Parteichef unter Druck: Lokale CDU-Verbände kritisieren Merz
In Umfragen liegt die CDU nur knapp vor der AfD. Intern regt sich Widerstand gegen Parteichef Friedrich Merz. Vor allem in Köln steht er unter Beschuss.

Die CDU steht unter großem Druck. Nachdem die Partei laut aktuellen Umfragen nur noch zwei Prozentpunkte vor der AfD liegt, üben auch mehrere Parteiverbände Kritik am Bundesvorsitzenden Friedrich Merz. Der Kölner Kreisverband und die dortige Junge Union werfen ihm „opportunistische Deals“ vor und, dass er das Vertrauen in die CDU zerstöre. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich sogar ein Stadtverband aus Protest gegen Merz aufgelöst.
Migration, Schuldenbremse, Verteidigung und mögliche Quotenregelungen stehen im Zentrum der Kritik innerhalb der CDU. Die Kölner JU und der Kreisverband wandten sich am Samstag in einem offenen Brief auf X an Friedrich Merz und die Bundestagsfraktion, in dem sie die „Enttäuschung“ vieler Mitglieder zum Ausdruck bringen.
„Was wir derzeit aus Berlin vernehmen, ist ein politisches Desaster“, heißt es in dem Brief. Gemeint sind mögliche Kompromisse innerhalb der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD.
Diese sind vor allem den eigentlichen Merz-Ultras, konservativen und wirtschaftsliberalen CDUler:innen, ein Dorn im Auge. Die CDU unterwerfe sich „dem linken Mainstream“, schreiben die JU Köln und der Kölner Kreisverband weiter. Einen Punkt heben sie besonders hervor: eine mögliche Quotierung bei der Ministerienbesetzung. Posten sowohl geschlechtergerecht als auch nach CDU-Landesverbänden zu verteilen, kritisieren sie als das Ende des Leistungsprinzips.
Sorge vor weiterem Stimmgewinn der AfD
Zuvor traten Ende März im mecklenburg-vorpommerischen Kühlungsborn große Teile des CDU-Stadtverbands aus Protest aus der Partei aus. Der Kurswechsel in der Schuldenpolitik sei für viele Mitglieder eine rote Linie gewesen. „Die Schuldenbremse ist die DNA der CDU“, heißt es in der Pressemitteilung.
Im Winter habe man noch engagiert unter CDU-Flagge Wahlkampf betrieben. Aber etwaige Zugeständnisse in den Koalitionsverhandlungen, Kompromisse bei den Wahlversprechen, gehen für manche Mitglieder zu weit. „Kühlungsborn ist ein Dorf und wir stehen hier mit unserem Namen gerade“, sagt Stephan Krauleidis, ehemaliger stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Stadtverband der taz. Auch er ist Ende März ausgetreten. „Dadurch haben auch wir als Privatpersonen das Vertrauen vieler Wähler verloren.“
Auch die Kölner JU und der Kreisverband sorgen sich darum, „vor Ort als Lügner“ dazustehen. Dahinter steht die Sorge vor dem weiteren Stimmgewinn der AfD: Wenn die „klaren Botschaften“ aus dem Wahlkampf nicht umgesetzt werden, werde das der CDU spätestens bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen 2025 „auf die Füße fallen“. JU und Kreisverband drohen, eine Regierung mit der CDU werde es nicht geben, wenn nicht alle Wahlversprechen eingelöst werden.
Aus dem Südwesten kommt dagegen, wenn überhaupt, nur sehr verhaltene Kritik an der CDU-Führung. Nach einem Aufstand gegen Merz sieht es schon deshalb nicht aus, weil mit dem omnipräsenten CDU-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei ein Baden-Württemberger den Koalitionsvertrag an wichtigster Position hinter dem CDU-Chef mitverhandelt.
Auch Hagels Team macht sich keine Illusionen
Andererseits ist man in der Stuttgarter Parteizentrale auch nervös. Seit Monaten sieht es in den Umfragen gut für die Union im Südwesten aus. Der noch nicht ganz 37-jährige Manuel Hagel wurde vor einer Woche von den Funktionsträgern der Partei per Akklamation zum Spitzenkandidaten gemacht.
Aber die Zustimmung der CDU im Land, da macht sich auch Hagels Team keine Illusionen, liegt eher in der Ablehnung der ehemaligen Ampel-Regierung als an der Beliebtheit des Spitzenkandidaten. Vom Erfolg der CDU in Berlin hängt auch die Mission vom Landesvorsitzenden Hagel ab, den Grünen Winfried Kretschmann in einem Jahr an der Landesspitze abzulösen.
Hagel, der es sonst geschickt vermeidet, sich bei strittigen Punkten festzulegen, hatte im Wahlkampf eine Ewigkeitsgarantie für die Schuldenbremse verlangt – eine Forderung, die angesichts der von der Union vorangetriebenen milliardenschweren Neuverschuldung schlecht gealtert ist. Auch wenn Hagel immer eher Team Jens Spahn als Team Merz bei der Nachfolge in der CDU war, hat er sich früh mit dem Sauerländer arrangiert.
Serap Güler, seit Samstag die neue Vorsitzende des Kölner Kreisverbandes, bemüht sich derweil um versöhnliche Worte: Sie sei sicher, dass sowohl Merz als auch seine Kritiker:innen „im Sinne unseres Landes ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden“.
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