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Osteuropa-Experte zum Ukrainekrieg„Sanktionen können Armee stärken“

Für Alexander Libman können weder Verhandlungen noch ein militärischer Sieg der Ukraine langfristig für Frieden sorgen. Ein Gespräch über den Krieg.

Bewusste Inszenierung: Präsident Putin beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg im Juni Foto: Dimitri Lovetsky/ap
Anastasia Magasowa
Interview von Anastasia Magasowa

taz: Herr Libman, Sie sind Experte für Osteuropa und beschäftigen sich seit vielen Jahren mit autoritären Regimen. Waren die Ereignisse vom 24. Februar ein Schock für Sie?

Alexander Libman: Sie kamen für mich völlig unerwartet, das will ich gar nicht leugnen. Schon Monate davor war mir klar, dass alle Versuche, eine umfassende und harmonische Lösung zu finden, sehr wahrscheinlich zu nichts führen würden. Aber dass man von drei Richtungen aus, also auch aus Belarus, Kiew angreifen würde – das hätte ich mir nicht vorstellen können.

Was denken Sie, warum hat Wladimir Putin erst jetzt mit dieser großen Invasion begonnen? Warum nicht gleich nach der Annexion der Krim, als der Zustand der ukrainischen Armee noch sehr viel schlechter war?

Es gibt dafür zwei Thesen. Eine hat mit der Innenpolitik zu tun. Durch die Coronapandemie hat Putin an Beliebtheit verloren. Das wollte er mit einem kurzen siegreichen Krieg wieder ändern. Gegen diese These spricht meiner Meinung nach die Tatsache, dass die russische Gesellschaft nicht auf den Krieg vorbereitet war. Die zweite These hängt mit der Außenpolitik zusammen. Ich denke, Putin hat 2014 keinen Krieg begonnen, weil er damals noch dachte, er könne seine Ziele auch ohne einen solchen Krieg erreichen. So wie ich das verstehe, glaubt Putin nicht daran, dass Menschen irgendwelche Entscheidungen selbstständig treffen können und hinter allem Manipulationen anderer stehen. Als es zum Beispiel 2014 in der Ukraine zur Revolution der Würde kam, war das für Putin nicht etwas, was die Menschen selbst organisiert hatten, sondern der gut umgesetzte Plan amerikanischer Geheimdienste.

Mit welcher Absicht hat die russische Armee Gewalttaten wie solche in Butscha begangen?

Das ist ein weiterer Schock für mich. Zu Kriegsverbrechen kommt es, wenn sich die Bevölkerung, an der sie begangen werden, sehr stark von denen unterscheidet, die diese Verbrechen begehen. Dann kann man einfach den Begriff des „Fremden“ verwenden. Eine klare Unterscheidung zwischen „unsere Leute“ und „die anderen“ hätte bei den Menschen in Butscha nicht funktioniert. Ich denke, der Grund für diese Ereignisse ist folgender: Die russischen Soldaten in der Ukraine verstehen nicht, was dort passiert, sie sehen nicht den Sinn des Krieges. Und es ist dieses Unverständnis und diese Verwirrung bewaffneter Männer, die zu dieser wahnsinnigen, unvorstellbaren Brutalität führt. Berichte von Augenzeugen, die die russische Okkupation überlebten, bestätigen diese Hypothese. Der Krieg, den diese Soldaten nicht verstehen, hat sie zu Bestien gemacht.

Glauben Sie, der Kreml hat damit gerechnet, dass die Ukraine so viel Unterstützung aus dem Westen erhält?

Ich denke, dass man im Kreml nichts von dem, was jetzt passiert, erwartet hatte. Sie haben nicht erwartet, dass die ukrainische Armee solchen Widerstand leisten und das ukrainische Volk so entschlossen die Okkupation ablehnen würde. Auch nicht, dass der Westen so schnell so harte Sanktionen beschließen würde und dass Russland durch den Krieg weltweit so an Ansehen verlieren würde. Der Kreml hat vielmehr angenommen, dass die Menschen den Krieg als Teil einer ganzen Reihe von Kriegen sehen würden: Syrien, Bergkarabach, Irak, Afghanistan. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der Krieg in der Ukraine in den USA und Europa grundsätzlich andere Reaktion hervorrufen würde.

Sie haben den offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz mit unterzeichnet. Darin wird auch gefordert, die Verhandlungen mit Russland wieder aufzunehmen.

Das Hauptproblem der Vorgänge in der Ukraine besteht darin, dass es keine gute Lösung gibt. Es gibt nur schlechte, sehr schlechte und superschlechte Lösungen, und darunter muss man eine auswählen. Die Vorstellung, dass man mit Putin verhandeln und Zugeständnisse machen müsse, ist eine sehr schlechte Entscheidung, denn es würde bedeuten, einem Verbrecher Zugeständnisse zu machen.

Was sind Alternativen zu diesen Verhandlungen?

Einige hoffen auf einen kompletten militärischen Sieg der Ukraine mit umfassender westlicher Unterstützung. Für mich gibt es hier allerdings ein großes Problem: Es ist nicht klar, wie wir diesen Sieg genau definieren. Geht es um die Wiedereroberung aller von Russland besetzten Territorien? Auch wenn so ein Vorgehen gelingen würde, würde es lediglich bedeuten, dass Russland seine Armee entlang den ukrainischen Grenzen lassen würde und weiter das ukrainische Territorium mit Raketen und Bomben beschießen würde. Das würde die Ukraine dauerhaft destabilisieren. Um das zu vermeiden, müsste dann die Ukraine auch russisches Territorium angreifen. Das wäre mit einer brandgefährlichen Eskalation verbunden, möglicherweise einer nuklearen Eskalation. Denn: Falls Putin in diesem Fall keine Atomwaffen einsetzt, kann international der Glaube schwinden, dass Russland grundsätzlich bereit ist, zum Schutz eigenen Territoriums nukleare Streitkräfte einzusetzen. Das wäre in den Augen Putins ein katastrophaler Machtverlust, ein hohes Sicherheitsrisiko. Solange die russische Armee einsatzbereit ist, die russische Wirtschaft läuft und Putin an der Macht ist – und diese Bedingungen werden aus meiner Sicht trotz Sanktionen und der hohen Verluste an der Front noch sehr lange existieren – ist es schwer, sich eine militärische Lösung vorzustellen, die die Sicherheit der Ukraine garantieren würde.

Kann man mit Putin überhaupt verhandeln?

privat
Im Interview: Alexander Libman

Der 40-Jährige ist seit Oktober 2020 Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Osteuropa und Russland an der Freien Universität in Berlin. Davor war er unter anderem Juniorprofessor für internationale politische Ökonomie in Frankfurt am Main.

Das ist eine sehr schwierige Frage. Aus meiner Sicht sind solche Verhandlungen grundsätzlich möglich. Für Putin sind aggressive Kriege kein Kernelement seines Regimes, ohne die es ideologisch oder wirtschaftlich nicht überleben kann. Putin ist schon über zwei Jahrzehnte an der Macht, und ein Großteil dieser Zeit hat er sich eher als korrupter Kleptokrat denn als Eroberer verhalten. Es wird oft gesagt: Man hat mit Putin bereits vor dem Krieg, im Januar und Februar 2022, verhandelt und das hat zu keinem Ergebnis geführt. Diese Argumente teile ich nicht. Putin hat bereits vor dem Krieg seine Forderungen definiert: Ein Kernelement war, dass die Nato sich verpflichtet, die Ukraine als Mitgliedsstaat nicht aufzunehmen. Gerade bei dieser Forderung hat der Westen sofort klar gesagt, dass das nicht zur Debatte steht. Dafür gab es sehr gute ethische und politische Gründe. Aber: Das bedeutet auch, dass in den Gesprächen, die mit Putin geführt wurden, das für ihn wichtigste Anliegen vom Anfang an ausgeschlossen wurde. Wenn man über Verhandlungen spricht, müssen jedoch noch zwei Punkte klargemacht werden.

Welche sind das?

Erstens: Wenn wir von Verhandlungen und Kompromissen sprechen, können es nur eigenständige Entscheidungen der Ukraine sein, die nur sie selber treffen darf und kann. Verhandlungen hinter dem Rücken der Ukraine sind unzulässig. Der Westen kann sich aber darum bemühen, Bedingungen für solche Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zu schaffen und zu fördern. Und zweitens: Diese Bedingungen zu schaffen, ist eine Aufgabe, die jetzt deutlich schwieriger ist, als es noch im März der Fall war. Dass man mit Putin grundsätzlich verhandeln kann, bedeutet nicht, dass er jetzt zu diesen Verhandlungen bereit ist. Aber mit Verhandlungen gibt es zumindest eine Hoffnung auf Frieden. Mit einer Strategie, die nur auf einen militärischen Sieg der Ukraine setzt, befürchte ich, dass das nicht der Fall ist. Aber, wie gesagt: Verhandlungen bleiben eine schlechte Lösung.

Auf wen stützt sich das autoritäre Regime in der Russischen Föderation?

Das Rückgrat von Putins Regime sind heute die Sicherheitsdienste, und sie sind immer noch die aktivste Kraft, die den Autoritarismus in Russland unterstützen. Mir kommt es auch so vor, dass sich dieser russische Autoritarismus jetzt auf die Verwirrtheit der Bevölkerung stützt, die durch den Kriegsausbruch in einem Schockzustand ist. Ich glaube allerdings nicht, dass die russische Gesellschaft den Krieg so eindeutig unterstützt, eher im Gegenteil. Aber es hat sich der Konsens darüber gefunden, dass die Realität des Krieges unausweichlich ist. Und ein solcher Konsens ist die stärkste Unterstützung für das Regime, denn die Russen glauben nicht, dass sie etwas ändern können.

Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage Russlands?

Derzeit durchlebt die russische Wirtschaft einen schweren Schock, und sie stabilisiert sich auf sehr niedrigem, ärmlichen Niveau, daran besteht kein Zweifel. Die Sanktionen und der wirtschaftliche Abschwung in Russland werden dazu führen, dass der militärisch-industrielle Komplex höchstwahrscheinlich nicht in der Lage sein wird, sein hohes technologisches Niveau zu halten.

Führen die Sanktionen dazu, dass Putin an Beliebtheit in der russischen Bevölkerung einbüßt?

Daran zweifle ich sehr stark. Die Sanktionen führen vor allem zu einer größeren Popularität Putins. Es gibt noch einen Aspekt, der zu wenig bedacht wird. Die Sanktionen führen zu einem Anstieg der verdeckten beziehungsweise der offenen Arbeitslosigkeit in Russland. Wir könnten in eine Situation geraten, in der Menschen in relativ armen russischen Regionen mit steigender Arbeitslosigkeit konfrontiert sind und diese Menschen dann in den Krieg ziehen, um Geld zu verdienen. Legt man diese Hypothese zugrunde, können die Sanktionen paradoxerweise zu einer Stärkung der russischen Armee führen.

In der Politikwissenschaft kennt man die grundlegenden Möglichkeiten, einen Autokraten zu stürzen – davon ist der Staatsstreich die am weitesten verbreitete. Wer könnte so einen Putsch initiieren?

Ich weiß es nicht, niemand weiß das. Ein erfolgreicher Militärputsch besteht in seiner Unvorhersehbarkeit. Sonst könnte das Regime ihn ja verhindern.

Gibt es andere Szenarien f ü r einen Machtwechsel?

Es gibt ein Szenario, in dem der pessimistische Konsens über den Krieg zusammenbricht und die Menschen auf die Straße gehen. Die wichtigste Bedingung dafür ist, dass die Mehrheit der Russen verstünde, dass die Mehrheit der Russen nicht einverstanden mit dem Krieg sei, und sich dadurch etwas ändern könnte. Aber das wird aktuell nicht passieren und man kann es auch nicht voraussagen. Man muss aber sagen, ein Machtwechsel könnte einer neuen politischen Führung neue Möglichkeiten eröffnen. Zumindest könnte sich sowohl im Westen als auch in der Ukraine ein gewisses Maß an Verhandlungsbereitschaft einstellen. Die Bereitschaft mit Putin zu reden ist wesentlich geringer, weil er die persönliche Verantwortung für die Ereignisse in Butscha trägt. Auch wenn er nicht den Befehl gab – er trägt dafür die Verantwortung.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

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45 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Das Hauptproblem der Vorgänge in der Ukraine besteht darin, dass es keine gute Lösung gibt.""

    ==

    Pragmatismus ist zumindest die passende Antwort die Putler beeindruckt. Er stellt momentan die russische Wirtschaft auf Kriegswirtschaft um. Das bedeutet im Klartext das die momentanen Resourcen Russlands nicht ausreichen um Putlers Kriegsziele, welche das auch immer sein mögen, zu erreichen.

    Pragmatismus bedeutet, die russischen Angriffe einzudämmen und sämtliche Maßnahmen zu ergreifen, die es unmöglich machen, das Putler weitere Gebiete besetzen kann.

    Der russische Gaslieferstop, der am 22. Juli deutlich werden wird, wird etwaige momentane Hemmungen, Präzisionswaffen und Artellerie in Tausender - Anzahl an die Ukraine zu liefern, auf Null reduzieren. Zusätzlich wird diese Entwicklung das 7. Sanktionspaket der EU beschleunigen und die beginnende Hungerkrise in der 3. Welt wird die Randbedingungen für Putler drastisch verschärfen.

    Wer Lösungen möchte muß auf Mord, Folter, Abschaffung der Menschenrechte, auf blutrünstige durchgeknallte Diktatoren - siehe der dreckigen Krieg Putlers -- Antworten finden, die Russland unmissverständlich ein Stoppschild aufzeigen.

    Das sind die Vorbedingen für alle diejenigen, die tatsächlich Lösungen anstreben. Alles andere sind Versuche den Show - Down auf später zu verschieben - möglicherweise ins Baltikum, Polen, Rumänien, Transnistrien oder in den Balkan oder anderswo.

    Wer das verhindern möchte, muss jetzt die weitere Ausbreitung der Russen in der Ukraine verhindern.

  • Diese Beobachtung von Herrn Libman finde ich sehr wichtig:



    "Es gibt ein Szenario, in dem der pessimistische Konsens über den Krieg zusammenbricht und die Menschen auf die Straße gehen. Die wichtigste Bedingung dafür ist, dass die Mehrheit der Russen verstünde, dass die Mehrheit der Russen nicht einverstanden mit dem Krieg sei, und sich dadurch etwas ändern könnte."



    Die Propaganda wirkt vor allem durch Autosuggestion, also nicht, weil sie den Menschen echte Haltungen "einhämmert", sondern weil sie jedem, der eine abweichende Meinung hat, erfolgreich suggeriert, er stünde damit allein da. „80% aller Russen unterstützen die Spezialoperation“. Diese „Erkenntnis“ der manipulierten Meinungsforschung hat es bis in unsere Medien geschafft und beeinflusst auch hier den Diskurs.



    In "Projekt" und "Meduza" sind jüngst Recherchen erschienen, die auf geleakten, und (aus gutem Grund) unveröffentlicht gebliebenen Meinungsumfragen beruhen. Sie zeigen u.a. (Umfrage von Ende Juni 2022), dass in der Generation unter 35 fast die Hälfte für ein schnellstmögliches Ende des Krieges ist (in Moskau und Petersburg: 40% quer durch alle Altersgruppen), und (Umfrage von Frühjahr 2021) dass kaum jemand aus der Generation bis 35 vor hat, Putin noch einmal zu wählen. Das erklärt so einiges, z.B. warum Putin sich überhaupt in dieses chauvinistische Abenteuer gestürzt hat, warum er es sich politisch nicht leisten kann, eine allgemeine Mobilmachung auszurufen, und auch den neurotischen Verfolgungseifer, mit dem jede noch so kleine öffentliche Manifestation von Opposition und abweichender Meinung zur „Spezialoperation in der Ukraine“ unterdrückt wird. Irgendwann helfen aber auch gefälschte Umfrageergebnisse und Wahlen nicht mehr weiter.



    www.proekt.media/n...ive/rating-putina/



    meduza.io/feature/...vit-pryamo-seychas

  • "Wenn du zum Schwert greifst, wirst du ein grosses Land vernichten", so das Orakel von Delphi vor tausenden Jahren.



    Das wird auch Putin irgendwann, oder seine Nachfolger begreifen.



    Unser Ökonomierat wird zum Osteuropa Experten.



    Da gabs nix mehr zu orakeln, machen wir halt was in Politik.



    Doch auch hier, nix genaues weiß man nicht.



    Frau Baerbock schlägt Verhandlungen aus, unaufgefordert, ohne Grundlage.



    Aber es geht nur mit Verhandlungen.



    Für die paar Quadratkilometer so eine Auseinandersetzung, so H. Kissinger, ehemaliger Krieger der US Kriege in aller Welt, lohnt das nicht.



    Was war, ob man Putin beleidigt hat oder nicht, spielt doch gar keine Rolle mehr, ist Vergangenheit.



    Obwohl, wäre interessant, russische Truppen in Mexiko, mit vollem Besteck, also auch Atomoptionen.



    Was täte der Amy sagen?



    Was ist wertvoller, Menschenleben oder Land?



    Land, sagen die Krieger.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Hans Jürgen Langmann:

      "Aber es geht nur mit



      Verhandlungen."



      ==



      In einem Sommerlager in Bucha/Ukraine wurde eine Reihe von Folterkammern entdeckt, die durch Betonwände getrennt waren. An der Vorderseite befand sich ein Raum, der anscheinend für Hinrichtungen genutzt wurde, mit Einschusslöchern in den Wänden. Der folgende Raum enthielt zwei Stühle, einen leeren Krug und ein Holzbrett. Die Russen hatten zwei metallene Bettfedern hereingebracht und sie in einem anderen an die Wand gelehnt.



      Die Tableaus suggerierten den ukrainischen Ermittlern, dass hier Häftlinge gefoltert wurden: an Bettfedern gefesselt und verhört; auf die Planke geschnallt und mit Wasser überzogen. In dieser Kammer wurden fünf tote Männer in Zivilkleidung entdeckt. Sie waren mit Brandwunden, Prellungen und Schnittwunden übersät. Auch in Zabuchchya, einem Dorf im Bezirk Bucha, wurden 18 verstümmelte Leichen von ermordeten Männern, Frauen und Kindern in einem Keller entdeckt: Einigen wurden die Ohren abgeschnitten, während anderen die Zähne herausgezogen wurden.“

      Quelle: Botschafter der OSZE Michael Carpenter an das permanent tagende



      Council in Wien.

      osce.usmission.gov...report-on-ukraine/

      Herr Lachmann, erklären sie bitte was sie verhandeln wollen,



      2.. wenn sie Baerbocks Haltung als unaufgefordert ansehen, (Baerbock ist deutsche Außenministerin) -- über was sollte sie Ihrer Meinung nach verhandeln?

  • Verstehe gar nicht, warum sich so viele immer an Verhandlungen ja oder nein abarbeiten. Selbstverständlich Verhandlungsbereitschaft zu jeder Zeit, aber es kommt eben auf a) selbige auf der Gegenseite und b) die Verhandlungsbasis = militärische Lage an.

  • Daß wir in eine Situation geraten, in der Menschen in relativ armen russischen Regionen mit steigender Arbeitslosigkeit konfrontiert sind und diese Menschen dann in den Krieg ziehen, um Geld zu verdienen, scheint mir doch sehr bei den Haaren herbeigezogen.



    Ausserdem ist das irrelevant.

    • @Max Sterckxc:

      An den Haaren herbeigezogen ist das nicht, das findet sogar aktuell bereits statt.



      Die Kreiswehrersatzämter in Russland versuchen z.Z. gezielt, Arbeitslose anzuwerben, die Daten dafür erhalten sie von den Arbeitsämtern. Die Lockprämie für den Abschluss eines 6-Monatskontrakts beträgt 300.000 Rubel, das sind in der Provinz mal locker 10 durchschnittliche Monatsgehälter. Ebenfalls im Fokus der Rekrutierer: Strafgefangene (man wirbt mit Amnestie) und überschuldete Menschen (Lockangebot: Schuldenschnitt).



      Ich gebe ihnen aber recht, dass das nicht so relevant ist, weil diese Rekrutierungsversuche, selbst wenn sie erfolgreich sind, das eigentlich Problem der russischen Armee - sie hat zu wenig ausgebildete (!) Soldaten - nicht lösen wird.

    • @Max Sterckxc:

      Es ist in meinen Augen alles andere als irrelevant. Das Argument deckt sich mit allem antifaschistschem Denken, welches ich erlernt habe.

      Der Artikel/das Interview beschreibt ja auch sehr gut formuliert, dass es keine gute Lösung gibt. Er benennt verschiede Szenarien. Er gewichtet auch, dass ist ja das Recht eines jeden Journalisten/Menschen.

      Ich befürworte die Sanktionen. Trotzdem bin ich glücklich, dass hier umfassende Schwierigkeiten aller möglichen Handlungsaktionen beleuchtet werden. Mich jedenfalls hat die Geschichte gelehrt, je größer der Druck auf die Bevölkerung mit existentiellen Nöten, desto lauter der Ruf nach Autokratie. Ihre Worte, das Argument sei irrelevant, teile ich null und gar nicht.

      Trotz meiner Worte bitte ich Sie Rücksicht zu nehmen, dass Sie und ich die gleiche politische Forderung haben. Sanktionen sind notwendig, so hart wie es geht. Russland ist riesig. Egal wie hart die Sanktionen von aussen sind. Essen können Menschen dort genug haben, da die Fläche zur Eigenversorgung halt immens ist.

    • @Max Sterckxc:

      Das ist in Dagestan schon lange der Fall gewesen. In der Region bestechen Männer offizielle um zum Wehrdienst ei gezogen zu werden um darüber ein bischen Geld zu verdienen. Russland in den Provinzen ist oft mehr dritte als erste Welt.

  • Forderungen /Bedingungen zu stellen , ist wesentlicher Bestandteil von Verhandlungen.



    Ihre weiteren Einwände oder Feststellungen sind zwar größtenteils zutreffend ,aber: Herzlich willkommen in der Welt der Realpolitik! Ein Beispiel für Fakenews zur Rechtfertigung eines Angriffskrieges ,findet man bspw.auch schon in der jüngeren Vergangenheit: Die berühmten Massenvernichtungswaffen des Irak!



    Außerdem wird schon im Interview gesagt das es nur schlechte, sehr schlechte und superschlechte Lösungen im Ukrainekrieg gibt. Verhandlungen mit Putin werden als "sehr schlecht" betrachtet. Also das mittelgroße Übel.

  • 9G
    97627 (Profil gelöscht)

    Ich höre auf zu lesen, alsbald der "Experte" behauptet, die Mitgliedschaft der Ukraine wäre Putins Hauptanliegen. Das ist so offensichtlich daneben, dass sich der Rest nicht zu lesen lohnen wird

    • @97627 (Profil gelöscht):

      Kann ich verstehen: Kleine Kinder halten sich bei Gefahr auch die Hände vor die Augen ...

  • Schauen wir einmal, ob es eine Besserung beim Getreide gibt. Wenn ja, würde dies noch einmal die aktuell von vielen vergessene Binsenweisheit unter Beweis stellen, dass Verhandlungen erfolglos sein mögen, aber ohne Verhandlungen sicher nichts erreicht wird.

    Das Motto, nicht mit dem Gegner zu reden, sondern nur zurückzuschießen, rettet keine Menschenleben und stammt zudem aus einer reaktionär-militaristischen Tradition.

    Verhandlungen mögen im Nichts enden, ohne Verhandlungen aber gibt es keinen Weg.

  • Eine Meinung von vielen im Spektrum von 1 bis 100. Heißt, man/frau kann auch komplett anderer Meinung sein. So, wie zur pompösen Hochzeit von LL (Lehfeldt/Lindner).

  • Wenn es für einen "Osteuropaexperten" so völlig überrascht von dem russischen Angriff am 24. Februar war, lässt mich das eher an seiner Expertise zweifeln. Andere Experten waren da weiter. Und somit neme ich ihm seine "Verhandlungs"argumente auch nicht ab.

    • @Hans aus Jena:

      "Wenn es für einen "Osteuropaexperten" so völlig überrascht von dem russischen Angriff am 24. Februar war, lässt mich das eher an seiner Expertise zweifeln. "

      Viele (echte!) Experten innerhalb und außerhalb Russlands, viele russische Oppositionspolitiker, und vor allem Militärexperten, haben vor dem 24. Februar prognostiziert, dass es sich um einen Bluff handelt, der allenfalls mit der Annektion der "Volksrepubliken" oder einer ähnlich begrenzten Aktion enden wird.



      Das liegt nicht daran, dass sie schlechte Experten wären, sondern dass sie Putin mehr Rationalität unterstellt haben, als er, wie sich nun herausgestellt hat, besitzt. Sie haben einen großangelegten Eroberungskrieg mit Bodentruppen für unmöglich gehalten, weil Russland ihn unmöglich gewinnen kann. Womit sie recht hatten, wie man sieht.

    • @Hans aus Jena:

      Tatsächlich war auch ich überhaupt nicht überrascht. Und ich bin kein "Experte". Habe aber Putins Vorgehen und seine Kriege, seine Denkweise, seine Destabilisierungstrategien die letzten 20 Jahre wachen Auges beobachtet.

      • @dites-mois:

        Hinterher haben die selbsternannten Experten selbstverständlich vorher gewusst was passiert. Sie hätten ja wenigstens Herrn Selenskij einen Tip geben können:



        „ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht trotz der Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken in der Ostukraine durch Russland keine erhöhte Kriegsgefahr. „Wir glauben daran, dass es keinen großen Krieg gegen die Ukraine geben wird“, sagte das Staatsoberhaupt nach einem Treffen mit dem estnischen Kollegen Alar Karis am Dienstag in Kiew. Das Kriegsrecht werde jedoch im Falle einer Eskalation verhängt.“ Tagesspiegel 22.02.22



        www.tagesspiegel.d...land/28092256.html

    • @Hans aus Jena:

      Woran machen sie Expertise denn dann fest, wenn ein Lehrstuhl mit entsprechendem Schwerpunkt nicht reicht? Die Forderunge die Zukunft vorhersagen zu können dürfte auch von Wissenschaftler*innen eher schwer zu erfüllen sein. Sollte man also vielleicht eher Wahrsager*innen und Orakel befragen?

    • @Hans aus Jena:

      Von denen, die laut nach einer militärischen Niederlage Russlands rufen hat es aber auch niemand kommen sehen, oder? Ist deren Argumentation dadurch jetzt besser?

      Der 'Experte' spricht wenigstens aus, was Politiker:Innen gern vermeiden: Dass es keine guten Szenarien gibt. Ich bin für eine massive militärische Unterstützung der Ukraine. Aber erstens muss klar sein, dass das keine Garantie für eine gute Lösung ist. Und zweitens müssen die Ziele und Risiken klar benannt werden.

      • @Hannes Hegel:

        Westliche Geheimdienste hatten es vorher schon angekündigt, die "Manöver" waren ein ziemlich eindeutiges Vorzeichen, die "Anerkennung" der Separatistengebiete kam kurz vorher vorher. Am 21.2. wurde das russische Verteidigungsministerium von Putin angewiesen, Truppen in die Ostukraine zu entsenden. Dass Putin keine Skrupel hat, andere Länder zu überfallen, hatte er in der Vergangenheit auch schon gezeigt.

        Welchen Grund gab es denn, überrascht zu sein?

        Ich habe gerade meine Kommunikation in den Tagen vor dem Einmarsch nochmal durchgelesen. Ich kann auch im Nachhinein sagen, dass ich nicht überrascht war.

  • Dem Westen wird es in den nächsten Jahren genau darum gehen: Den russischen Staat wirtschaftlich und technologisch so stark zu schwächen, dass keine vernünftige zivile und militärische Weiterentwicklung möglich ist. China hat an einer technologischen Weiterentwicklung Russlands ebenfalls kein Interesse, da der kulturelle Kern Russlands eindeutig europäisch ist und China sich auch mit dem Panslawismus nicht wird anfreunden können. Dasselbe gilt für Indien.



    Autokraten von Putins Format wurden in der Geschichte nicht selten durch eine Palastrevolution beseitigt. Wir sollten Putins Umgebung daher genauestens im Blick behalten.

    • @Aurego:

      Ist es nicht so, dass "Putins Umgebung" ihm jedes, aber auch wirklich jedesmal überwältigend große Mehrheiten bereitet?



      Diese "Palastrevolutionäre" würden doch danach vermutlich von massenweise aufgebrachten Anhängern Putins gelyncht.



      Wer also sollte sich das zutrauen wollen, "Putin zu beseitigen" weil man dächte, eine Mehrheit der russischen Bevölkerung hinter sich zu haben?



      Trotz eindeutig vorkommender Protestbewegungen sind aber genau so eindeutig die Gesamtverhältnisse der Gesamtbevölkerung in Russland mehr mehr als weniger gefestigt.



      Man sollte besser auf andere Lösungen hoffen, als "Putin zu beseitigen". Das ist nämlich illusorisches Wunschdenken.

  • Putin hat gar keinen Spielraum für Verhandlungen, da der Krieg mittlerweile, nach so vielen Rückschlägen, über seine politische Zukunft entscheidet. Daher besteht kein Verhandlungswille außer zu eigenen Konditionen.

    Übrigens, es gibt noch eine dritte Möglichkeit für einen Staatsstreich. Ein Auseinanderbrechen der Föderation. Eigenartig dass der experte das nicht Mal im Blick hat. Da es nicht Mal unwahrscheinlich ist. 😑

  • 6G
    656279 (Profil gelöscht)

    2014 war Russland weder militärisch noch wirtschftlich, auch nicht im Kontext der direkten wie indirekten Unterstützung durch andere Staaten in der Lage eine offene Konfrontation mit dem Westen zu wagen.

    Das ist heute anders, erleben wir dies zunehmend und mit gar amtlich diskutierten Katastrophenszenarien auch und gerade hierzulande.

    • @656279 (Profil gelöscht):

      Russland ist offenkundig nicht mal in der Lage, gegen das weitestgehend aus den 70er-Jahren stammende Material der Ukraine erfolgreich zu sein. Der Westen spielt ebenso offenkundig militärisch in einer völlig anderen Liga.

  • Hm, aber Putin will doch gar nicht verhandeln. Ich versuche immer noch zu verstehen, wie man Putin an den Verhandlungstisch bekommt, solange er nicht will. Das hat mir noch niemand erklärt, der Verhandlungen fordert. Ich habe das Gefühl, dass sich viele nicht vorstellen können, dass jemand so verrückt wie Putin ist. Er fährt sein Land in den Abgrund und die absolute Abhängigkeit von China, verheizt die jungen Soldaten, nimmt den Russen jegliche Möglichkeit sich global frei zu bewegen. Man muss vermutlich selbst so sein, um das alles zu verstehen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Das wird ja hier erklärt:



      "Es wird oft gesagt: Man hat mit Putin bereits vor dem Krieg, im Januar und Februar 2022, verhandelt und das hat zu keinem Ergebnis geführt. Diese Argumente teile ich nicht."

      Wenn man von vornherein einer der zentralen Punkte auf seiner Liste von vornherein ausschließt, hat Putin natürlich keine Lust zu verhandeln....

      • @zio pipo:

        "Comical" Sergej Lawrow hat klar gesagt, wie Putin sich "Verhandlungen" vorstellt. Die Ukraine muss alle Forderungen Russlands akzeptieren. Unter dieser Vorgabe zu verhandeln ist schlicht völlig sinnfrei.

      • @zio pipo:

        Aber alle anderen sollen verhandeln, wenn Putin einen ihrer zentralen Punkte von vornherein ausschließt, nämlich die völkerrechtlich garantierte Souveränität anderer Staaten?

        Warum so nachsichtig mit Putin und so strikt bei den anderen?

      • @zio pipo:

        Das geht dann von der Hypothese aus, dass Russland diese Garantie gereicht hätte. Bliebe die Entnazifizierung. Und ich denke, dass die auch erfolgen sollte, hätte die NATO der Ukraine abgesagt. Putin will die Ukraine einnehmen. Hat er mehrfach deutlich gemacht. Eine Garantie, dass die NATO die Ukraine nicht aufnimmt, hätte ihn nur bestärkt. Putin wollte einmarschieren, den Erfolg im Blitzkrieg. Das war keine Reaktion "ihr gebt mir nicht was ich will". Das einzige was Putin nicht wollte, ist der für Russland desaströse Krieg den er bekommen hat.

        • @LeSti:

          Aber Lesti, es gab und gibt diese Nazis doch gar nicht, sie sollte auch nicht erfolgen, es war nur ein vorgeschobener Grund. Tz Tz...

        • @LeSti:

          Sehr richtig. Aber wer keine Schweinerei auf der Welt verstehen kann, ohne dass die NATO schuld bzw der Westen der eigentliche Verursacher ist, wird auch die Evidenz Ihrer Ausführung nicht bemerken.

      • @zio pipo:

        Er verhandelt also nur, wenn der freie Wille der Ukraine nicht berücksichtigt wird? Was sind das denn für Verhandlungen, in denen eine Seite schon vorher Bedingungen stellt? Das unterstützt Putins Argument, die Ukraine hätte kein Existenzrecht. Allein diese Denkweise ist unerträglich und mit nichts zu rechtfertigen. Putin ist der Aggressor, niemand hat Russland angegriffen, im Gegenteil, über die Handelsbeziehungen war Russland auf einem guten Weg. Putin schafft durch Fakenews die Rechtfertigung für einen Völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, Stichwort Sender Gleiwitz. Putin kommt vom KGB, er denkt und handelt auch so.

        • @Gnutellabrot Merz:

          Die USA haben sich auch nur auf Verhandlungen mit der UdSSR über den Abzug der Raketen aus der Türkei eingelassen, nachdem der freie Wille Kubas missachtet wurde und dort keine sowjetischen Raketen stationiert wurden...



          Do ut des



          Das ist Realpolitik. Ist irgendwie erbärmlich, aber es gilt wie immer: der Stärkere schafft an

      • @zio pipo:

        Nun gebt ihm doch endlich das Sudetenland - ach, nee, das war ja der andere .... der war ja mit dem ähm Kompromiss dann zufrieden..... ;-)

      • @zio pipo:

        Als Putin 2014 die Ukraine überfiel hatte Merkel die Debatte über eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine bereits nachhaltig beendet. Die Erfüllung seiner Forderung hat ihn also nicht davon abgehalten diesen Krieg zu beginnen. Warum hätte die erneute Erfüllung seiner Forderung ihn davon abhalten sollen, diesen Krieg auszuweiten? Zumal es sein Truppenaufmarsch war, der die durch Merkel beendete Diskussion überhaupt erst wieder angefacht hat.

        Mit Verlaub kann eine solche These nur von einem Osteuropa- und Experten für autoritäre Regime kommen, den Ereignisse wie die des 24.02. und jene in Butcha und anderswo überraschen.

      • @zio pipo:

        Tja, es gibt eben Dinge, über die nicht verhandelt werden kann: Ihr Recht auf Leben zum Beispiel, oder die Legitimität von Völkermord, Giftgasanschlägen und Kriegsverbrechen, aber auch staatliche Souveräntität (eben auch die Freiheit von Staaten über ihre internationalen Beziehungen selbst zu entscheiden).

        Wer akzeptiert, dass alles verhandelbar ist und sein darf, hat die eigene Freiheit und Selbstständigkeit schon zur Disposition gestellt. Geradezu niederträchtig: Dies von anderen zu verlangen.