Miss Germany 2024 Apameh Schönauer: „Es geht um die innere Schönheit“
Apameh Schönauer ist mit Hass konfrontiert. Im Interview erklärt sie ihren Umgang damit und was sie in ihrer Rolle als Miss Germany verändern will.
taz: Frau Schönauer, Sie wurden gerade als Miss Germany ausgezeichnet und haben daraufhin online viele Hasskommentare bekommen, teilweise rassistisch motiviert. Was ist passiert?
Apameh Schönauer: Ich bin eine iranische Frau, ich bin nicht etwa 23, sondern 39 Jahre alt. Ich bin außerdem Mutter, ich bin Architektin und ich stehe mit beiden Beinen im Leben. Und ich setze mich für Frauen mit Migrationshintergrund ein und möchte sie stärken. Ich denke, das greift viele Menschen an, besonders Männer.
1985 in Teheran geboren. Mit 6 Jahren floh sie mit ihrer Mutter nach Deutschland, wo sie Ingenieurwissenschaften studierte. Heute ist sie Architektin, Mutter von zwei Kindern und Siegerin von Miss Germany 2024.
Wie gehen Sie mit dem Hass um?
Die Reaktionen von diesen Menschen interessieren mich nicht. Besonders von Menschen, die sich hinter ihrem Rechner verstecken und mit anonymisierten Nutzernamen stumpf Hass verbreiten. Ich bin bereit, mich mit konstruktiver Kritik auseinanderzusetzen und mit Leuten zu sprechen. Aber nicht so. Ich habe damit gerechnet, dass ich Gegenreaktionen bekommen würde, aber dieses Ausmaß hat mich überrascht. Andererseits bestätigt mich der Hass umso mehr darin, wie wichtig mein Ziel ist, Frauen mit Migrationshintergrund zu empowern.
Was hat Sie an der Miss-Germany-Auszeichnung interessiert?
Ich bin vor zwei Jahren Mutter geworden. Als meine Tochter auf die Welt kam, habe ich mich gefragt, was ich mir für sie wünsche. Ich möchte, dass sie eine starke Frau wird, die im Leben steht und ihre Meinung vertritt. Ich habe eine Vorbildfunktion für sie. Dann fingen außerdem im Iran die Proteste um Mahsa Amini an. Diese Frauen, die ihre Kopftücher abnehmen, ihre Haare rasierten, demonstrierten und für ihre Freiheit kämpften, haben mich inspiriert. Ich möchte auch etwas beitragen.
Ist ein Miss-Wettbewerb der richtige Ort dafür?
Die meisten da draußen haben nicht verstanden, dass Miss Germany sich 2019 gewandelt und sich das Konzept des Wettbewerbs grundlegend verändert hat. Der Organisator Max Klemmer hat das traditionelle Konzept einer klassischen Schönheitswahl umgeworfen, das seine Familie vorher lange aufrechterhalten hatte. Es geht dafür jetzt um die innere Schönheit der Teilnehmerinnen. Es geht darum, dass die Frauen, die mitmachen, alle Verantwortung tragen wollen, einen Beitrag leisten wollen und sich in der Gesellschaft für etwas einsetzen.
Was ist es, das Sie durch den Wettbewerb beitragen?
Wenn man Lust hat, Verantwortung zu tragen und ein gesellschaftliches Thema mitbringt, darf man Miss Germany als Plattform nicht unterschätzen. Mir ging es unter anderem darum, dass die Frauen im Iran nicht in Vergessenheit geraten. Die Proteste waren in Deutschland im September 2022 zwar kurz in den Nachrichten, aber dann war das Thema auch durch. Ich möchte junge Frauen auch hierzulande motivieren, sich weiterhin mit Frauenrechten im Iran zu beschäftigen.
Wie lief der Prozess für Sie ab?
Wir Teilnehmerinnen haben eine großartige Entwicklung gemacht. Es gab verschiedene Coachings: Wir bekamen Sprechtraining, haben gemeinsam Sport gemacht und an unserer Bühnenpräsenz gearbeitet. Das war wichtig dafür, dass wir auf der Bühne dann wirklich das sagen und rüberbringen können, was uns dazu bewegt hat mitzumachen.
Wie war die Atmosphäre?
Dadurch, dass jede Kandidatin einen anderen Beweggrund hatte, gab es eher wenig Konkurrenzdenken. Einige wollten mehr gewinnen als die anderen, und natürlich waren dann auch einige etwas enttäuscht, dass sie nicht gewonnen haben.
Und wie fühlt sich der Sieg nun an?
Ich bin sehr, sehr glücklich, dass ich gewonnen habe. Und auch über die vielen bestärkenden Reaktionen.
Sie sind auch Teil eines feministischen Netzwerkes für benachteiligte und unterdrückte Frauen. Worum geht es da?
Genau, das Netzwerk heißt Shirzan, das bedeutet auf Deutsch Löwenfrau. Ich und einige andere Frauen haben es gemeinsam gegründet. Wir organisieren Veranstaltungen, bei denen wir Kunst, Gesellschaft und Kultur zusammenbringen. So können wir darauf aufmerksam machen, was die Frauen im Iran leisten.
Gibt es auch Reaktionen zu Ihrem Sieg aus dem Iran?
Ja, sehr viele, zum größten Teil positiv. Aber auch dort haben viele noch nicht verstanden, dass Miss Germany nicht mehr eine Schönheitswahl per se ist. Ich werde in nächster Zeit viele Gespräche mit vielen verschiedenen Menschen führen müssen, bis es die meisten verstehen, was Miss Germany bedeutet. Und die, die es danach noch nicht verstanden haben, die wollen es vielleicht nicht verstehen. Das ist auch in Ordnung.
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