Konjunktur in Deutschland: Es wurde wieder nicht in die Hände gespuckt
Die deutsche Wirtschaft schrumpfte 2024 das zweite Jahr in Folge. Auch für 2025 ist keine Trendwende in Sicht.
Dieses Minus von 0,2 Prozent bestätigte das Statistische Bundesamt nun am Mittwoch. Damit ist die deutsche Wirtschaftsleistung vorläufigen Berechnungen zufolge das zweite Jahr in Folge geschrumpft. Bereits 2023 ging sie um 0,3 Prozent zurück. Zuletzt schrumpfte die Wirtschaftsleistung 2002 und 2003 zwei Jahre nacheinander. Damals war die Rede von Deutschland als „kranker Mann Europas“.
Und auch jetzt hinkt das Land im internationalen Vergleich hinterher. Das BIP stieg seit 2019 insgesamt um lediglich 0,3 Prozent. Zum Vergleich: Für die gesamte EU geht die EU-Kommission im selben Zeitraum von einem Wachstum von 5,3 Prozent aus; in den USA waren es 11,4 Prozent und in China 25,8 Prozent.
Besonders die Industrie kriselt. Deren Bruttowertschöpfung verringerte sich vergangenes Jahr um 3 Prozent. Vor allem die Auto- und Maschinenbauer produzierten weniger. So verkaufte der Volkswagen-Konzern 2024 insgesamt 9,027 Millionen Fahrzeuge, ein Minus von 2,3 Prozent verglichen mit 2023.
Verzicht und Kürzungen
Der Konzern handelte deswegen kurz vor Weihnachten mit der IG Metall ein hartes Sparprogramm für seine Stammmarke aus. Zwar konnte die Gewerkschaft Massenentlassungen und Betriebsschließungen verhindern. Dafür müssen Beschäftigte aber vorerst auf Lohnerhöhungen und teilweise auch Sonderzahlungen verzichten.
Die schlechte Lage machte sich auch sonst bereits bemerkbar. Zwar gab es 2024 einen Beschäftigungsrekord von im Schnitt 46,1 Millionen Erwerbstätigen, allerdings kam der Anstieg Ende des Jahres zum Erliegen. In der Industrie und auf dem Bau ging die Zahl der Erwerbstätigen bereits zurück. Auch für 2025 sind Experten pessimistisch. „Weil die belastenden Faktoren weiter bestehen, ist keine schnelle Trendwende zu erwarten“, sagt Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).
„Auch zum Jahresbeginn 2025 sind keine Lichtblicke erkennbar. Neben der ausgeprägten konjunkturellen Schwäche lastet der strukturelle Wandel auf der deutschen Wirtschaft“, schätzt Jan-Christopher Scherer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Die Union versucht die schlechte Konjunktur im Wahlkampf zu nutzen: „Jeder kann sich am 23. 02. für den Politikwechsel entscheiden und so dazu beitragen, dass diese wirtschaftliche Abwärtsspirale endlich gestoppt wird“, schrieb die stellvertretende CDU-Generalsekretärin Christina Stumpp auf X. Für Konjunkturforscher Dullien ist die Ampel allerdings nur zum Teil verantwortlich für die Situation.
Ihm zufolge drücken vier Faktoren auf die Wirtschaft: Erstens zunehmender Protektionismus und geopolitische Spannungen, zweitens die nach wie vor hohen Energiepreise, drittens die hohen Zinsen und erst an vierter Stelle die auseinander gebrochene Ampelregierung, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse im Herbst 2023 auf Ausgabenkürzungen gesetzt hat und so Unsicherheit bei Unternehmen und privaten Haushalte erzeugte.
Immerhin eine gute Nachricht gibt es laut Statistischem Bundesamt: 2024 stiegen die Löhne und Gehälter so stark, dass ihre Kaufkraftverluste im Zuge der Coronapandemie und Energiepreiskrise endlich kompensiert wurden. Allerdings gaben die Menschen es nicht aus: Die Sparquote, die angibt, wie viel die Menschen von ihrem Einkommen zur Seite legen, stieg auf 11,6 Prozent. Für Ökonom*innen ein Zeichen, dass Menschen der Situation nicht trauen und Angst um ihren Job haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Pläne zur Krankenversicherung
Ohne Schutzschild aus der Deckung
„Campact“ startet Anti-CDU-Kampagne
Kein Kreuz für Merz
Ökonom zu Habecks Sozialabgaben-Vorstoß
„Die Idee scheint mir ziemlich unausgegoren“
Abstoßender Wahlkampf der Rechten
Flugticket-Aktion sorgt für neue Forderungen nach AfD-Verbot
Hoffnungsträger Wasserstoff
Wünsch-dir-was reicht lange nicht
Debatte über Staatsbürgerschaft
Sicherheitsrisiko Friedrich Merz