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Offener Brief gegen „Cancel Culture“Die Vielfalt im Diskurs

In einem offenen Brief monieren rund 150 Prominente eine „Atmosphäre der Zensur“ in öffentlichen Debatten. Doch ist Widerspruch schon Zensur?

Debatten werden lauter, wenn mehr Stimmern teilnehmen Foto: Sergej Razvodovskij/YAY/imago

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass „Joanne K. Rowling“ unter den trendenden Themen bei Twitter auftaucht. Auslöser sind meist die wiederholt transfeindlichen Äußerungen der „Harry Potter“-Autorin. Rowling deutet etwa an, dass Transfrauen keine Frauen seien und dass Transaktivismus dem Feminismus schade. Hormontherapien setzte sie mit den in Deutschland für Minderjährige seit diesem Jahr verbotenen Konversionstherapien gleich, die dazu dienen sollten, homosexuelle Menschen von ihrer Sexualität zu „heilen“.

Für derlei Tweets und Texte bekommt Rowling regelmäßig deutliche Kritik aus der LGBTQI-Community und von Feminist:innen. Sie wird als TERF bezeichnet, also als „Trans-Exclusionary Radical Feminist“. Und Rowling? Sie sieht sich als Opfer eines Shitstorms.

Deswegen verwundert es nicht, dass auch sie den offenen Brief „A Letter on Justice and Open Debate“, veröffentlicht von dem US-amerikanischen Harper’s Magazine, unterzeichnet hat. Rund 150 Personen, ein Who’s who der Kunst-, Kultur- und Wissenschaftsszene, bemängeln darin ein „Klima der Intoleranz“ und fordern mehr Liberalismus in Debatten. Sie seien zwar für Gleichstellung und Inklusion, sehen aber eine Einengung von „freiem Austausch von Informationen und Ideen“.

Und dann holen sie zum Schlag mit dem Hufeisen aus: Wie bei „radikalen Rechten“ konstatieren sie auch in „unserer Kultur zunehmend eine Atmosphäre von Zensur“. Unterschrieben haben den Brief, den die Zeit in deutscher Sprache veröffentlichte, unter anderen der Linguist Noam Chomsky, die Frauenrechtlerin Gloria Steinem und der Jazztrompeter Wynton Marsalis, Schriftsteller:innen wie Margaret Atwood, Daniel Kehlmann oder Salman Rushdie sowie Journalist:innen wie Fareed Zakaria und Bari Weiss.

Das Ausmaß überschätzt

Der Brief polarisiert. Neben Beifall aus der „Endlich sagt’s mal einer“-Fraktion gibt es auch harsche Kritik. Die New-York-Times-Kolumnistin Jenny Boylan und die Historikerin Kerri Greenidge zogen ihre Unterschriften bereits zurück. Andere haben trotz Anfrage gar nicht erst mitgemacht. Etwa der Historiker Benjamin E. Park. Er schrieb bei Twitter „Meine unmittelbare Reaktion auf den Harper’s-Brief war, mich an die vielen Studien zu erinnern, die darlegen, wie privilegierte Stimmen immer das Ausmaß überschätzen, in dem marginalisierte Stimmen einen Diskurs dominieren.“

Auch Richard Kim von der HuffPost wollte den Brief nicht unterzeichnen: „Weil ich in 90 Sekunden erkennen konnte, dass es sich um albernes, selbstgefälliges Gefasel handelte.“ Selbstgefällig vermutlich, weil ein Teil der Unterzeichnenden sich von „Zensur“ betroffen fühlt und als Opfer „illiberaler“ Debatten sieht; und das, obwohl die meisten von ihnen über eine enorme Reichweite, genügend Habitus und Vermögen verfügen, um sich in dieser Gesellschaft Gehör zu verschaffen.

Auch Ian Buruma hat unterzeichnet. Der bekannte Autor und Journalist wurde von New York Review of Books gekündigt, nachdem er einen Essay des Musikers Jian Ghomeshi veröffentlicht hatte – diesem wird von mehr als zwanzig Frauen sexuelle Belästigung vorgeworfen. Und eine andere Unterzeichnerin, Bari Weiss, Meinungsredakteurin der New York Times, meldete angeblich eine Schwarze Redakteurin bei ihrem Vorgesetzten, weil diese keinen Kaffee mit ihr trinken wollte – und wurde dafür öffentlich kritisiert. Es gibt noch viele weitere dieser Beispiele.

In der Argumentation bleibt der Brief jedoch unspezifisch: „Redakteur_innen werden entlassen, weil sie umstrittene Beiträge gebracht haben; Bücher werden wegen angeblichen Mangels an Authenti­zität zurückgezogen; Journa­list_in­nen dürfen über bestimmte Themen nicht schreiben; gegen Pro­fes­­so­r_innen wird ermittelt, weil sie im Unterricht gewisse literarische Werke zitiert haben“, heißt es da. Namen und Kontexte werden ausgelassen, doch gerade der Kontext ist in der Debatte entscheidend.

Keine Gesprächseinladung

Mit entlassenen Redakteu­r:in­nen beziehen sich die Brief­schrei­ber:innen vermutlich auf die Kontroverse, die es kürzlich um den ehemaligen Meinungschef der New York Times, James Bennett, gab. Dieser war für ein Stück des republikanischen Senators Tom Cotton verant­wortlich, das unter der Überschrift „Send In the Troops“ für den Einsatz des Militärs gegen die Black-Lives-Matter-Proteste warb.

Nach scharfer Kritik daran wurde Bennett jedoch nicht gefeuert, sondern er trat zurück. Der Artikel wurde nicht nur wegen seiner Bedrohlichkeit für die Schwarze Bevölkerung kritisiert, sondern auch wegen sachlicher Fehler, was später von der New York Times eingeräumt wurde. Zudem gab James Bennett zu, dass er den Beitrag vor der Veröffentlichung nicht gelesen habe.

Dieser offene Promi-Brief ist mit seiner verkürzten Argumentation keine Gesprächs­einladung, sondern er belässt es bei Geraune. Man könnte ihn also schlicht ignorieren, doch reiht er sich ein in eine seit Jahren andauernde Debatte über vermeintliche Sprechverbote, „Cancel Culture“ (ein Begriff aus den USA für einen vermeintlichen Onlineboykott von Personen oder Unternehmen, dessen Konsequenzen ins Analoge reichen), „Political Correctness“ und „Identitätspolitik“, in der die immer gleichen Argumente neu aufgelegt werden.

Denn – hier muss man dem Brief zustimmen – die Debattenkultur hat sich in den letzten Jahren verändert. Auch dank sozialer Medien haben sich Reichweiten verschoben. Die Teilnehmer:innen an den Debatten sind vielfältiger geworden. Die Stimmen marginalisierter Menschen können stärker wahrgenommen werden. Die Intellektuellen sehen sich nun offenbar mit Stimmen konfrontiert, denen sie vorher schlicht und ergreifend nicht zugehört haben, nicht zuhören mussten.

Es geht um die Deutungshoheit

Darin, dass sich mehr Stimmen am öffentlichen Gespräch beteiligen, „Sprechverbote“ oder „Klima der Intoleranz“ sehen zu wollen, ist einigermaßen absurd. So wies der US-amerikanische Autor Ta-Nehisi Coates 2019 in einem Essay in der New York Times da­rauf hin, dass „Cancel Culture“ schon immer existiere, allerdings als Privileg der Mächtigen. Durch soziale Medien sei die Kultur demokratisiert worden. Die Unterzeichneten reagieren also wohl eher auf den Verlust der eigenen Deutungshoheit als auf ein „Redeverbot“.

Das Narrativ, aus Angst vor Rassismusvorwürfen nichts mehr sagen zu können, wird nicht nur in den USA, sondern auch in deutschen Feuilletons immer wieder bedient. Doch ist es nicht etwas Positives, wenn rassistische Äußerungen nicht (mehr) unwidersprochen in die Welt hinausposaunt werden können? Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Gut in einer Demokratie, doch Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, keinen Widerspruch aushalten zu müssen.

Zugegeben, der Ton in sozialen Medien kann hart sein, und ein Shitstorm, der sich erst durch seine eher explosive Form definiert, ist keine angenehme Form des Diskurses. Doch erstens ist nicht jede geäußerte Kritik gleich ein Shitstorm, und zweitens bleibt marginalisierten Menschen häufig kein anderer Weg, außer sich als Masse Aufmerksamkeit zu verschaffen. Es ist eine Selbstermächtigungsstrategie, die Machtunterschiede deutlich machen will. Kritik hat selbstverständlich ihre Grenzen, etwa wenn es um Drohungen geht.

Wut und Schmerz

Robert E. Reich, US-amerikanischer Jurist und Professor an der University of California, Berkeley, fasst es so zusammen: „Ich habe abgelehnt, den Harpers Brief zu unterschreiben, weil „Trumpism“, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Sexismus solch einen freien Lauf und unheilvollen Einfluss hatten in den letzten Jahren, dass wir den Ausdruck von Wut und Schmerz, der endlich gehört wird, ehren und respektieren sollten.“

Denn was die Unterzeich­ne­r:in­nen des offenen Briefes in ihrer Argumentation vollkommen außer Acht lassen, sind bestehende Machtverhältnisse und wer in der Realität ein „Klima der Intoleranz“ erlebt. Die Auseinandersetzung mit den jeweiligen eigenen Privilegien wäre jedoch die Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Debatten auf Augenhöhe.

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50 Kommentare

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  • Wieder so ein Text, der eigentlich nichts sagt, sondern Argumente mit Beleidigungen abbügelt. Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie man nicht Argumente widerlegt, sondern wie man Menschen attackiert.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Da heutzutage allein Verdächtigungen von Rassismus, allgemeinem Fehlverhalten, Machtausnutzung oder gar sexueller Übergriffe ausreichen um jmd. medial zu zerstören, liegen die "Cancel Culture" Leute nicht ganz daneben.

    Früher waren es noch Gerichte die entschieden haben, ob jemand Schuldig ist oder nicht. Heutzutage machen das die sozialen Medien schonmal vorab. Die Fortsetzung dieses Trends kann man u.a. in einer "Black Mirror" Folge, oder bei "The Orville" sehen.

    Andererseits sind Anschuldigungen gegenüber einem Vertreter der eigenen Fraktion erst einmal nur Anschuldigungen und müssen erstmal erwiesen werden. Und selbst dann gibts manchmal noch relativierende Begründungen.

    Zweierlei Maß halt. Menschen.

  • Bemerkenswert! Im Opferwettbewerb gibt es eine neue Gruppe von Konkurrenten ... Opfer der Cancel Culture.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - läßt gehn -

    “ Hier ist was los: „Durch soziale Medien sei die Kultur demokratisiert worden." Haha







    Zufällig soeben gelesen: Theodor W. Adorno: "Aspekte des neuen Rechtsradikalismus" (1967) in die Jetztzeit geholt von Volker Weiß (2019)



    www.buecher.de/sho.../prod_id/56046132/







    "Nach knapp drei Jahrzehnten digitaler Kommunikation lässt sich feststellen, dass sich die Hoffnunf auf einen technisch vermittelten Demokratieschub nicht erfüllt, solange der kulturindustrielle Rahmen von Kitsch und Spektakel dominiert." (Volker Weiß in seinen Schlussbemerkungen)







    "The Medium is the message." Mal wieder. Letzte Steigerungsform "Soziale Medien". PÜPPI VON WEGEN hat es schon gut formuliert.



    taz.de/Offener-Bri...bb_message_3982429

    kurz - Sach mal so - Kult?



    “ Ein bis heute populärer Kalauer aus den Werner-Comics der 1980er Jahre, damals dauerhaft in den deutschen Bestsellerlisten, ist ein lautmalerisches Wortspiel, in dem die Titelfigur Werner bestreitet, entgegen Medienberichten eine Kultfigur zu sein. „Kult“, so Werner, mache hier nur der Bauer Horst mit seinem Lanz, mit „Kult-Kult-Kult-Kult …“ wurde in der zugehörigen Zeichnung das typische Motorengeräusch des Lanz Bulldog präsentiert.“

    So - geit dat. Lanz - nich by Peter Unfried



    Nö. de.wikipedia.org/wiki/Lanz_Bulldog

    Na Mahlzeit

    • @Lowandorder:

      Genau, der "kulturindustrielle Rahmen" hat sich wenig verändert.



      Schon peinlich, wenn im heutigen Diskurs der Hinweis auf Absatzmärkte und Verwertungsinteressen gar nicht mehr auftaucht. Siehe Murdochs Killermedien, Fox News, Trump Tweets oder die Selbstzensur 'sozialer' Medien, um in Diktaturen präsent zu sein.

      Horkheimer und Adorno haben davon schon vor 80 Jahren gesprochen, Marx, der alte Besserwisser, noch eher. Brecht, nie um eine theatralische Geste verlegen, lobte die Eigenwerbung einmal so:



      G.B. "Shaw hat empfohlen, dass man, um sich über irgendeine Sache wirklich freimütig äußern zu können, zuerst unbedingt eine gewisse angeborene Furcht zu überwinden habe: die, anmaßend zu sein...(und er hat es ohne Furcht vor Berühmtheit getan. Er ist sich klar, dass unter dem Arbeitsgerät eines ehrlichen Mannes auf keinen Fall ein so wichtiges Utensil wie die Reklametrommel fehlen dürfe)." Brecht Schriften 5, Aufbau Verlag

  • es geht doch nicht darum, wer sprechen darf (so kommt mir die Argumentation vor, dass jetzt endlich die früher Ausgeschlossenen zu Wort kommen, denen man nicht zuhören wollte), sondern wie man spricht (oder ob überhaupt noch). Und da hapert es gewaltig.

    Drohungen, Arbeitsplatzverlust, Bezeichnung linker und liberaler als Nazis (von Wagenknecht über wen auch immer zu Lindner und Kubicki) - das hat nichts mehr mir Argumentation zu tun, sondern nur noch damit, sich gegenseitig Schimpfworte um die Ohren zu knallen.

    Das gewissermaßen Tragische (aber irgendwie dann auch verdient) - wenn ausgerechnet Linke glauben, sie könnten "Macht ausüben und wirtschaftlichen Druck" machen. Das hat vielleicht kurzfristig im heutigen Meinungsklima Erfolg - aber längerfristig kommt mir das sehr gefährlich vor. Man kann relativ sich davon ausgehen, dass es weit mehr Reiche gibt, die nach rechts tendieren - und sollte die Stimmung mal kippen und es den Leuten schlechter gehen, so dass es um die Existenz und nicht mehr um Moral geht (siehe 1925 bis 33) - dann wird es sehr bitter, wenn die Macht entscheidet und man sich von demokratischen und diskursiven Elementen der Diskussion verabschiedet hat und es nur noch um Macht geht.

  • "Und dann holen sie zum Schlag mit dem Hufeisen aus: Wie bei „radikalen Rechten“ konstatieren ..."

    Hufeisenweitwurf beherrscht wohl auch Frau Schwarz wenn sie dazu argumentativ ihren Artikel mit dem Zitat Robert E. Reichs ausklingen lässt: "Ich habe abgelehnt, den Harpers Brief zu unterschreiben, weil „Trumpism“, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Sexismus ..."

  • Hier ist der beste Beitrag über cancel culture bis dato von der wunderbaren Ayishat Akanbi!

    www.youtube.com/watch?v=N3ZjTg1OpIE

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Kubatsch:

      Vielen Dank. Der Zusammenschnitt trifft es sehr gut.

  • "...gekündigt, nachdem er einen Essay des Musikers Jian Ghomeshi veröffentlicht hatte – diesem wird von mehr als zwanzig Frauen sexuelle Belästigung vorgeworfen."

    JG war radiohost in Kanada. Ihm wurde wiederholte Vergewaltigung vorgeworfen, Anschuldigungen, die im Gericht wegen ständig ändernder Aussagen und großen Inkonsistenzen der Zeuginnen(milde gesagt) zerfallen sind.



    Er wurde von allen Vorwürfen freigesprochen, aber natürlich Wochen nachdem sein Fall und seine Person "im Gericht der social media" komplett zerstört wurde.

    Diesen Fall zu nehmen und den offenen Brief aus dieser Perspektive zu kritisieren macht kein gutes Bild.

    "Auch Ian Buruma hat unterzeichnet. Der bekannte Autor und Journalist wurde von New York Review of Books gekündigt, nachdem er einen Essay des Musikers Jian Ghomeshi veröffentlicht hatte..."

  • Die zeitgeistige Überzeugung, dass es nur Widerspruch ist, der heute vermehrt vermeintlich falsche Meinungen zurückweist, macht es sich zu einfach.

    Die bürgerlich radikale Mitte hat meiner Wahrnehmung nach erhebliche Probleme mit alternativem Denken und die Beurteilungsschablone für gut und schlecht wird immer enger.

    Alternative Meinungen werden oft mit Totschlagargumenten zurück gewiesen, von Debatte keine Spur. Beispielsweise wird Kritik an der rechtsnationalistischen israelischen Regierung mit dem Totschlagargument "Antisemitismus" abgefertigt.

    Es gibt keine Denkverbote, die Meinungsfreiheit ist nicht eingeschränkt. Aber alles, jenseits des bürgerlich radikalen Mainstreams, wird mit allergrößter Diskussionsverweigerung bedacht, die verharmlosend als "Widerspruch" bezeichnet wird. Dabei ist das nichts anderes als die Durchsetzung einer schmalspurigen, zeitgeistigen Deutungshoheit.



    Die dringend notwendigen inhaltlichen Auseinandersetzungen über die Frage, wie wir Zukunft gestalten wollen, ist unter den gegebenen Umständen kaum möglich im Sinne eines demokratischen Lösungsanspruches.

    • @Rolf B.:

      In Ihrem gesamten Text wird kein einziger konkreter Akteur benannt. Zum Großteil Passivkonstruktionen, und wenn jemand handelt, dann wird er mit einem wolkigen Massenbegriff bezeichnet, dessen Extension im Dunkeln bleibt. Das ist sehr zeitgeistig.

      • @mats:

        Ich wüsste nicht, was ein "konkreter Akteur" in meinem Text zu suchen hätte. Dass Sie ihn vermissen, konnte ich nicht ahnen.

        Mein Text ist gegen den Zeitgeist gerichtet, historische Implikationen durch Betroffenheit zu ersetzen und Meinungen (wie Sie es hier tun) zu katalogisieren in gut und schlecht.

        Auch Sie setzen sich nicht mit (meiner) Meinung auseinander und diskutieren rein formal. Das liest sich zwar nett, ist jedoch letztendlich Diskursverweigerung.

        • @Rolf B.:

          Ich denke, wir leben in zwei unterschiedlichen Welten. Und Sie offensichtlich in einer Welt, wo zeitgeistige Empörung über z.B. bestimmte Straßennamen oder Denkmäler und deren Beseitigung auch dann durchgesetzt werden soll, wenn dies keinen Sinn ergibt.



          In Köln erleben wir gerade eine Art Bereinigung der Mohrenstraße, die an (einen) maurische(n) Mertyrer erinnert. Die historischen Umstände der Namengebung spielen für die Abschaffer des Straßennamens offensichtlich keiner Rolle.

          Aber woher wissen Sie, dass ich mich da nicht einmische und versuche, mit den "Bilderstürmern" zu reden?



          Und überhaupt. Was wollen Sie mit Ihren Fragen bewirken? Ich betrachte sie im Rahmen dieser Kommentarseite als sinnbefreit.

          • @Rolf B.:

            Ich will überhaupt nichts im Vorhinein über Sie wissen. Darum stelle ich Fragen.

            Ich spekuliere auch nicht öffentlich darüber, in was für einer Welt Sie leben.

            Meine Einstellung zu Bilderstürmern können Sie gar nicht kennen, ich habe sie nirgendwo kundgetan.

            Dies wäre eigentlich der Anfang eines Dialogs und nicht dessen Ende ...

            • @mats:

              Bisher kannte ich nur Belehrungen Ihrerseits und Forderungen, wie ich wo mit wem diskutieren sollte. Da kann ich nur spekulieren, was Sie letztendlich wollen und was Sie INHALTLICH vertreten. Und deshalb vermutete ich, dass wir in unterschiedlichen Wahrnehmungsbenen leben. Aber vielleicht haben Sie ja auch Ihre Probleme mit den "Bilderstürmern".

          • @Rolf B.:

            War für @ MATS

        • @Rolf B.:

          Von "gut" und "schlecht" hab ich nix geschrieben.

          Nennen Sie doch mal konkrete Akteure! Was wissen Sie über die? Was wissen Sie über deren Beweggründe? Woher wissen Sie, dass diese "historische Implikationen durch Betroffenheit ... ersetzen"?

          Sie sollen nicht mit mir auseinandersetzen, sondern mit den Menschen, über die Sie hier Aussagen treffen. Sonst bleiben diese Aussagen Vermutungen. Das ist nicht formal, das ist normal alltäglich argumentiert. Wenn ich Ihnen erzählen würde, in unserer Stadt oder Gemeinde sei ja Vetternwirtschaft der Zeitgeist, dann frage Sie mich doch auch, wen oder was ich konkret meine -- sofern wir nicht gemeinsam sowieso 15 Beispiele kennen. Und dann ist immer noch die Frage, was "kennen" wirklich heißt ... wissen vom Hörensagen? Selbst im Stadtrat erlebt? Und und und ...

    • @Rolf B.:

      Seh ich genauso. Auch ich halte die aktuelle Diskursverweigerung und die Nichtakzeptanz abweichender oder unbequemer Meinungen für gefährlich.

      Das seh ich aber nicht nur in der "radikalen Mitte", sondern auch in großen Teilen der modernen Linken. Da teilweise sogar noch radikaler.

      Es mag keine gesetzlichen Denkverbote geben, es reicht aber heute oft eine unglückliche Äußerung, eine abweichende Meinung oder eine simple Behauptung Dritter, um einen Menschen an einen öffentlichen Pranger zu stellen und einem Shitstorm preiszugeben.

      So vereinfachend, wie das als "Widerspruch" rechtfertigt wird, so sehr verweigert man sich selbst gegen jeden noch so kleinen Widerspruch.

      BTW. Früher stand auf Flyern und Plakaten linker Clubs oft der Spruch "No Gods, No Masters", oder "No Racism, No Sexism, No Homophobia". Heute steht da ganz oft unten drunter "No Discussion". Damit ist alles gesagt und abgeschlossen.

      • @Deep South:

        Danke an @ROLF B. und @DEEP SOUTH! Ich beobachte das gleiche und das derzeitige von "Linken" gelebte "No discussion" beunruhigend mich doch sehr.

      • @Deep South:

        Um Missverständnisse zu vermeiden:



        Die von mir so bezeichnete radikale Mitte verortet sich selbst i.d.R. als links und liberal. Ich vermeide den Begriff links deshalb, weil für mich Linke nichts mit der eher kleinbürgerlich geprägten doppelmoraligen Empörungskultur der radikalen Mitte zu tun haben wollen.

        • Bruno , Moderator
          @Rolf B.:

          Bitte achtet auf einen respektvollen Umgang.

  • 0G
    01349 (Profil gelöscht)

    Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist das Buch "Them and Us" von Arthur J. Deikman.

    Oder auch der Essay "Censorship" von Doris Lessing, zu finden in "Time Bites."

  • "Doch ist es nicht etwas Positives, wenn rassistische Äußerungen nicht (mehr) unwidersprochen in die Welt hinausposaunt werden können? Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Gut in einer Demokratie, doch Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, keinen Widerspruch aushalten zu müssen."

    Der Vorwurf des Rassismus ist heute nicht einfach 'nur Widerspruch'. Er ist eine machtvolle Waffe. Er kann zu Arbeitsplatzverlust führen, und zu sozialem Tod.

    Wer - und auf welcher Grundlage - entscheidet, was eine 'rassistische Äußerung' ist? Irgendeine Äußerung, 'die als rassistisch interpretiert werden könnte‘? Schon das Fragen nach der Herkunft eines Menschen? Der identitätspolitische Rassismusbegriff (Critical Race Theory, White Fragility) ist bekanntlich weit, sehr weit - ZU weit. Hier sind letztlich ALLE Weißen 'rassistisch' – und somit potentielle Opfer des Vorwurfs. Und sie tun gut daran, dies bei all ihrem Sprechen und Handeln zu bedenken.

    Ja, 'Widerspruch' gehört unbedingt zur demokratischen Gesellschaft - so wie auch unbequeme Meinung dazu gehört, ja auch potentiell 'verletzende' Äußerungen gehören dazu - denn gerade sie sind in der liberalen Gesellschaft der ERSATZ für Gewalt.

    'Verbaler Widerspruch' gegen 'verbale Äußerungen'- so soll es sein. Nur das bringt uns weiter. Aber nicht die Vernichtung von Existenzen wegen verbaler Äußerungen. Oder die Androhung derselben.

    Die Logik von Coates überzeugt nicht: Selbst angenommen, daß ‚Cancel Culture‘ bisher ein Privileg der Mächtigen war: Soll daraus abgeleitet werden, daß die ‚Gegenseite‘ nun auch zur Cancel Culture greifen solle?

    Beispiele für Cancel Culture:



    Die Vertreibung des linken (jüdischen) Profs Bret Weinstein vom Evergreen State College wegen ‚Rassismus‘.



    www.youtube.com/watch?v=FH2WeWgcSMk



    Die Entlassung des Google Programmierers James Darmore wegen ‚Sexismus‘.



    www.youtube.com/watch?v=VCrQ3EU8_PM



    Aktuell: Der Linguist Steven Pinker.



    www.youtube.com/watch?v=-erKC_TT9dQ

    • @Weber:

      Hier ist sie schon, die Chinäre von "denen", die "sowas" tun, und "jenen", die "sowas" erleiden: Ein Prof, der unverschuldet in einem über Monate eskalierenden Campus-Streit zur Zielscheibe wird, dann ein Interview bei FoxNews gibt und anschließend das College auf 3,8 Mio. $ verklagt. Ein Tech-Spezialist, der von seiner Firma gefeuert wird, weil er gegen den Code of Conduct des Unternehmens verstoßen hat. Oben natürlich noch die Bestseller-Autorin, die täglich zu Themen twittert, für das sie jedenfalls nicht als Spezialistin ausgewiesen ist, und die dort ebenso austeilt, wie sie einstecken muss.



      Und all diese aus der ganzen Welt zusammengewürfelte Personen und Ereignisse kriegen jetzt ein neues Diskurskonstrukt übergebraten, die "Cancel Culture". Wobei nur die "Opfer" prominent dargestellt sind, die Stimmen der "Angreifer" überhaupt nicht vorkommen, und dazwischen die tatsächlich entscheidenden Organisationen (College, Google, Twitter) generell ignoriert werden.

      Halleluja!

    • @Weber:

      Das Video und die Geschichte von Bret Weinstein habe ich schon vor einiger Zeit gesehen. Das ist so abartig und erschreckend, was da geschehen ist, dass ich fast geheult habe.

      Wer es etwas kürzer haben möchte, dem empfehle ich das hier. Die linke Aktivistin Marianne Williamson erklärt (sie weiß nicht, dass die Kamera läuft), dass sie es nicht für möglich gehalten hätte, dass die Linke fieser und gemeiner sein könnte, als die Rechte. Aber es ist so. Sie werde von Fox-News und den Konservatives besser behandelt als von ihren vermeintlich eigenen Leuten.

      www.youtube.com/watch?v=ZfCO8hr1f-Y

      • @Gustavo Cortes:

        Marianne Williamson ist die "crystal Lady". Sie ist eine Esoterikern, die auf Seite der Demokraten für das Präsidentschaftsamt kandidierte; ohne jedwede politische Erfahrung.

        Eine Esoterikerin als US Präsidentin?

        Ja, warum denn nicht?

        Sie hatte sogar eine Plattform, die ihr zum Sieg hätte verhelfen können. "Love not hate" nannte sie es; es bestand im wesentlichen daraus die Aktivisten des "womens march" in die konkrete Politik mit einzubeziehen.

        Sie war die einzigste Präsidentschaftskandidatin, die dies tat. Unglücklicherweise ist es aber so: sich als Außenseiter beim RNC durchzusetzen ist schwer genug. Sich als Außenseiter beim DNC durchzusetzen ist unmöglich. Dies ist auch der Grund warum Trump 2015 als Republikaner ins Rennen ging; man mag es kaum glauben aber er steht politisch den Demokraten näher; letztlich: er ist ein Milliadär aus NY. :-)

        Aber zurück zu Williamson. Sie genoss nicht das Wohlwollen des DNC, deswegen wurde sie bereits gecancelt bevor die Vorwahlen überhaupt anfingen. Genau wie Tulsi Gabbard.

        Andere Kandidaten wie z.B. O'Rourke, Harris, Warren und auch Sanders haben an der Wahlurne verloren. Aber Williamson und Gabbard wurden sabotiert, oder halt gecancelt.

        Wenn die Cancel Culture also bereits die höchste Ebene der Politik betrifft, was geht dann erst bei "Otto Normalbürger" ab? Wieviele Leben wurden bereits zerstört?

  • Ich sehe das Problem vor allem darin, dass überhaupt kein Dialog mehr gesucht wird. Auch in diesem Artikel nicht. Gleich zu Anfang schreibt Carolina Schwarz:



    "Rowling deutet etwa an, dass Transfrauen keine Frauen seien und dass Transaktivismus dem Feminismus schade. Hormontherapien setzte sie mit den in Deutschland für Minderjährige seit diesem Jahr verbotenen Konversionstherapien gleich, die dazu dienen sollten, homosexuelle Menschen von ihrer Sexualität zu „heilen“."



    Das ist alles ziemlich falsch dargestellt. Verkürzt ist da noch milde ausgedrückt – nein, es ist schlicht falsch. JK Rowling hat nichts davon wirklich gesagt/geschrieben. Sie hat einen 20 Seiten langen Essay in ihr Blog gestellt und all diese Fragen vielschichtig beleuchtet, ihr Gewissen und ihre Einstellung erklärt und hinterfragt, Gesprächsangebote gemacht usw. Reaktion? "Sie ist transphob, kauft nichts mehr von ihr, sie soll endlich den Mund halten …"



    Klar, das tut JK Rowling nicht weh, ich habe auch kein Mitleid mit ihr, aber warum gibt es nur noch suupergut und gaaanz böse?

    • @Ingo Herzke:

      "Klar, das tut JK Rowling nicht weh, ich habe auch kein Mitleid mit ihr, aber warum gibt es nur noch suupergut und gaaanz böse?"

      Hallo, ansonsten volle Zustimmung, aber wie kommen Sie darauf? Warum sollte ihr das "nicht weh tun? Weil Superreiche bekanntlich kein Schmerzempfinden haben? Es wird ihr finanziell nicht schaden, vielleicht haben sie das gemeint. Emotional ist sie ein Mensch wie jeder andere.

      • @Amandas:

        "Es wird ihr finanziell nicht schaden, vielleicht haben sie das gemeint. Emotional ist sie ein Mensch wie jeder andere."



        Ja, ganz richtig, so habe ich es gemeint – nicht sehr sensibel ausgedrückt. Allerdings vermute ich auch, dass sie nach allem, was sie schon so erlebt hat in ihren 55 Jahren, emotional ein wenig gefestigter ist als viele ihrer Hater*innen.

  • "Durch soziale Medien sei die Kultur demokratisiert worden."

    Die gerühmten "sozialen Medien" sind aber leider nicht sozialisiert worden, sondern sie gehören privaten Großkonzernen die mit staatlichen Geheimdiensten zusammenarbeiten. Der Diskurs findet über Plattformen ohne jegliche demokratische Entscheidungsmacht der User statt. Mir ist unbegreiflich, wie Journalisten das feiern können.

  • "Durch soziale Medien sei die Kultur demokratisiert worden."



    Was für ein Trugschluss, sie wurde zutiefst kommerzialisiert und unterliegt nun Algorythmen - die Gatekeeper sitzen nun nicht mehr in Verlagshäusern, sondern in Technologierfirmen.

  • Danke für den klugen und gut argumentierten Beitrag, Frau Schwarz!

  • "den Ausdruck von Wut und Schmerz, ehren und respektieren" ... wenn das zur Grundlage eines "Diskurs" gemacht wird, dann Gutnacht & Aufklärung ade. Überzeugender lässt sich die Notwendigkeit der Warnung vor einer Einschränkung der "open debate" nicht illustrieren.

  • www.youtube.com/watch?v=OjMPJVmXxV8

    Wunderbares Video zum Thema von einer Transfrau, die selbst Opfer von Canceling wurde

  • www.spiegel.de/kul...9427-44017249a1fe#

    sehr guter Artikel zum Thema

  • Ziemlich peinlich. Diese "Cancel Culture" die dort moniert wird, gibt es doch so gar nicht. Es handelt sich um ein so genanntes "Strohmann-Argument", eine vereinfachte und verzerrte Darstellung der tatsächlich in entsprechenden Kreisen vertretenen Positionen.

    • @Existencielle:

      "vermeintliche Sprechverbote, „Cancel Culture“ (ein Begriff aus den USA für einen vermeintlichen Onlineboykott von Personen oder Unternehmen, dessen Konsequenzen ins Analoge reichen), „Political Correctness“ und „Identitätspolitik“, in der die immer gleichen Argumente neu aufgelegt werden."

      "Vermeintliche" Sprechverbote lasse ich mal durchgehen. Es sind natürlich keine gesetzlich verordneten Sprechverbote.



      "Vermeintliche" Boykotte dagegen ist schlicht falsch. Es gibt diese Boykotte nach vorausgehenden Boykottaufrufen.



      Und nebenbei bemerkt: Die gehäufte Verwendung des Wortes "vermeintlich" macht einen Text nicht unbedingt prägnanter.



      "...die immer gleichen Argumente neu aufgelegt werden..."



      jedes einzelne "Argument" in Artikel und Kommentaren habe in exakt dem gleichen wording schon anderswo gehört. Cancel Culture gibt's gar nicht - check.



      In Wirklichkeit müssen Prominente nur "Widerspruch" aushalten - check. Das "Narrativ, das "bedient" wird - check. Die "Privilegien, die erstmal gecheckt werden müssen - check.



      Man könnte beinahe meinen ein Bot hätte diesen Text geschrieben.

    • @Existencielle:

      Es geht beim cancelling nicht um 'Positionen'. Es geht um Aktionen. Und die gibt es

      • @Amandas:

        Ich bin in der Sache ziemlich unbeleckt.

        Wenn es Beispiele für Cancel Culture gibt, dann Butter bei die Fische.

        • @Jim Hawkins:

          Ich helfe gern:

          "Der kleine, niedersächsische Ankerherz-Verlag setzt sich seit Jahren gegen Pegida und für Flüchtlinge und Seenotrettung ein. Dafür erhielt der Verleger Stefan Kruecken eine Zeit lang fast jede Woche eine Morddrohung. Nach einem positiven Facebook-Post über die deutsche Polizei-Arbeit bekommt der ehemalige Polizeireporter Kruecken jetzt Gegenwind aus einer ganz anderen Richtung: Er wird von der Antifa bedroht."

          www.ndr.de/kultur/...,ankerherz104.html

          • @Gustavo Cortes:

            OK, das ist hässlich. Ähnlich hat es die Linke-Politikerin Sarah Rambatz getroffen. Die hat nach Shitstorm und Bedrohungen jeder Art erst die Wohnung und dann die Stadt gewechselt.

        • @Jim Hawkins:

          ich poste den link hier nochmal, einfach weil es das beste ist, was ich zu dem Thema kenne. Achtung, sehr lang, nix für zwischendurch. Aber auch sehr unterhaltsam. www.youtube.com/watch?v=OjMPJVmXxV8

  • Es geht doch hier nicht darum bisher nicht gehörte Stimmen zum Verstummen zu bringen. Es geht z.B. darum, das jemand, die mit guten soziologischen und biologischen Begründungen die Position vertritt, das Transfrauen keine Frauen sind bereits als transphob abgestempelt deplatformed und mit Hassmails überflutet und ihr die Ehrendoktorwürde verweigert wird etc. pp. Es geht darum, dass für Einstellungen an Middle Eastern Studies Departments amerikanischer Unis die Haltung zur Israel-Palästina-Frage wichtiger ist, als die akademische Qualifikation (Nelson, Cary. No University Is an Island: Saving Academic Freedom. Cultural Front. New York:



    New York University Press, 2010). Es geht um die Haltung, dass wichtiger ist, wer etwas wie sagt, als was gesagt wird. Dass neoliberale Adminstratoren an US-Unis vermeintlich progressive Politik benutzen, um die Freheit der Wissenschaft systematisch zu untergraben ist inzwischen ein ausgewachsenes Problem (Ginsberg, Benjamin. The Fall of the Faculty The Rise of the All-Administrative University and Why



    It Matters. New York: Oxford University Press, 2011). Aus diesen Beispielen spricht der Ungeist Robespierres, an dem Linke und Liberale nichts zu feiern finden sollten.

  • Die Autorin trifft den Punkt: Es ist das Hinwegsprechen über andere über die Belange dieser anderen, das nicht mehr funktioniert. Gut so!

    • @mats:

      Ich sage mal so: Das war vielleicht noch gut, wenn es die "echten" Rassisten, Sexisten, Rechten usw. treffen würde. Tut es aber nicht. Diese von Linken betriebene Cancel-Culture trifft so gut wie immer andere Linke. Sehen Sie nach. Alle in dem Artikel sowie wie den Kommentaren genannten Opfer der CC sind Linke und keine Rechten.

      Damit reiht sie sich perfekt ein in die alte Tradtion von "Die Revolution frisst ihre Kinder". Die meisten Opfer in den kommunistischen Kerkern waren Kommunisten. Die meisten Opfer radikaler Muslime sind moderate Muslime.

      Ach was machen wir uns gerne darüber lustig, wie dumm alles Rechte ist...Wirklich? Ich sehe irgendiwie keinen rechten Twitter-Mob, der seine eigenen Leute bei deren Arbeitsgebern anschwärzt.

      • @Gustavo Cortes:

        Es ist auch hier im Forum so, wie ich sage: Es werden munter Opfer der Cancel Culture aufgelistet, es wird sich über die jakobinischen Angreifer empört, die Denunzianten, die Karriere- und Existenzzerstörer, die linken Bruder- und Schwestermörder, es werden munter Motive und Haltungen unterstellt -- aber zu Wort kommen diejenigen nicht.

        Haben Sie sich mal gefragt, wer "die" eigentlich sind? Was sie umtreibt?

        Aber gefragt wird nicht, man weiß immer schon alles über "die".

        Da ist es, das Hinwegsprechen über andere. Dialog geht anders.

  • Besten Dank an die Redakteurin, dass sie uns hier so eindrücklich die dringende Notwendigkeit dieses offenen Briefes veranschaulicht.



    Besser hätte ich es auch nicht erklären können ...



    Grüße aus der linken Ecke.

  • Wieso sollten Leute aus dem rotgrünen Milieu grundsätzlich immun sein gegen totalitäre Tendenzen?

    Etwa weil sie die besseren, überlegenen Menschen sind?

    Wer das glaubt beweist genau das Gegenteil.

    • @Argonaut:

      Natürlich nicht, das ist niemand! Das haben realexistente, sozialistischgestartete Regime ja hinreichend bewiesen. Es ist unheimlich wichtig immer und immer wieder zu hinterfragen, ob man Menschen anderer politischen Überzeugung den nötigen Respekt entgegen bringt und, wenn man denn in einer Machtposition ist, diesen auch Raum für ihre Darstellungen zu geben. Es gibt aber Dinge wie Wissenschaftliche Fakten. Zum Beispiel, dass das Biologische Geschlecht nicht an einem einzelnen Körperlichen Merkmal sondern, je nachdem wen sie fragen, an mindestens 4 Faktoren hängt. Dass bei manchen Menschen diese Marker teils konträr sind und der Mensch somit nicht eindeutig Mann oder Frau ist bestreitet kein seriöser Wissensschaftler.



      Wenn jemand also darauf beharrt die Realität eines relevanten Teils der Gesellschaft zu leugnen, ist das ihr gutes Recht. Wenn diese Leute das kommentieren und sich andere mit ihnen solidarisieren, ist das aber keine Zensur. Es ist der Urzweck des Postens seiner Meinung in Social Media mit Kommentar Funktion, du trittst in Dialog. Wenn die Überwältigende Mehrheit deiner Gesprächspartner auf wissenschaftlichen Fakten beharrt die du nicht akzeptieren möchtest ist das schade für dich und fühlt sich sicher nicht gut an. Das sorgt aber nicht dafür, dass "Alternative Fakten" das Wort Fakt verdienen.