Neuwahlforderungen der CSU: Die lachende Dritte
Auf ihrer Tagung im Kloster Seeon fantasiert die CSU über Neuwahlen. Damit erweist sie der Demokratie einen Bärendienst – und der AfD einen Gefallen.
D ie Ampel hat fertig, tönte Alexander Dobrindt auf der Klausurtagung seiner Partei im Kloster Seeon vollmundig. Und der CSU-Mann hat ja recht, wenn er auf das derzeit armselige Erscheinungsbild der Bundesregierung hinweist.
Unsinn ist es jedoch, wenn Dobrindt behauptet, die Ampel habe ihre Legitimation verloren. Eine Regierung wird nicht durch Umfragen legitimiert, sondern durch Wahlergebnisse. Aber okay: Dass es eine Oppositionsfraktion in Zeiten, in denen sie in Umfragen besser dasteht als alle drei Regierungsparteien zusammen, mit demokratischen Grundsätzen nicht ganz so genau nimmt – geschenkt.
Tatsächlich dürfte die Union wohl Seniorpartner einer neuen Regierung werden, fänden die geforderten Neuwahlen statt. Auch wenn Dobrindt, Söder und Co selbstverständlich wissen, dass ihnen die Ampel diesen Gefallen nicht tun wird. Es ist nicht mehr als das Getöse eines imaginierten Wahlkampfs.
Neuwahlen würden freilich nicht nur die Union an die Macht bringen, sondern aller Voraussicht nach auch der AfD einen beispiellosen Stimmenzuwachs bescheren. Höchst perfide ist es allerdings, diesen jetzt der Ampel anzulasten. Denn die Frage der Verantwortung ist klar: Wer sein Kreuz bei Rechtsextremen macht, darf sich nicht wundern, wenn Rechtsextreme an die Macht kommen. So viel „mündiger Bürger“ muss schon sein.
Wer dagegen einen zu erwartenden Wahlerfolg der AfD der schlechten Politik der Ampel zuschreibt, wie die CSU es tut, relativiert den Rechtsrutsch, gibt ihm recht, zeigt Verständnis, wo es kein Verständnis geben darf. Betreibt letztlich ein unappetitliches Anbiedern an die AfD-Wählerschaft.
Statt Nazis salonfähig zu machen, sollten sich die Christsozialen lieber um einen Schulterschluss aller demokratischen Parteien bemühen. Denn solange Söder und seine Leute in populistischen Parolen den Kulturkampf mit den Grünen beschwören, in Gendersternchen, veganer Kost und der Besteuerung von Agrardiesel eine größere Gefahr sehen als in Rechtsextremismus und Klimakrise, freut sich am Ende nur eine: die AfD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?