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Krieg im Nahen OstenBaerbock für Zwei-Staaten-Lösung

Außenministerin Baerbock reist in den Nahen Osten. Sie will verhandeln: für die Freilassung der Geiseln, für Gazahilfen – und eine unmögliche Lösung.

Unterwegs in schwieriger Mission: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Es wird eine Reise unter höchster Anspannung und enormem Zeitdruck. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bricht an diesem Freitag zum dritten Mal in den Nahen Osten auf. Teil der Krisendiplomatie sind Gespräche in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Saudi-Arabien und in Israel. Die Zeit läuft für Baerbock: Seit mehr als 30 Tagen sind die rund 230 Geiseln, darunter auch deutsche Staatsbürger:innen, in den Händen der Terrormiliz Hamas. Über ihr Schicksal ist öffentlich wenig bekannt. Doch je länger die Zeit voranschreitet, desto geringer wird die Chance, sie tatsächlich freizubekommen.

Zugleich spitzt sich die Lage für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen täglich zu. Nach der Ankündigung Israels am Donnerstagabend, täglich eine vierstündige Feuerpause anzustreben, gibt es Hoffnung, dass mehr Hilfsgüter wie Lebensmittel, Trinkwasser und Medikamente das Gebiet erreichen.

Zudem können die Menschen, die sich noch im Norden befinden, in den Süden des Gazastreifens gelangen. „Die Aussicht auf humanitäre Feuerpausen ist dafür zentral, denn die Bilder aus Gaza lassen uns alle nicht kalt“, sagte Baerbock zu Beginn ihrer Reise. „Die Menschen in Gaza brauchen dringend Versorgung mit dem Nötigsten, damit ihr Leid etwas gelindert wird.“

Baerbock betonte erneut, dass Israel bei der Verteidigung gegen den Terror der Hamas fest und unverbrüchlich auf Deutschland zählen könne. „Als Demokratien stehen wir Schulter an Schulter. Selbstverständlich muss Israel alles in seiner Macht Stehende tun, um Zivilisten zu schützen“, so Baerbock. Dies gelte auch dann, wenn die Hamas sich weiter hinter Hunderttausenden von Zi­vi­lis­t:in­nen verschanze und sich bewusst direkt unter Schulen und Krankenhäusern vergrabe.

Gibt es eine nachhaltige Lösung?

Bei der Reise, insbesondere bei den Gesprächen in Israel, dürfte es auch um die deutsche Enthaltung bei einer UN-Resolution für eine humanitäre Waffenpause vor rund zwei Wochen gehen. Frankreich hatte dafür gestimmt, Österreich, die USA und Israel hatten mit Nein votiert. Deutschland, Kanada und andere Staaten hatten sich enthalten, da die Freilassung der Geiseln nicht explizit genannt und auch die Terrormiliz Hamas nicht eindeutig verurteilt wurde für ihren brutalen Angriff auf Israel am 7. Oktober. Die deutsche Entscheidung hatte für Verstimmungen und scharfe Kritik seitens Israels geführt.

Die deutsche Außenministerin betonte zudem die Schwierigkeiten für eine nachhaltige Lösung im Nahost-Krieg. „Es ist unsere Verantwortung, uns dem unglaublichen Dilemma vor Ort weiter mit allen Kräften zu stellen: Dass Israel das Recht und die Pflicht hat, sich gegen den fortdauernden brutalen Hamas-Terror zu verteidigen, um seine Bevölkerung zu schützen. Und wir zugleich alles dafür tun müssen, das furchtbare Leid von unschuldigen Kindern, Frauen und Männern zu lindern.“

Sie plädierte erneut, eine Zwei-Staaten-Lösung nicht aus dem Blick zu verlieren. „Die historische Chance eines Friedens Israels mit seinen arabischen Nachbarn darf nicht kaputtgehen. Denn genau das ist das Ziel der Terroristen.“

Baerbock wird am Freitag zunächst in die Vereinigten Arabischen Emirate fliegen. Am Samstag setzt die Außenministerin ihre Reise fort und führt Gespräche in Saudi-Arabien sowie in Israel.

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29 Kommentare

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  • Im ZDF-Interview vom 6.11. bezeichnet der Historiker Tom Segev die Zweistaatenlösung eine "diplomatische Fiktion".



    Meiner Meinung nach soll das Reden über die angebliche Zweistaatenlösung kaschieren, dass die westlichen Staaten keinen Plan zur Lösung des Konflikts haben. Sie haben Jahrzehnte lang zugesehen, wie Israel völkerrechtswiedrig palästinensisches Land besiedelt und/oder annektiert hat und stehen jetzt vor dem Scherbenhaufen ihrer unverantwortlichen Politik.

  • Eine 2- Staatenlösung kann nur mit internationalem Druck durchgesetzt werden.



    Das liegt daran, dass sowohl von palestinensischer Seite (zerrissene Loyalitäten, Hamas-Unterstützung, Islamismus etc.) als auch von den ganzen rechten Kräften in Israel zu viele Menschen gegen die Zwei-Staaten-Lösung sind.



    Aus eigener Kraft wird das nichts in dieser Region. Es braucht hier internationale Klarheit und auch Druck. Ansonsten geht der Hass ewig weiter.

  • Mit einer Ein-Staat-Lösung müssten sowohl Israelis als auch Palästinenser ihre nationalistischen Allüren verlieren. Das scheint sehr utopisch. Also doch eine Zwei-Staaten-Lösung mit gelegentlichen Gemetzeln - wie bisher.

  • In Gaza hatten die Palästinenser die Möglichkeit in Eigenregie mit hoher finanzieller Unterstützung etwas aufzubauen. Augenscheinlich gab es kein Interesse. Zynisch formuliert: Das Ergebnis war der 7.10.

    "Selbstverständlich muss Israel alles in seiner Macht Stehende tun, um Zivilisten zu schützen“, so Baerbock. Dies gelte auch dann, wenn die Hamas sich weiter hinter Hunderttausenden von Zi­vi­lis­t:in­nen verschanze und sich bewusst direkt unter Schulen und Krankenhäusern vergrabe." Was stellt sie sich eigentlich vor? "Hello! Sorry for disturbing you. Are here any Civilians? May I introduce myself ... oh, please don't shoot ..."

    • @Niemals:

      "In Gaza hatten die Palästinenser die Möglichkeit in Eigenregie mit hoher finanzieller Unterstützung etwas aufzubauen."



      Im Grunde bestand mit Gaza und Israel ja sogar so etwas wie eine Zwei-Staaten-Lösung (Westjordanland als dritte Partei mal außen vor). Woraus wir schließen können, dass eine Lösung nur eine ist, wenn beide Seiten daran interessiert sind.

  • Das Frau Baerbock für eine 2 Staatenlösung ist, ist nicht verwunderlich. Auch in anderen Themen glänzt Sie immer wieder mit fehlenden Wissen um die Vergangenheit. Ein Ergebnis dieses Krieges ist das Ende der 2 Staatelösung. Die realistischste Lösung wäre eine Angliederung an Agypten mit entspechender Autonomie.

    • @Kristina Ihle:

      Und was meint Ägypten dazu ? Das scheint mir sehr wenig davon zu halten. Typische Rechnung ohne den Wirt ...

      Frau Baerbock ist eine unserer besseren AußenministerInnen. Es gibt keine andere Lösung als die Zwei-Staaten-Lösung. Keiner der arabischen Staaten hat ein wirkliches Interesse an den Palestinensern.

      • @Zebulon:

        Wenn Ägypten nicht an entscheidenden Stellen konstruktiv und kreativ (v.a. durch Öffnung zum Gaza und Übernahme von Verantwortung für die schon viel zu lange staatenlose Bevölkerung dort) mitzieht wird es keinen Fortschritt geben.

        Eine Zweistaatenlösung incl. Gaza erübrigt sich mit einem genauen Blick auf die Landkarte.

        Mit der (Wieder-) Einführung der Rechtstaatlichkeit für alle in Israel lebenden durch gemäßigte Regierungen in Tel Aviv/Jerusalem gäbe es eine Chance hin zu echter Autonomie und letztlich einer Föderation in einem Land oder auch eine Zweistaatlichkeit bis hin zu voller Eigenständigkeit und Souveränität des Westjordanlandes incl. Ostjerusalem im Konsens geben.

  • Es ist sehr wichtig, die Suche nach politischen Lösungsansätzen wieder ins Rollen zu bringen. Nach dem Scheitern des Oslo-Prozesses wurde einfach zu viel Zeit vertan, die Fronten sind jetzt zu verhärtet.



    Das Missverständnis besteht nur darin, dass geglaubt wird, die Zwei-Staaten-Lösung sei das “Allheilmittel”, um den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern von jetzt auf gleich zu lösen. In Israel gibt man sich da offensichtlich weniger Illusionen hin als etwa hierzulande bei uns. Es bleiben viele Stolpersteine bzw. ungelöste Fragen, z.B. der Status Jerusalems.



    Voraussetzung für Verhandlungen bleibt auch die Zerschlagung der Hamas und ihres elimininatorischen Antisemitismus. Der Krieg in Gaza wird also so lange weitergehen, bis dieses Ziel erreicht ist. Erst dann kann überhaupt an so etwas wie eine friedliche Koexistenz gedacht werden. Das wird hierzulande natürlich auch nicht gerne gehört.



    Und mit all diesen Problemen bleibt auch eine nachfolgende gemäßigtere israelische Regierung konfrontiert. Auch so eine Missverständnis hier in Deutschland, dass mit dem Abgang Netanyahus sich alle Probleme der israelischen Gesellschaft - auch die mit den Palästinensern - sozusagen in Luft auflösen würden.



    Und was ist eigentlich mit dem 88jährigen greisen Mahmoud Abbas. Denkt man bei der PA schon über eine Nachfolgeregelung nach? Noch so ein Problem!

  • Die Zwei-StaatenLösung funktioniert nicht, solange der Gaza-Streifen im Konfliktzustand mit Milliarden Fördergeldern unterstützt wird, und wenn die Palästinenser davon ausgehen müssen, dass diese enden, wenn sie Frieden schließen, und sie dann als Folge des Friedens verarmen.

    Es braucht sowieso eine 20 Staaten-Lösung, in der all die Länder, die vor gut 70 Jahren ihre jüdische Bevölkerung vertrieben hatten, sich bereit erklären, die Nachkommen vertriebener Palästinenser aufzunehmen. Für jeden vertrieben Juden die Nachkommen eines geflüchteten Palästinensers, auch solche auch Flüchtlingslagern in Jordanien, Libanon und anderswo. Das wäre natürlich nur ein Angebot und keine Pflicht zur Ausreise. Die reichen Ölstaaten sollten den ausreisenden eine finanzielle Starthilfe geben.

    • @meerwind7:

      Da geht einiges durcheinander. Die Milliarden Fördergelder reichen gerade mal so zum Überleben. Für Wohlstand brauchen die Palästinenser aber ein Ende der Blockades des Gazastreifens und Bewegungsfreiheit in der Westbank (einschließlich Kontrolle über die Grenzübergänge nach Ägypten und Jordanien).

  • Wer sich halbwegs ernsthaft über Lippenbekenntnisse hinaus mit der Situation beschäftigt, weiß, dass die 2-Staaten-Lösung keine mehr ist.



    Zu Rabins Zeiten, als es vergleichsweise wenig Siedlungen gab, wäre das nicht denkbar gewesen. Aber heute:



    Es leben ca 700.000 jüdische Israelis im Westjordanland, es gibt dort eine Universität uvm. gleichzeitig leben etwa zwei Mio PalesinenserInnen im Kernland Israel.



    Und dann weiß auch niemand wie man eigentlich aus den geographisch getrennten Regionen Westjordanland, Ostjerusalem und Gaza einen Staat machen soll.

    Nein, die einzige realistische (wenn auch aktuell sehr fern liegende) Lösung ist ein gemeinsamer Staat mit gleichen Rechten für alle. Das sollte Ziel von Baerbocks feministischer Außenpolitik sein.

    • @MichaelK:

      Damit solche Massaker wie am 07.10. häufiger stattfinden können?

  • Die 2-Staaten-Lösung ist die einzige Option. Und zwar OHNE israelische Siedlungen auf dem Gebiet der Palästinenser.

    • @Frankenjunge:

      Auch ohne Araber in Israel?

      • @Chris McZott:

        Theoretisch könnten die Siedler die Staatsangehörigkeit Palestinas erhalten, weil sie auf palestinensischem Gebiet wohnen.



        Realistisch ist der Vorschlag aber nicht.

  • Da überschätzt sich Frau Baerbock etwas.



    Die 2 Staatenlösung ist doch längst Geschichte da das Westjordanland schon von den Radikalen Israelis "besetzt" ist und auch nicht im Interesse Israel's ist.

  • Baerbocks CO2-Bilanz



    Unsere Außenministerin, welche quasi jeden Tag mit dem Flugzeug um die Welt fliegt, selbst Kurzstrecken, auch wenn man vieles mittels Bahn oder Videokonferenz erledigen könnte, interessiert sich wohl einen feuchten Kehricht ob ihrer CO2-Bilanz. Hauptsache wir zahlen ab Januar 3 Cent mehr für Benzin und Diesel, der Umwelt zu Liebe natürlich.



    Die "no more grün"-Partei.

    • @Rudi Hamm:

      Da haben Sie es ihr aber richtig gegeben....



      Was ein Kerl.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Rudi Hamm:

      Friedensengel fliegen halt. Wenn weniger geschossen wird, ist das als CO2-Kompensation sehr erfreulich.

    • @Rudi Hamm:

      Da stimme ich Ihnen zu 100% zu, auch hat sie zu wenig "Gewicht" auf der internationalen Bühne um irgendwas zu erreichen.

  • Zweistaatenlösung ist unrealistisch. Welche Grenzen sollen da gezogen werden? Da wird man sich doch nie einig. Eintstaatlösung mit einem Duo als Staatsoberhaupt (1 Jude und 1 Araber) halte ich für geeigneter, obwohl nicht minder utopisch.

    • @Montagsdepression:

      Entscheidend ist nicht das Staatsoberhaupt, sondern Mehrheiten im Parlament und die Regierung. Dass Proporzsysteme nicht funktionieren, zeigt sich im Libanon.

    • @Montagsdepression:

      Interessanterweise gab es diese Lösung schon mal. Im heutigen EU-Staat Zypern, dessen Territorium zum Teil "völkerrechtswidrig" von der Türkei besetzt ist, ohne dass hier täglich Dönerbuden brennen. Vor dem Einmarsch der türkischen Armee in Nordzypern gab es so eine Propozregelung zwischen Griechen und Türken.

      Hat eher mäßig funktioniert, da läuft der jetzige Status quo besser.

      • @Meister Petz:

        Wobei meines Wissens in Zypern für beide Seiten das Ziel immer noch die Wiedervereinigung ist.

  • Die Zweistaatenregelung ist die EINZIGE Lösung die denkbar ist.



    Es ist die Basis die von der UN vor einem Dreiviertel Jahrhunderet so initiiert wurde. Die Hardliner aus den arabischen Staaten, der Palästinenser und der Israelis haben das bislang verhindert. Die "Großmächte" hatten/haben ihre ureigenen Interessen und das deshalb nicht wirklich durchgesetzt. Doch ohne diese Lösung kann das alles nur so barbarisch weitergehen. Das müssen alle Beteligten einsehen. Alle! Hoffentlich schaffen die Akteure das - es wäre den Menschen in der Region zu wünschen....

    • @Perkele:

      Nö, denkbar sind noch mehrere andere Lösungen.

      Die Ein-Staat-Lösung habe mehrere Kommentatoren bereits beschrieben.

      Rechte israelische Politiker haben auch mal vorgeschlagen, dass Gaza Ägypten und das Westjordanland Jordanien zugeschlagen werden könnte.

      Wollten halt Ägypten und Jordanien wegen der Extremisten nicht.

      Denkbar wäre auch eine 3-Staaten-Lösung mit Gaza als eigenen Staat, wie es jetzt praktisch schon ist.

      Aber irgendetwas durchsetzen können Ihre "Großmächte" da nicht.

    • @Perkele:

      Es gibt IMMER Möglichkeiten: Aber dafür müssten beide Seiten ihre Ideallösungen aufgeben.

      Denn was für eine Seite ideal ist, ist für die andere Seite der Worst-Case. Wenn man sieht wie weit dieser Konflikt schon zurück reicht, steht für mich am Anfang Religion. Denn seien wir ehrlich, wenn beide Konfliktparteien die gleiche Konfession hätten, dann hätte man dort schon längst ein Kompromiss gefunden. Dieser Israel/Palästina-Konflikt ist doch nur vorgeschoben, damit die irrationale religiöse Sache (beider Seiten) die dahinter steckt rationalisiert werden kann.

    • @Perkele:

      Israel war bereit für die Zweistaatenlösung bis die andere Seite den Vernichtungskrieg vom Zaun gebrochen hat - danach war sie wenig überraschend vom Tisch.

      Darüber hinaus: Die Zweistaatenlösung erfordert eine Kontrolle der Hamas - ist also keine realistische Option