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Kriminalisierung der Klima-BewegungVerfolgte Ak­ti­vis­t:in­nen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der „Green Legal Spaces Report“ beklagt eine zunehmende Beschränkung der politischen Teilhaberechte. Aber gibt es ein Recht auf zivilen Ungehorsam?

Berlin, den 16.11.2023: Eine Klimaaktivistin bemalt das Brandenburger Tor Foto: Annette Riedl/dpa

Klimaaktivismus wird in Deutschland zunehmend durch staatliche Repressionen behindert und delegitimiert“ – das behauptet der „Green Legal Spaces Report“, den die Organisation Green Legal Impact (GLI) an diesem Freitag veröffentlichte. GLI ist ein Zusammenschluss umweltaktivistischer Jurist:innen. Bekanntestes Vorstandsmitglied ist die Hamburger Anwältin Roda Verheyen, die den Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts miterstritten hat.

In einer Fleißarbeit hat GLI auf 52 Seiten die „zunehmenden Repressionen“ gegen die Klima-Bewegung aufgelistet. Der Report unterscheidet allerdings nicht zwischen unterschiedlichen Aktionsformen, also zwischen Demonstrationen, Klimacamps, Blockaden und Sachbeschädigungen. Vielmehr wird all dies als „Klimaproteste“, als Ausübung „politischer Teilhaberechte“ zusammengefasst.

Gegliedert ist der Report nach Art der staatlichen und gesellschaftlichen Reaktionen: Einschränkungen des Versammlungsrechts, unverhältnismäßige Polizeimaßnahmen, strafrechtliche Verfolgung, Schadenersatzklagen und negatives Framing im öffentlichen Diskurs.

Der Report blendet etwas Wichtiges aus

Am bekanntesten sind dabei die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Letzte Generation wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung in München und Neuruppin sowie die bayerische Präventivhaft gegen Letzte-Generations-Aktivist:innen, die damit an angekündigten Straßenblockaden gehindert werden sollten.

Der Report blendet aber völlig aus, dass wohl kaum eine Umweltbewegung zuvor so massiv auf zivilen Ungehorsam gesetzt hat wie die Letzte Generation – und dass viele der beschriebenen staatlichen Maßnahmen genau hierauf reagieren.

Wer sich gezielt rechtswidrig verhält, um damit Städte „lahmzulegen“ und eine „maximale Störung der öffentlichen Ordnung“ zu erreichen, will gerade nicht wie eine klassische Demonstration wahrgenommen und behandelt werden. Diese wohl absichtliche analytische Unschärfe zieht sich durch den gesamten Report.

Es gibt nun mal kein „politisches Teilhaberecht“ auf zivilen Ungehorsam. Deshalb wird es auch nicht eingeschränkt, wenn der Staat gegen Maßnahmen des zivilen Ungehorsams vorgeht. Kritisiert werden kann dann nur die Art der Reaktion. Ist sie unverhältnismäßig, wie beim Präventivgewahrsam, so wird dies zu Recht kritisiert. Aber wenn für das Beschmieren des Brandenburger Tors mit Farbe 115.000 Euro Beseitigungskosten verlangt werden, dann ist das keine willkürliche Schikane, sondern durchaus naheliegend.

Strategisches Scheitern der Klimabewegung

In einem Vorwort behauptet Michel Forst, der UN-Berichterstatter für den Schutz der Umweltschützer, dass der Staat nicht gegen die Letzte Generation vorgehe, weil ihr Handeln mutmaßlich kriminell sei, sondern weil die Organisation so einflussreich geworden sei und weil sie Menschen mit ihren Visionen zusammenbringe. Welch romantische Verklärung.

Dagegen sieht es der Report als Beispiel für gefährliches Negativ-Framing, wenn Po­li­ti­ke­r:in­nen und Medien der Letzten Generation vorwerfen, ihre Aktionsformen seien „kontraproduktiv“. Unbequeme Analyse wird damit auf den Index gesetzt. Fast könnte man meinen, die Klima-Bewegung beginnt, ihr strategisches Scheitern zu realisieren, und versucht nun, den Staat dafür verantwortlich zu machen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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20 Kommentare

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  • Die Idee gewaltfreien zivilen Widerstands in Zeiten einer "moralischen Krise" ist eigentlich nicht, dass er legalisiert wird. Es wundert mich daher etwas, wieso das überhaupt diskutiert wird.

    Die Idee ist eher, dass sich relevante Teile der Bevölkerung mit der LG solidarisieren, u.a. weil die Repression überzogen ist, 8 Mo Gefängnis, Abhörmaßnahmen, Präventivhaft.

    Die relevanten Teile sind wohl weitergezogen, die größte Sorge der hiesigen LeserInnen scheint inzwischen v.a. zu sein, dass irgendwo Parkplätze wegfallen könnten.

    • @derzwerg:

      Yes, genau das, Parkplätze sind ein Totschlagargument geworden...

  • Es ist bekannt, das sog. "Thinktanks", die in Fossilgeldern ertränkt werden die Regierungen zu repressiven Vorgehensweisen gegen Klimaproteste "beraten". Ein Beispiel: Policy Exchange [1].

    [1] www.opendemocracy....ce-climate-denial/

    • @tomás zerolo:

      In dem Bericht geht es um das Lobbying neu zu erlassenen Gesetze in den UK.

      In Deutschland gibt es keine neuen Gesetze auf Grund der LG. Es werden bisher bestehende Gesetze unter Beachtung der hierzu ergangenen Rechtsprechung von der Justiz angewandt (insbesondere hinsichtlich der Auslegung von Nötigung und Notwehr). Die Ergebnisse sind bisher allesamt nicht überraschend. Für eine Einflussnahme durch Thinktanks in Deutschland fehlen bisher jegliche Anzeichen.

  • Ja, absurd zu fordern, zivilen Ungehorsam zu legalisieren. Ist es nicht gerade das Wesen von Ungehorsam, legale Grenzen zu überschreiten?



    Dazu passt auch, zivilen Ungehorsam zu romantisieren, wenn historische Erfolge als Beispiel herangezogen werden, um dessen „Funktionieren“ zu belegen.



    Ein Scheitern wird damit zwar von vornherein gedanklich ausgeschlossen, ist aber nicht unmöglich.

    Das sehe ich aber nur als Reaktion auf eine Gesellschaft, die Klimaschutz zu großen Teilen als Geldverschwendung und Angriff auf den eigenen Lebensstil zu sehen scheint. Die zeigte ihr Gesicht, als Menschen sich dazu ermutigt fühlten, das Problem "Klimakleber" selbst in die Hand zu nehmen, anstatt es der Polizei und den Gerichten zu überlassen.



    Auch gibt es von Mitstreitern im Klimaschutz viele wohlwollende Ratschläge für die "Letzte Generation“, was diese alles besser machen kann, weil deren Handeln als „kontraproduktiv“ erkannt wird. Ob das so ist, kann niemand genau wissen, sondern nur im Rahmen des eigenen Horizonts als falsch erachten.



    Außerdem maskiert Wohlwollen oft ein autoritäres Besserwissen und ist einfach eine Strategie, Argumente zu zerstören.
Aktivisten werden tun, was sie für richtig halten, egal ob es andere gut finden, oder nicht.



    
Ich bin dafür, dass der Staat für die Einhaltung von Regeln sorgt und aktivistischen Menschen ein gerechtes Gerichtsverfahren zugestanden wird. Das darf nicht von Stimmungen in der Gesellschaft abhängig sein, die darauf basieren, wissenschaftliche Erkenntnisse zu ignorieren. 
Diese Stimmungen beruhen oft auf der Meinung, dass „die Politik“ und „die Medien“ von der politischen Linken unterwandert sind. (Was aber letztlich nur eine Strategie zur Durchsetzung der eigenen Agenda ist, indem das Vertrauen in die Rechtschaffenheit des politischen Gegners aufgekündigt wird . Was aber eigentlich nur deshalb funktioniert, WEIL die Rechtschaffenheit erkannt wird!)

    Deshalb kann ich den Vorwurf des Negativ-Framings im Bericht nachvollziehen.

  • Was ist nur mit der taz los? Ein Artikel über die LG ohne Heiligsprechung!

  • "Teilhaberrechte"

    Öhm, wo gibt es denfreie Fahrt für Sachbeschädigungen, Nötigungen und Gefährdung des Straßenverkehrs (Rettungsdienste!) für andere?

    Da gibt es keine fehlende Teilhabe an solchen Aktionen, da gibt es nur die Forderungen nach Sonderlocken für solche Aktionen

    Please Please hört damit auf.

    Es wurden bereits drei Jahre sinnlose Diskussionen über die Zulässigkeit von Nötigungen zur Weltenrettung vergeudet. Es gibt beimmKlimawandel wichtigere Themen als juristische Rechthabereien, die vor Gericht i.d.R. nie bestand haben.

  • Vielen Dank für den ausgewogenen Kommentar.

    • @Tim Maletz:

      Anschließe mich. Ungewöhnlich nüchtern und distanziert für das Thema.

  • Ja, natürlich.

  • Ziviler Ungehorsam ist vor dem Hintergrund der andauernden Gesetzesverstöße harmlos, das müsste mehr gehen:



    „Der Verkehrs- und der Gebäudesektor haben die im Klimaschutzgesetz des Bundes festgelegten Obergrenzen für den CO2-Ausstoß voraussichtlich das dritte Jahr in Folge nicht eingehalten. Wenn das Umweltbundesamt am Mittwoch die deutsche Treibhausgasbilanz für 2022 veröffentlicht, dürften die Klimaziele abermals von den beiden Sektoren verfehlt worden sein. Ein Rechtsgutachten sieht darin nun einen Verstoß der gesamten Bundesregierung gegen das Klimaschutzgesetz.



    Danach hat es die Regierung verpasst, rechtzeitig Maßnahmen zu beschließen, um die Versäumnisse bei den Klimazielen in den beiden Sektoren auszugleichen.“ (Handelsblatt)

    „Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Bundesregierung gesetzeskonforme Klimaschutz-Sofortprogramme in den Sektoren Gebäude und Verkehr vorlegen muss. Das beschlossene Klimaschutzprogramm 2023 erfüllt die Anforderungen des Klimaschutzgesetzes nicht.“

    „Strafgesetzbuch (StGB) § 32 Notwehr



    (1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“

    • @guzman:

      „Strafgesetzbuch (StGB) § 32 Notwehr

      (1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“

      Daraus resultiert eben kein Recht auf zivilen Ungehorsam.



      Zum einen fehlt es hier an einem "gegenwärtig rechtswidrigen Angriff". Niemand wird PERSÖNLICH angegriffen.



      Selbst wenn man es bejahen würde, so ist das Festkleben und beschmieren von Gegenständen nicht "geeignet".

      Es gibt für zivilen Ungehorsam keine Rechtsgrundlage

    • @guzman:

      Notwehr dient dem Abwenden einer unmittelbaren Gefahr. Ich sehe nicht, dass durch die Sachbeschädigung eine Gefahr abgewendet werden würde. Sie etwa? Wodurch?

      Würden Sie es auch als Notwehr betrachten, den Klimaklebern die Wohnungstüren zuzumauern, wenn sie gerade ausser Hau sind? Natürlich völlig friedlich und gewaltfrei?

    • @guzman:

      Diese ganze Notwehrthematik ist ja bereits hinreichend diskutiert und auch von Strafrichtern erläutert worden.

      Das Notwehrrecht stellt gerade kein Recht auf zivilen Ungehorsam dar. Es fehlt an Geeignetheit und Unmittelbarkeit. Durch eine Sachbeschädigung wird ein Rechtsverstoß der Bundesregierung weder verhindert noch beendet.

      Das in dieser Woche ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichtes zeigt ja, dass es legale Wege gibt.

  • Das ich ausgerechnet in der taz eine solch nüchterne Analyse über die sog. "letzte Generation" lesen kann, hat mich positiv überascht!

  • Der Artikel ist super. Herr Rath ist wieder in Hochform. Nur diese Überschrift. Wieso so eine schlechte Überschrift zu einen guten Artikel?

  • Wow.... mit diesem Kommentar hätte ich an dieser Stelle nicht gerechnet. Respekt, danke, und genau so schaut es aus: Klimaaktivismus gibt eben nicht das Recht auf Sachbeschädigung.

    • @F. Tee:

      Die Auswirkungen des Klimawandels zerstören in Zukunft sicherlich 1000-fach mehr Sachen und auch Menschen (und Tiere) als die besagten Klimaaktivisten, davon können sie getrost ausgehen.

      • @Uns Uwe:

        Auch DAS gibt niemandem ein Recht auf Sachbeschädigung. Schauen Sie im StGB bei den Rechtfertigungsgründen nach (§§32ff) - "Gelungener Whatabouttism" werden sie dort nicht finden.

      • @Uns Uwe:

        Meine Sie, dann können wir ruhig noch mehr Sachen beschädigen, weil es im Vergleich zu den Klimafolgen vernachlässigbar ist?