Militärpolitik in Nordostasien: Japans Aufrüstung empört Nachbarn
China, Nordkorea und Russland kritisieren die von Tokio verkündete „Zeitenwende“, die den japanischen Pazifismus der Nachkriegszeit beendet.
![Militärjets fliegen in einer Formation Militärjets fliegen in einer Formation](https://taz.de/picture/5998853/14/31635586-1.jpeg)
In seiner neuen Sicherheitsdoktrin von Mitte Dezember bezeichnet Japan das Gebaren Chinas in der Region als „größte strategische Herausforderung“ und übernahm damit eine Formulierung des Sicherheitspartners USA.
Nordkorea warf Tokio vor, mit dem Kursschwenk eine ernste Sicherheitskrise auf der koreanischen Halbinsel und in Ostasien zu verursachen. Der „Kriegsverbrecherstaat“ Japan verstoße mutwillig gegen die UN-Charta, erklärte das Außenministerium in Pjöngjang. Die Aufrüstung diene einer erneuten Invasion Koreas. Darauf werde man mit nicht näher präzisierten „Maßnahmen“ reagieren.
Dieser Kritik schloss sich Russland an. Japan ersetze seine jahrzehntelange pazifistische Politik durch „ungezügelten Militarismus“, erklärte das Außenministerium in Moskau. Der Schritt provoziere „unweigerlich“ neue Sicherheitsherausforderungen und erhöhe die regionalen Spannungen.
Tokio will bis 2027 den Wehretat verdoppeln
China und Nordkorea reagierten auf die zwei Änderungen in Japans Sicherheitspolitik. Premierminister Fumio Kishida will zum einen den Wehretat bis 2027 auf zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes verdoppeln. Bislang galt ein Prozent als inoffizielle Obergrenze.
In den nächsten fünf Jahren nimmt Tokio umgerechnet 305 Milliarden Euro in die Hand, um neue Kampfflugzeuge zu entwickeln sowie Drohnen, U-Boote, Langstreckenraketen und Kriegsschiffe anzuschaffen. Durch die neuen Vorgaben würde Japan in der Höhe seines Verteidigungshaushaltes die globale Nummer drei hinter den USA und China.
Zum anderen strebt Japan erstmals die militärische Fähigkeit an, Raketenstellungen auf feindlichem Territorium auszuschalten. Diese „Gegenschlagfähigkeit“ betrachtete man zwar schon länger als zulässige Form der Selbstverteidigung. Aber bisher verzichtete Japan darauf, die entsprechenden Waffen anzuschaffen, weil sie sich auch für Angriffe nutzen ließen und dem Kriegsverbot der pazifistischen Nachkriegsverfassung widersprechen könnten.
Lieber verließ man sich in Tokio bisher auf den atomaren Schutzschild, den die USA über Japan aufspannen. Aber diese Zurückhaltung gibt Japan nun auf, weil China seine Besitzansprüche auf Taiwan sowie die von Japan verwalteten Senkaku-Inseln (chinesisch: Diaoyutai) immer stärker militärisch untermauere.
Japan will 500 Marschflugkörper in den USA kaufen
Ungeachtet der Vorwürfe seiner Nachbarn beteuert Tokio, man wolle keine Militärmacht werden, sondern es gehe nur um Selbstverteidigung. Vorbeugende Gegenschläge sollen nur bei einem Angriff auf Japan erfolgen, wenn ein Angriff auf eine befreundete Nation das eigene Überleben bedroht oder es keine anderen geeigneten Mittel gibt. Dafür will Japan von den USA 500 Marschflugkörper kaufen.
Diese Bewaffnung dient inoffiziell wohl auch dazu, einen Angriff Chinas abzuschrecken, falls die USA bei einem Krieg mit China um Taiwan ihre japanischen Militärbasen nutzen.
Doch Japans Argumente überzeugten selbst den nächsten Nachbarn und Mitverbündeten Südkorea nicht. Die Regierung von Präsident Yoon Suk-yeol verlangte, Tokio müsste sich mit Seoul in allen Sicherheitsfragen beraten, die die koreanische Halbinsel beträfen.
Die Korea Times äußerte in einem Kommentar den Verdacht, rechtsgerichtete Gruppen wollten den früheren Einfluss Japans in Asien wiederherstellen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm