Linke Absage an Rot-Rot-Grün: „SPD ist nicht regierungsfähig“
Eigentlich möchte der Reformer-Flügel der Linken mit den Sozialdemokraten regieren. Jetzt ist die SPD einigen von ihnen zu rechts geworden.
Die SPD anzupöbeln ist für Linke-Politiker in etwa so gewöhnlich wie für andere Menschen das Zähneputzen. Oskar Lafontaine hat die Linkspartei nur in den Bundestag geführt, um Gerhard Schröder aus dem Kanzleramt zu jagen.
Sahra Wagenknecht beschimpfte die SPD-Spitze auf dem letzten Parteitag als „trübe Brühe“. Und als der Linken-Vorstand jüngst einen Beschluss zur Griechenland-Krise fassen wollte, fiel ihm erst kurz vor der Abstimmung ein gewisses Ungleichgewicht auf: Während die Sozialdemokraten über ganze Absätze ihr Fett wegbekamen, wurde die CDU nicht mit einem Wort erwähnt.
Die neueste Attacke wird das Verhältnis zwischen Linkspartei und Sozialdemokraten nun noch einmal gehörig abkühlen. „Die Bundes-SPD ist angesichts ihres mit der Union geführten Überbietungswettbewerbs für uns zurzeit nicht regierungsfähig“, schreiben Fraktionsvize Jan Korte und Dominic Heilig, Chef der Parteiströmung Forum Demokratischer Sozialismus in einem Papier, das der taz vorliegt.
Für Linken-Verhältnisse mag das nicht allzu gewagt klingen. Trotzdem ist das Schreiben ein Wendepunkt: Korte und Heilig gehören dem Reformerflügel ihrer Partei an. Sie verteufeln Sigmar Gabriel und Co eigentlich nicht, sondern würden gern mit der SPD regieren. Sie pflegen Kontakte zu Sozialdemokraten, suchen nach Gemeinsamkeiten und werben bei ihren eigenen Leuten für ein Regierungsbündnis mit SPD und Grünen.
Eine Generalabrechnung
Jetzt aber haben sie keine Lust mehr. Weil die SPD nach rechts rückt, rücken sie von der SPD ab. Ob Griechenland-Krise, Vorratsdatenspeicherung oder Asylrechtsverschärfung – „mit viel Schaum vor dem Mund“ arbeite Gabriel an einer „Verschiebung sozialdemokratischer Programmatik“.
Das kommt eine Generalabrechnung gleich. Das Projekt Rot-Rot-Grün, in großen Teilen der drei Parteien ohnehin vorerst abgeschrieben, wird damit für die Bundestagswahl 2017 noch unwahrscheinlicher.
Auch wenn Korte und Heilig beteuern, einen anderen Plan zu verfolgen: „Ein Politikwechsel in diesem Land gelingt nur, wenn die Linke massiv gestärkt wird“, schreiben sie. Um zuzulegen, müsse ihre Partei deutlicher machen, dass sie von der aktuellen Regierungspolitik nichts hält. So wollen sie die SPD im Bundestag vor sich hertreiben.
Kalkül auf Landtagsebene
Nach Möglichkeit zusammen mit den Grünen: „Wir werben für ein systematisch etabliertes strategisches Bündnis“, schreiben die Autoren. Gemeinsame Anträge, gemeinsame Pressekonferenzen, verbindliche Absprachen. „Es geht auch um Kleinigkeiten“, sagt Korte. „Zum Beispiel auch mal für Redner der jeweils anderen Fraktion zu klatschen, wenn wir uns in bestimmten Punkten inhaltlich einig sind.“
Mit dieser Strategie wollen er und Heilig ihre Genossen in den Ländern unterstützen: In 6 Bundesländern stehen 2016 Landtagswahlen an. Schneidet die Linkspartei stark ab, könnte sie in Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zusammen mit der SPD regieren. In allen drei Ländern sind die Vorbehalte kleiner als im Bund. „Ein Erfolg in den Ländern erhöht den Druck auf eine irrlichternde Bundes-SPD“, schreibt das Duo.
Damit der Plan aufgeht, müssen aber die Grünen mitspielen. Deren Fundi-Flügel, der prinzipiell ebenfalls auf Rot-Rot-Grün setzt, wusste vorab nichts vom Vorstoß der Linken. Die erste Reaktion fällt entsprechend verhalten aus. “Unbenommen der berechtigten Kritik müssen alle drei Parteien ihre Hausaufgaben machen, wenn Rot-Rot-Grün jemals eine Chance haben soll“, sagte die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger.
„Anstatt immer nur die Unterschiede öffentlich zu betonen, sollten die R2G-VordenkerInnen lieber die Gemeinsamkeiten stärken und auch darauf schauen, wo die jeweiligen Versäumnisse sind.“ Immerhin: „Mehr organisierte Zusammenarbeit“ in der Opposition könne sie sich schon vorstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe