Olaf Scholz wird SPD-Kanzlerkandidat: Ende des linken Flügels
Der linke Flügel der SPD hat sich mit dem Ja zu Scholz selbst entmachtet. Mehr als eine sanfte Linkswende traut sich die Partei nicht zu.
D ass Olaf Scholz SPD-Kanzlerkandidat wird, liegt politisch im Trend: Die Verwandlung der US-Demokraten und der britischen Labour Party in entschieden linkssozialdemokratische Parteien, die den Finanzkapitalismus nicht verwalten, sondern strikt reglementieren wollen, ist mit Corbyn und Sanders gescheitert. Die SPD-Basis, die in der Groko schlicht Atemnot bekam, hatte Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken an die Spitze gewählt. Das war der bundesdeutsche, moderate Weg nach links. Denn beide sind, anders als es viele mediale Zerrbilder suggerieren, keine Radikalen, sondern traditionelle SozialdemokratInnen. Und Realos, wie die Kür von Scholz nun zeigt.
Esken und Walter-Borjans haben sich mit dem Ja zu Scholz selbst entmachtet. Ihre Interviewoffensive in den letzten Tagen für ein grün-rot-rotes Bündnis war kein donnerndes Aufbruchs-, sondern ein Abschiedssignal. An Scholz führte auch für diese Parteiführung nichts vorbei. Denn der linke Flügel hat personell nichts anzubieten – was einiges über dessen Zustand aussagt. Die SPD ist nun wieder im Normalmodus. Die Macht liegt von heute an bei Scholz.
Scholz war einer der Ersten in der SPD-Spitze, der sich für 12 Euro Mindestlohn starkmachte. Er hat in der Coronakrise entschlossen auf Keynesianismus gesetzt. Aber er bleibt trotzdem ein SPD-Konservativer. Zwar ist er pragmatisch genug, sich nicht gegen die sanfte Linkswende der SPD zu stemmen. Aber die Schwarze Null ist nur kurzfristig aus seiner Rhetorik verschwunden. Scholz verkörpert den Pragmatismus als Ideologie – Merkelismus ohne Merkel.
Rechter Kandidat mit moderat linker Partei – das gab es schon mal. Doch der Vergleich mit Peer Steinbrück weist in die falsche Richtung. Steinbrück war 2013 eigentlich Politrentner, Scholz ist Vizekanzler, hat die Fraktion und weite Teile der Partei hinter sich. Und er ist disziplinierter als Steinbrück, der mal den Stinkefinger in die Kamera hielt.
Zäher Abschied von der Agendapolitik
Die SPD hat sich zäh von der Agendapolitik entfernt. Die war nicht nur ein Einschnitt in das soziale Netz, sondern auch ein Symbol: Die SPD wollte für die AufsteigerInnen im digitalen Kapitalismus da sein, nicht für die VerliererInnen. Dass die Partei jetzt ausgerechnet den letzten aktiven Agenda-Politiker zu ihrem Kanzlerkandidaten kürt, offenbart eine recht komplizierte Dialektik.
Und doch ist Scholz derzeit die einzig realistische Wahl. Ob er auch der Richtige ist, wird davon abhängen, ob er das Riff umschifft, an dem alle SPD-Wahlkämpfe seit 2005 zerschellten – den Mangel an einer Machtperspektive jenseits der Union. Die SPD hat nur eine Chance, wenn sie glaubhaft macht, Teil eines grün-rot-roten Bündnisses zu sein. Kann Scholz das?
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