Offener Brief von Professor*innen: Gegen Judenhass und Israel-Boykott
Zahlreiche Dozierende sprechen sich gegen Antisemitismus an Unis aus. Auch eine kürzlich geschasste Bildungs-Staatssekretärin hat unterschrieben.
![Prof. Dr. Sabine Döring, Ex-Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Prof. Dr. Sabine Döring, Ex-Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)](/picture/7095936/624/35591941-1.jpeg)
Spricht sich gegen Antisemitismus an Unis aus: Prof. Dr. Sabine Döring Foto: Jürgen Heinrich/imago
BERLIN taz | Zahlreiche deutsche Professor*innen sprechen sich in einem offenen Brief gegen Antisemitismus und die Forderung aus, israelische Unis und Forschungseinrichtungen zu boykottieren. Unterzeichnet haben den Aufruf etwa der Soziologe Armin Nassehi, der Politikwissenschaftler Carlo Masala, aber auch die kürzlich als Staatssekretärin im Bildungsministerium geschasste Philosophieprofessorin Sabine Döring. Hintergrund sind propalästinensische Demos und antisemitische Vorfälle an den Unis seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem anschließenden Beginn des Gaza-Krieges.
In dem offenen Brief heißt es zu Boykottforderungen gegen Israel, man lehne solche „Formen der Ausgrenzung“ klar ab und setze sich „weiterhin für die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen an israelischen Universitäten oder Forschenden mit israelischer Staatsangehörigkeit ein.“
Unter anderem die umstrittene Bewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) fordert, Israel zu isolieren. Obwohl BDS immer wieder auch des Antisemitismus verdächtigt wird, haben zahlreiche Universitäten im europäischen Ausland mittlerweile ihre Verbindungen nach Israel gekappt. An US- und deutschen Unis konnte BDS dagegen bisher kaum Erfolge erringen.
Die Professor*innen erklären in ihrem offenen Brief außerdem, „alles in unserer Macht Stehende“ dafür tun zu wollen, dass Juden*Jüdinnen „unversehrt und sicher an unseren Einrichtungen studieren und arbeiten können“. Antisemitismus gehöre an den Unis und Hochschulen „geächtet und geahndet“.
Bisher ist das Gegenteil der Fall: Jüdische Studierende berichten von einem Klima der Angst und der Ausgrenzung an den Unis, immer wieder kommt es auch zu Gewalt gegen Juden*Jüdinnen. Im Februar griff etwa ein propalästinensischer Student der Freien Universität Berlin einen jüdischen Kommilitonen an und verprügelte ihn so heftig, dass dieser mit mehreren Brüchen ins Krankenhaus musste.
Die Professor*innen verurteilen in ihrem offenen Brief aber neben Antisemitismus auch „jegliche Form von Gewalt und Verwüstungen in Universitätsgebäuden aufs Schärfste.“ Damit zielen die Professor*innen wohl auf die propalästinensische Demos, Protestcamps und Besetzungen von Uni-Gebäuden, um die es seit dem Frühjahr immer wieder Streit gibt.
Kritiker*innen verweisen darauf, dass bei den Protesten oft antisemitische Parolen zu hören sind, Israel werde zudem das Existenzrecht abgesprochen und Juden*Jüdinnen würden bedroht. Befürworter*innen argumentieren dagegen mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie der besonderen Bedeutung von Universitäten als Orten der öffentlichen Diskussion.
Interessant ist nicht nur, dass dieses Thema im offenen Brief lediglich indirekt angesprochen wird, sondern auch, dass mit Sabine Döring eine Person unterschrieben hat, die bis vor kurzem politisch damit befasst war. Als Staatssekretärin unter Ministerin Bettina Stark-Watzinger ließ sie prüfen, ob Dozierenden Fördergelder gestrichen werden können, weil sie sich für einen nachsichtigeren Umgang mit propalästinensischen Studierenden ausgesprochen hatten. Die Veröffentlichung des Mailverkehrs zu dem Prüfantrag sorgte im Mai für einen Skandal. Stark-Watzinger versetzte Döring daraufhin in den einstweiligen Ruhestand.
Aktualisiert und ergänzt am 02.07.2024. 16:35 Uhr. d. R.
Leser*innenkommentare
Moon
Betr. Universitäten, Stätten der Meinungs- u. Versammlungsfreiheit...
Meines Wissens wurden pro-palästinensische Protestcamps auf Universitätsgeländen nie "mal einfach so" ohne Grund geräumt. Geräumt oder aufgelöst wurden solche Camps weil es gesetzl. Verstöße gab. Z. B. allein schon deshalb, weil es über einen gesondert zu betrachtenden zivilen Ungehorsam hinaus geht, wenn bestzte Räume zerstört, masiv beschädigt werden. Wenn verbotene Symbole "gemalt" werden. Wenn Sympathien mit terroristischen Organisationen geäußert werden.
In Hamburg, quasi neben der Moorweide am Dammtor, dem Abtransport der Juden in die Vernichtungslager, steht das Protestcamp bis heute. Sehr nahe der Universität. Ich besuche das nicht aber wer will der kann und darf. Am 30. Juni sollte das Camp beendet sein. Auch das findet jetzt Kritik. Siehe Hamburger Morgenpost:
www.mopo.de/hambur...a-camp-am-dammtor/
Aber es wird eben nicht so "einfach mal so geräumt.
Weil DAS eben auch zu Recht nicht sein dürfte. Solange Regeln eingehalten werden.
Iguana
@Moon Die rechtliche Grundlage der Räumung der FU war, dass die Uni von ihren Hausrecht Gebrauch machte. Das darf sie natürlich. Aber das heißt im Umkehrschluss halt auch, dass die Proteste geräumt werden können, weil sie dort unerwünscht sind. Dass sie dort errichtet werden, obwohl sie unerwünscht sind, würde ich schon eher als ziviler Ungehorsam bezeichnen. Als die Räumung angeordnet wurde, war nichts vorgefallen, das über das bloße Errichten des Protestcamps hinausging. Möglich war es, weil es auf Unigelände errichtet wurde und die Uni deshalb entscheiden konnte, es räumen zu lassen. Wenn heute fünf Leute entscheiden, vor der Tür des Springerverlags Plakate hochzuhalten, können sie ebenso geräumt werden. Das heißt nicht, dass die Betreffenden etwas Schlimmes gemacht haben. Mein Punkt ist: Dass geräumt wurde, belegt nicht, dass etwas zerstört wurde, es Gewalt o.Ä. gab. Das heißt nicht, dass das an der HU -nach dem offenen Brief!! - nicht passierte oder dass das okay wäre. Aber ein Polizeieinsatz beweist nicht, dass die Proteste problematisch sind. Das können sie sein, das sollte man dann aber anders begründen.
vieldenker
Sehr beruhigend, dass die Akademikerschaft nicht komplett der Hamas und ihren Freunden folgt.
Suryo
Gab es jemals einen Aufruf, wegen des Genozids an den Uighuren alle akademischen Kooperationen mit China einzustellen?
Eben.
Emmo
"Befürworter*innen argumentieren dagegen mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie der besonderen Bedeutung von Universitäten als Orten der öffentlichen Diskussion."
Wenn die Sudis tatsächlich diskutieren wollten, würde ja niemand etwas sagen. Stattdessen werden unverhandelbare (!) Forderungen verkündet. Dass die sich mit Organisationen solidarisieren, die das Hamas Massaker unterstützen, kommt oben drauf.
dizzy
Ich bin kein Prof. Würde diesen Brief auch unterschreiben, als einer, der in der DDR aktiv in Aktion sühnezeichen war.
Janix
Können wir so langsam mal wieder sauber unterscheiden zwischen Juden und Israelis - ist doch echt nicht schwer.
Die meisten Juden sind keine Israelis und leben auch nicht dort. Israelis können Juden, Atheisten, Christen, Muslime, Drusen, ... sein.
D.h. trennen wir Kritik am Handeln des Staates Israel (nachvollziehbar durch: Besatzung, Ungleichheit, Vertreibung) von Antisemitismus (nicht nachvollziehbar; gegen "die Juden").
Ob man Israels Hochschulen boykottieren sollte, darüber lässt sich reden. Ich finde dabei, gerade bei Kunst, Kultur und Bildung lohnt sich die Kommunikation besonders.
Während man Organisationen, Firmen und Farmer im besetzten Gebiet wohl boykottieren sollte, damit es die dort hingezogenen Radikalen kapieren, dass es nicht nur um sie geht, sondern um die dortigen Palästinenser!
Jim Hawkins
"Obwohl BDS immer wieder auch des Antisemitismus verdächtigt wird"
Schau mal einer an. Eine Organisation, in deren obersten internationalen Leitungsgremium die Hamas, die PFLP und der Islamische Jihad sitzen, wird des Antisemitismus verdächtigt.
Honi soit qui mal y pense.
casio
Endlich. wir sollten uns gegen Judenhass an deutschen Unis zur Wehr setzen.