Statt ernsthaft über Zersiedelung zu sprechen, unterstellen Söder und Co den Grünen Verbots- und Enteignungspläne, wissend, dass sich dafür kein Beleg finden. Dieser Verbotspartei-Quatsch (Häuser, Schnitzel, Autos, es ist immer dasselbe) immunisiert die Gesellschaft gegen nötige Debatten. Er suggeriert den Menschen, alles könne so bleiben, wie es ist – und verunmöglicht die inhaltliche Diskussion. Denn auch die Grünen wagen es nicht mehr, klimaschädlichen Konsum infrage zu stellen.
Für den Wahlkampf sind das unschöne Aussichten. Wenn eine Union ohne ernsthaftes Interesse an konkreten Lösungen auf überängstliche Grüne trifft, kommt am Ende vieles heraus. Aber ganz sicher keine Politik, die sich am Pariser 1,5-Grad-Ziel orientiert.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen