Merz’ Forderungen nach Aschaffenburg: Von Angst getrieben
Nach den Morden in Aschaffenburg fordert Unionskanzlerkandidat Merz, die Grenzen für Geflüchtete dichtzumachen. Eine Steilvorlage für die Rechten.
E s klang fast so, als wollte sich Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz jetzt doch noch etwas von Donald Trump abgucken. Am ersten Tag seiner Amtszeit werde er das Innenministerium anweisen, die Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente abzuweisen, auch Schutzsuchende. Am ersten Tag, anweisen, keine Gnade mit Schutzsuchenden – das hört sich schon ziemlich nach einem von Trumps schnell und zahlreich unterzeichneten Dekreten an.
Nach dem schrecklichen Messerangriff auf eine Kindergruppe in Aschaffenburg, bei dem mutmaßlich ein psychisch kranker Geflüchteter aus Afghanistan zwei Menschen tötete, will Merz damit vor allem eins: Entschlossenheit und Tatkraft zeigen. Denn natürlich hat er Angst, und das zu Recht, dass nach dieser furchtbaren Tat noch mehr Menschen bei der Bundestagswahl ihr Kreuz nicht bei der Union, sondern der AfD machen.
Damit weicht Merz von seinem Kurs ab, in diesem Wahlkampf weniger auf das Thema Migration, sondern vor allem auf Wirtschaft zu setzen. Hintergrund der Überlegung war: Wenn zu viel über Probleme im Bereich Migration gesprochen werde, profitierten vor allem die extrem Rechten. Sich nicht zu Aschaffenburg zu äußern, war für Merz richtigerweise keine Option.
Aber statt dies maßvoll zu tun, bekräftigt er nicht nur die bereits bekannten Forderungen nach Zurückweisungen an der Grenze und einer unbefristeten Abschiebehaft, die beide nach jetziger Gesetzeslage schwierig durchzusetzen sein werden. Er macht die Zustimmung auch noch zur Bedingung für die Bildung einer Koalition: „Kompromisse sind bei diesen Themen nicht möglich.“
Merz treibt die demokratische Mitte in die Enge
Stand jetzt kann Merz all dies nur mit der AfD durchsetzen, einer solchen Koalition aber hat er entschieden und glaubhaft eine Absage erteilt. Mal abgesehen davon, dass er damit den extrem Rechten eine Steilvorlage dafür liefert, die Brandmauer in Frage zu stellen und die Union weiter unter Druck zu setzen: Er treibt zudem die demokratische Mitte in die Enge, die bisher allerdings auch keinen überzeugenden Plan zur Eindämmung solcher Taten vorgelegt hat.
Grundsätzlich sollten, erst recht in einer so angespannten Situation, alle demokratischen Parteien in der Lage sein, miteinander zu regieren. Merz stellt nun Forderungen, die für SPD und Grüne nach ihren bisherigen Aussagen nicht zustimmbar sind – und inszeniert sich auch noch als Basta!-Kanzler, mit dem eine Zusammenarbeit höchst unattraktiv erscheint. Wahrscheinlich setzt er darauf, dass die SPD am Ende kippt – wie 1993 beim sogenannten Asylkompromiss.
Wohin Merz’ Strategie aber führen kann, hat gerade Österreich gezeigt: Da stand die ÖVP, die Schwesterpartei von CDU und CSU, plötzlich ohne demokratischen Koalitionspartner da und will nun dem rechtsextremen FPÖ-Mann Kickl ins Kanzleramt verhelfen. Es ist eine gefährliche Strategie, die Merz da fährt. Österreich sollte ihm eine Warnung sein.
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