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Merz’ Forderungen nach AschaffenburgVon Angst getrieben

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Nach den Morden in Aschaffenburg fordert Unionskanzlerkandidat Merz, die Grenzen für Geflüchtete dichtzumachen. Eine Steilvorlage für die Rechten.

Oppositionsführer friedrich Merz am Donnerstag in berlin Foto: Ebrahim Noroozi/ap

E s klang fast so, als wollte sich Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz jetzt doch noch etwas von Donald Trump abgucken. Am ersten Tag seiner Amtszeit werde er das Innenministerium anweisen, die Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente abzuweisen, auch Schutzsuchende. Am ersten Tag, anweisen, keine Gnade mit Schutzsuchenden – das hört sich schon ziemlich nach einem von Trumps schnell und zahlreich unterzeichneten Dekreten an.

Nach dem schrecklichen Messerangriff auf eine Kindergruppe in Aschaffenburg, bei dem mutmaßlich ein psychisch kranker Geflüchteter aus Afghanistan zwei Menschen tötete, will Merz damit vor allem eins: Entschlossenheit und Tatkraft zeigen. Denn natürlich hat er Angst, und das zu Recht, dass nach dieser furchtbaren Tat noch mehr Menschen bei der Bundestagswahl ihr Kreuz nicht bei der Union, sondern der AfD machen.

Damit weicht Merz von seinem Kurs ab, in diesem Wahlkampf weniger auf das Thema Migration, sondern vor allem auf Wirtschaft zu setzen. Hintergrund der Überlegung war: Wenn zu viel über Probleme im Bereich Migration gesprochen werde, profitierten vor allem die extrem Rechten. Sich nicht zu Aschaffenburg zu äußern, war für Merz richtigerweise keine Option.

Aber statt dies maßvoll zu tun, bekräftigt er nicht nur die bereits bekannten Forderungen nach Zurückweisungen an der Grenze und einer unbefristeten Abschiebehaft, die beide nach jetziger Gesetzeslage schwierig durchzusetzen sein werden. Er macht die Zustimmung auch noch zur Bedingung für die Bildung einer Koalition: „Kompromisse sind bei diesen Themen nicht möglich.“

Merz treibt die demokratische Mitte in die Enge

Stand jetzt kann Merz all dies nur mit der AfD durchsetzen, einer solchen Koalition aber hat er entschieden und glaubhaft eine Absage erteilt. Mal abgesehen davon, dass er damit den extrem Rechten eine Steilvorlage dafür liefert, die Brandmauer in Frage zu stellen und die Union weiter unter Druck zu setzen: Er treibt zudem die demokratische Mitte in die Enge, die bisher allerdings auch keinen überzeugenden Plan zur Eindämmung solcher Taten vorgelegt hat.

Grundsätzlich sollten, erst recht in einer so angespannten Situation, alle demokratischen Parteien in der Lage sein, miteinander zu regieren. Merz stellt nun Forderungen, die für SPD und Grüne nach ihren bisherigen Aussagen nicht zustimmbar sind – und inszeniert sich auch noch als Basta!-Kanzler, mit dem eine Zusammenarbeit höchst unattraktiv erscheint. Wahrscheinlich setzt er darauf, dass die SPD am Ende kippt – wie 1993 beim sogenannten Asylkompromiss.

Wohin Merz’ Strategie aber führen kann, hat gerade Österreich gezeigt: Da stand die ÖVP, die Schwesterpartei von CDU und CSU, plötzlich ohne demokratischen Koalitionspartner da und will nun dem rechtsextremen FPÖ-Mann Kickl ins Kanzleramt verhelfen. Es ist eine gefährliche Strategie, die Merz da fährt. Österreich sollte ihm eine Warnung sein.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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14 Kommentare

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  • Seit dem Star der Ampel haben sie die Wähler verdoppelt, die Frage ist also warum? Einfach so weitermachen ist nicht der richtige Weg.



    Wir können und ja auch mal Nordeuropa ein Beispiek nehmen, dort wurde der Einfluss der Rechten zurückgedrengt.

    • @Bernd Simon:

      "Wir können und ja auch mal Nordeuropa ein Beispiek nehmen, dort wurde der Einfluss der Rechten zurückgedrengt"

      In Norwegen und Finnland hat man die Rechtspopulisten mit in die Regierung geholt. Zumindest in Norwegen war das keine gute Idee. Die Norwegische Fortschrittspartei hat taktisch klug agiert und wichtige Schlüsselpositionen in der Regierung besetzt und sie hat geliefert. Nicht nur beim Thema Migration auch bei Umwelt und Artenschutz und natürlich bei ihrem Steckenpferd Öl-und Gasförderung. Mittlerweile ist sie fest etabliert und wird in Norwegen eher als eine Art liberalistische Volkspartei angesehen, als eine Rechtspartei.

      Auch in Dänemark kann nicht von weniger Einfluß geredet werden. Nur sind die Themen der Dänischen Volkspartei mittlerweile Mainstream und in diesem Sinne auch für Dänen keine rechten Themen mehr. Umgesetzt werden sie selbst von Sozialdemokraten und zwar aus Überzeugung.

      Nur die Schwedendemokraten fallen dahinter zurück. Das liegt aber daran, dass es sich um eine rechtsextreme Partei mit einem völkisch-nationalen Programm handelt, das allen anderen Parteien zu extrem ist. Das schwedische Pendant zur AfD sozusagen.

  • Dummerweise hat nun nicht nur Merz Angst und Wut, sondern mittlerweile ein recht großer Teil der Gesellschaft. Unabhängig von den sonstigen politischen Präferenzen. Verstehen kann man‘s durchaus und da braucht es eindeutig bessere Lösungen als bisher.

  • Sind alle Konservativen mittlerweile Rassisten? Aus der Partei kommt nichts um Merz mal zu bremsen. Was für ein Kackverein.

  • Da drängt sich natürlich die Frage auf: vielleicht ist ihm Österreich gar keine Warnung, sondern heimliches Vorbild? Vielleicht treibt er dasselbe Spiel wie die ÖVP-Landesfürsten: die voraussichtlichen Koalitionspartner, also Grüne oder SPD vor so unerfüllbare Forderungen stellen, dass die Koalitionsverhandlungen leider platzen müssen . .



    Kann ich mir aber nicht ernsthaft vorstellen, denn fundamentale AfD-Positionen wie ihr Antiamerikanismus und ihre Europa-Ablehnung sind ein absolutes No-Go für Merz. Zum Glück.



    Es bleibt die Frage, wie dumm sind eigentlich so viele CDU-Politiker, einfach nicht zu begreifen, dass es zwar durchaus Aufgabe einer konservativen Partei sein kann oder muss, extrem Rechten ihre Themen streitig zu machen, vielleicht sogar einzelne Forderungen zu übernehmen, aber doch auf keinen Fall ihre Sprache zu sprechen, ihr wahnhaftes Weltbild weiter auszuschmücken und ihre hetzerische Agenda dadurch zu adeln. Das ist bisher immer noch nach hinten losgegangen.

  • Selbst wenn der Täter psychisch krank ist und einen Migrationshintergrund hat, wird die öffentliche Diskussion nur noch auf Themen wie Abschiebung, Grenzkontrollen und verstärkte Abschiebungen verengt.



    Dabei wird übersehen, dass die Behörden grundlegende Aufgaben nicht ausreichend erfüllen, etwa indem sie psychisch labilen Menschen keine adäquate Betreuung anbieten oder Gefährdungspotenziale nicht frühzeitig erkennen. Ein Beispiel hierfür ist der Fall des Täters aus Marburg, der trotz seiner Erkrankung weiterhin als Mediziner in einem Krankenhaus tätig war.

    Solche Ereignisse werden von nahezu allen großen politischen Parteien instrumentalisiert, um Stimmung gegen die nicht „biodeutsche“ Bevölkerung zu schüren und sie für Wahlkampfzwecke zu nutzen.

  • Es ist für mich völlig unverständlich, wie Politik und Medien hierzulande mit dem Thema Rechtspopulismus umgehen.

    Warum nicht von den Erfahrungen europäischer Nachbarstaaten lernen und nicht deren Fehler wiederholen. Die Skandinavier sind da Deutschland um 20 Jahre voraus.

    Die Erfahrung in Nordeuropa hat gezeigt, dass keine der gängigen Methoden im Umgang mit Rechtspopulisten effektiv funktioniert hat, weder Isolation, Ignorieren, Imitation oder Integration hat an den Zustimmungswerten etwas geändert.

    Es gab im Laufe der Jahre zahlreiche Studien hierzu in Nordeuropa. Eine wesentliche Erkenntnis draus war zum einen, dass ein Großteil der Ausländerdebatte nicht von den Bürgern des Landes, sondern von Medien und Politikern im Einklang initiiert und am Leben gehalten wurde.

    Der zweite Punkt schloss an den ersten an und lautete, dass die Zustimmung in der Bevölkerung in allen skandinavischen Ländern darauf basierte, dass die Rechtspopulisten mit Erfolg den Erhalt des Wohlfahrtsstaats mit einer Begrenzung der Zuwanderung gleichgesetzt haben. Die Verknüpfung sozialer Aspekte mit dem Thema Migration war der Schlüssel. Das Tor breitwillig geöffnet haben dann die demokratischen Kräfte.

    • @Sam Spade:

      "Eine wesentliche Erkenntnis draus war zum einen, dass ein Großteil der Ausländerdebatte nicht von den Bürgern des Landes, sondern von Medien und Politikern im Einklang initiiert und am Leben gehalten wurde."

      Das gilt wohl für so ziemlich jedes Thema und ist in der Tat ein großes Problem. Vergleicht man z.B. die Themen die den Bürgern entsprechend Umfragen besonders wichtig sind mit den Themen die in der Öffentlichkeit diskutiert werden so fällt direkt auf, dass viele Themen komplett fehlen und andere endlos besprochen werden, obwohl das Interesse nicht da ist. Man könnte hier glatt so weit gehen von einem anti-demokratischen, öffentlichem Raum zu sprechen.

      Ich denke aber selbst wenn man damit aufhören würde hätte dies keinen oder sogar einen negativen Effekt. Eine Schweigemauer zu einzelnen Themen ist wegen der sozialen Medien kaum mehr möglich und wenn (systematisch) nicht berichtet wird fällt es früher oder später auf und dann ist der Aufschrei noch größer,... nicht ganz zu unrecht, aus meiner Sicht.

    • @Sam Spade:

      In den skandinavischen Ländern stammen viele der strengeren Maßnahmen zur Migrationspolitik nicht primär von rechtspopulistischen Parteien, sondern werden häufig von Mitte-Links- oder sozialdemokratischen Regierungen umgesetzt.

      Vielleicht macht das den Unterschied.

      • @Benzo:

        Die Maßnahmen wurden von Parteien aus den von ihnen genannten Spektrum umgesetzt, aber die Hauptantriebskraft dahinter waren die Rechtspopulisten.

        Beispiel Dänemark. Die Dänische Volkspartei scheut Regierungsverantwortung wie der Teufel das Weihwasser, fungiert im parlamentarischen System aber gerne als Mehrheitsbeschaffer, besonders in Phasen einer Minderheitsregierung.

        Diese Mehrheitsbeschaffung lässt sie sich durch Zugeständnisse teuer bezahlen und hat auch wenig Probleme damit, dass die Regierung ihre Maßnahmen als die Eigenen verkauft.

        Das führt über die Jahre dann in der Bevölkerung zu einer breiten Akzeptanz, der von der Volkspartei gesetzten Themen und geht mittlerweile soweit, dass selbst eingefleischte Sozialdemokraten die strengen Regulierungen nicht nur befürworten, sondern sie sogar als notwendig bzw. normal erachten.

        Dem Zusammenleben der Kulturen ist das nicht sonderlich dienlich und so verwundert es auch nicht, dass Dänemark sich dadurch im Laufe der Zeit zu einer realen Zweiklassengesellschaft, im Sinne von "wir" und "die", entwickelt hat.

        Aus meiner Sicht kein Vorbild.

  • Was heißt denn hier Österreich sollte eine Warnung an ihn sein?



    Österreich ist das Vorbild für ihn. Verstehe gar nicht, wie der Artikel dazu kommt, zu infizieren, dass Merz ein geheimer Demokrat sei und all das nur eine Strategie, statt Ideologien ist. Zwischen Merz und afd sehe ich nicht den geringsten Unterschied außer die Parteizugehörigkeit. Würde man ohne Namen zu nennen, nur Aussagen von AfD-Funktionieren und Merz vergleichen, man könnte nicht sagen, was nicht von der AfD stammt!



    Der einzige Grund, warum März nicht in der AfD ist, obwohl da seine politische Heimat ideologisch durch liegt, ist seine Feigheit vor gesellschaftliche politische und berufliche Abwertung. Mit der CDU ist er auf der bürgerlich sichereren, unverfänglichere Seite. Die CDU ist die Alternative für AfD-Gesinnte, die sich nicht trauen, offen dazu zu stehen, dass sie Muslime hassen und Nationalisten sind, die für menschliches Verhalten keine andere Begründung finden wollen, als ethnische oder religiöse.

    Was ist eigentlich aus dem biodeutschen geworden, der das Kind seiner Freundin aus verletzten Ehrgefühl umgebracht hat?

  • "Denn natürlich hat er Angst, und das zu Recht, dass nach dieser furchtbaren Tat noch mehr Menschen bei der Bundestagswahl ihr Kreuz nicht bei der Union, sondern der AfD machen."



    Sorry -- aber ich habe den Eindruck, dass diese Herren jede Gelegenheit ergreifen, die sich ihnen bietet, um freudig weiter in den von der AfD geschaffenen "Diskursraum" einzumarschieren. Und meines Erachtes tun die das aus vollster Überzeugung -- bis zum nächsten Progrom. Schaden tut das ja nicht: Herr Schäuble gilt ja heute als einer der Vorzeigedemokraten, und Kohl ist immer noch ein Überkanzler.



    Wiederholungstäter nennt man so was.



    Mal gespannt, ob Herr Merz dann auch den Betroffenheitstourismus verweigert.

  • Merz steuer stramm nach Rechts. Gut die konservativen hatten es ja eh nie so mit der Abgrenzung zu Faschisten und Nazis sonst hätten nicht so viele Nazis nach 1945 in der CDU/CSU Karriere machen könnnen. Beispiel franz J. Strauß.

  • Ach, wären die Wahlen morgen, dass sich die Union nicht völlig selbstaufgibt in den letzten Wochen. Da ist doch ein "christ"demokratisch bzw- -sozial. Wo ist das gerade?

    Belohnt wird es nicht. Wären Merz und Linnemann erfahrener auf Regierungs- und Bundesebene, hätten sie das gewusst. Es wäre aber die historische Aufgabe der Union gewesen, die Rechtsrabiaten demokratisch im Zaum zu halten, bis sie entweder aufgeben, demokratisch werden oder rausfliegen. Die CSU der 1980er noch zu unterbieten kann es dagegen nicht sein.