Polen fordert Reparation: Von Moskau abgezockt

Der richtige Adressat für Polens Reparationsforderungen wäre Russland gewesen. Doch Deutschland muss für den Wahlkampf der PiS herhalten.

Veteranen in Warschau

Gedenktag zum 83. Jahrestag des Angriffs Nazi-Deutschland am 01. September in Warschau Foto: NurPhoto/imago

„Weltkriegsreparationen“ sind fest in der Feindpropaganda der Nationalpopulisten in Polen verankert. Doch bislang folgten den lautstarken Forderungen nach immer höheren Summen, die die Deutschen angeblich für die Besatzungsszeit in Polen zwischen 1939 und 1945 zu zahlen hätten, keinerlei offizielle Verhandlungen. Polens Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) schickte niemals auch nur eine einzige Rechnung nach Berlin.

Zum einen gilt die Reparationsfrage seit 1953 als rechtlich abgeschlossen. Damals verzichtete die Volksrepublik Polen offiziell auf weitere Reparationsleistungen. Zudem ist der eigentliche Adressat für Reparations-Nachforderungen als Schuldausgleich zwischen Staaten nach einem Krieg Russland als Nachfolgerstaat der Sowjetunion, die die Reparationen aus Deutschland an Polen ausliefern sollte und das nicht in ausreichender Form getan hat.

Natürlich erwähnen die PiS-Funktionäre das nie in ihren antideutschen Hetz- und Wahlkampagnen. Vielmehr werden Parteichef Jaroslaw Kaczynski und PiS-Premier Mateusz Morawiecki nicht müde zu behaupten, dass Polen – anders als alle anderen Kriegsopferstaaten – niemals Reparationen aus Deutschland bekommen hätten. Das ist zwar falsch, verfängt aber trotzdem bei vielen Pol:innen, da das Staatsfernsehen sie seit Jahren mit eben dieser PiS-Propaganda füttert.

Wiedergutmachung eines Staates an individuelle Kriegsopfer steht hingegen auf einem anderen Blatt. In den letzten Jahrzehnten hat Deutschland mehrfach – wenngleich symbolische Entschädigungen – an Kriegsopfer in Polen gezahlt, zuletzt an ehemalige Zwangsarbeiter. Wenn der PiS-Regierung tatsächlich an den Kriegsopfern gelegen wäre, könnte sie problemlos eine Wiedergutmachung fordern – beispielsweise für zwangsgermanisierte polnische Kinder, die als Gruppe noch nie eine Entschädigung erhalten haben.

Aber das tut die PiS nicht. Denn wahrscheinlich würde Deutschland auf diese Forderung eingehen und erneut eine symbolische Entschädigung auszahlen – so wie schon zuvor an andere Opfergruppen. Damit wäre der wahlpropagandistische Zweck dahin.

Auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam im Frühjahr und Sommer 1945 hatten die Alliierten eine für Polen extrem ungünstige Reparations-Lösung festgelegt. Der Wert der von Deutschland aufzubringenden Reparationsleistung wurde auf 20 Milliarden US-Dollar festgelegt – auf Basis der Preise von 1938 -, von denen zehn Milliarden an die Sowjetunion und Polen gehen sollten. Das Problem: Moskau ließ sich für die Weiterleitung der Baumaterialien aus Deutschland, der Schienen, Züge, Lkws usw. bezahlen.

Warschau musste für die Reparationen, die die Sowjets aus Deutschland nach Polen brachten, mit Millionen Tonnen Kohle bezahlen. Zudem erfuhr Polen nie, ob es tatsächlich 15 Prozent der zugesicherten Reparationsleistungen erhielt, da Moskau nie bekannt gab, welchen Wert die 100 Prozent hatten, die es aus der sowjetischen Besatzungszone entnahm. Für Polen war das ein schlechtes Geschäft, sodass der Wunsch nach Reparations-Nachforderungen verständlich ist. Nur ist eben der Adressat nicht Berlin, sondern Moskau.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.