Nach Vorwürfen gegen ukrainische-Armee: Ukrainische Amnesty-Leiterin geht
Die Länderdirektorin der Menschenrechtsorganisation legt ihr Amt nieder aus Protest gegen Amnesty-Kritik an ukrainischer Armee.
„Wenn Sie nicht in einem Land leben, in das Besatzer einfallen, die es in Stücke reißen, verstehen Sie wahrscheinlich nicht, wie es ist, eine Armee von Verteidigern zu verurteilen“, erklärte Pokaltschuk. Sie habe versucht, die Leitung von Amnesty zu warnen, dass der Bericht einseitig sei. Sie sei jedoch ignoriert worden.
Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard sagte, sie bedauere den Rücktritt. Zuvor hatte sie erklärt, die Organisation stehe „voll und ganz“ zu ihrem Bericht, und ihre Kritiker pauschal als „Trolle“ bezeichnet.
Neben politischer Kritik aus der Ukraine hatten internationale Experten Rechtsirrtümer bei Amnesty bemängelt. Am Freitag hatte Amnesty-Berichtsautorin Donatella Rovera auf Twitter geschrieben: „Militär sollte sich nicht neben Wohnorten von Zivilisten positionieren. Es gab machbare Alternativen, wie leere Gebäude weiter weg.“
Gefahr des Beschusses von zivilen Zielen
Jack Watling vom britischen Royal United Services Institute (RUSI) schrieb dazu: „Es ist kein Bruch des humanitären Völkerrechts, wenn ukrainisches Militär in dem Terrain steht, das es verteidigen soll, statt in irgendeinem Wald daneben, wo man es umgehen kann. Das ukrainische Militär hat regelmäßig Zivilisten aufgefordert, Kampfgebiete zu verlassen, und ihnen dabei geholfen. Sie dazu zu zwingen, das wäre ein Bruch des humanitären Völkerrechts.“
Andere fürchteten, Amnestys Bericht werde Russland ermutigen, zivile Ziele zu beschießen. Am Samstag schrieb die russische UN-Vertretung in Genf tatsächlich: „Wird ein ziviles Gebäude militärisch genutzt, ist es ein legitimes Ziel für einen Präzisionsschlag. Die Ukraine tut dies.“
Scharfe Kritik kam von Journalisten, die in der Ukraine Fronterfahrung haben oder mit Amnestys Recherchen in Berührung gekommen waren. Der US-Journalist Neil Hauer schrieb: „Im Mai hielt sich Donatella mehrere Tage lang in demselben Hotel in Kramatorsk auf wie wir. Es war aus Gesprächen völlig klar, dass sie eine Agenda hatte, nämlich gegenhalten und ‚eigentlich ist die Ukraine genauso schlimm‘, bevor sie überhaupt ihre Feldarbeit begann.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker