Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik: Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Olaf Scholz' Ukrainepolitik ist immer stringent, aber ohne echte Strategie gewesen. Seine Kyjiw-Reise bestätigt diesen Eindruck.
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Z um zweiten Mal seit Beginn des russischen Krieges in der Ukraine reist Bundeskanzler Olaf Scholz nach Kyjiw. Die Union wittert sofort wahltaktische Motive. Tatsächlich ist es komplizierter. Denn kein Thema eignet sich weniger als Gewinnerthema als der Ukrainekrieg. Für die einen tut Deutschland von Beginn an zu wenig, während die anderen kritisieren, dass mit jeder Waffenlieferung an der Eskalationsspirale gedreht würde. Recht machen konnte es der Bundeskanzler bislang keiner Seite. Und wie auch? Dieser Krieg kennt keine Gewinner.
Gewiss, der schnelle Sieg, auf den Russlands Präsident Wladimir Putin hoffte, als er am 24. Februar 2022 die Ukraine überfiel, ist dank der Gegenwehr der Ukrainer:innen und der westlichen Unterstützung ausgeblieben. Doch im dritten Kriegswinter zeigt sich, wie hoch der Preis dafür ist. Hunderttausende Menschen haben ihr Leben verloren, die russische Armee rückt vor und der Westen hat einen Teil seiner Glaubwürdigkeit eingebüßt.
Die von der SPD angeführte Bundesregierung ist von Anfang an zweigleisig gefahren: Hat nach anfänglichem Zögern Waffen in großem Stil geliefert, aber gleichzeitig darauf geachtet, dass eine bestimmte Schwelle nicht überschritten wird, heißt, deutsche Soldat:innen nicht aktiv mitmischen. Diese Zweigleisigkeit demonstriert Scholz nun auch im Wahlkampf: Im Oktober telefonierte er mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, nun besucht er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. So weit, so stetig.
Man kann Scholz nicht vorwerfen, er hätte seinen Kurs umfragegetrieben schnell mal geändert. Und zweifellos ist sein Besuch in Kyjiw auch ein wichtiges Zeichen der Solidarität in Zeiten, da Donald Trump sich anschickt, das Weiße Haus zu übernehmen und den Krieg binnen 24 Stunden zu beenden.
Raunen über Gebietsabtretungen
Stünde die Ukraine heute besser da, wenn Deutschland, wie Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz gefordert hat, frühzeitig Taurus-Marschflugkörper geliefert hätte? Wohl kaum. Der Taurus, das sagen Militärexpert:innen übereinstimmend, ist kein Gamechanger. Was immer fehlte, sowohl bei Merz als auch bei Scholz, war eine Idee für eine Strategie, die auf mehr setzt als bloße militärische Überlegenheit.
Vor zwei Jahren reiste Scholz noch in Begleitung von Emmanuel Macron und Mario Draghi. Diesmal kommt er allein. Das sagt viel aus. Es ist Scholz weder gelungen, eine entschlossene europäische Allianz zu schmieden, noch mit Joe Biden ein internationales Bündnis zu formen, das Russland zum Einlenken zwingt.
Nicht nur die ukrainische Front, auch die internationale Solidarität bröckelt. Dass der frühere Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg inzwischen Gebietsabtretungen für eine Option hält, ja dass gar Selenskyj selbst einen – vorläufigen – Verzicht auf die von Russland besetzten Gebiete ins Gespräch gebracht hat, ist im Grunde ein Wedeln mit der weißen Fahne.
Die Ukraine wird auf Verhandlungen setzen müssen – aber nicht aus einer Position der Stärke. Und das ist auch der Schwäche des Westens und Deutschlands geschuldet.
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