Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Polen hofft auf Geschäft mit Gas

Das Ende von Nord Stream 2 käme dem Land gelegen. So könnte es gemeinsam mit den USA den Gasmarkt in Europa neu aufrollen.

Röhren der Baltic Pipe: Damit soll Gas von Dänemark durch die Ostsee nach Polen transportiert werden Foto: John Randeris/Scanpix/imago

WARSCHAU taz | Wer in Polen nur Zugang zum Staatssender TVP hat, dem ehemaligen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sieht täglich Bilder von der polnisch-belarussischen Grenze. Schwer bewaffnete polnische Soldaten schützen Polen dort vor dem „hybriden Krieg“, den der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko führe, indem er Flüchtlinge aus dem Nahen Osten über die polnische Grenze in die EU schleuse.

Zurzeit seien es aufgrund eisiger Wintertemperaturen nicht Hunderte, sondern täglich allenfalls ein paar Dutzend, die den hastig hochgezogenen Stacheldrahtzaun zu überwinden versuchen. Doch die Nachricht ist schon seit Monaten die immer gleiche: Die ganze westliche Welt, insbesondere aber die EU und Deutschland, müssten Polen für den Schutz der EU-Außengrenze dankbar sein.

Erst danach kommen Bilder zum russisch-ukrainischen Konflikt – russische Panzer rollen auf Zügen in Richtung ukrainische Grenze, heißt es. Ukrainische Soldaten in weißen Schneetarnanzügen sitzen in primitiven Holzhäuschen und überwachen mit Feldstechern die Stellungen der prorussischen Separatisten auf der anderen Seite im Donbass. Die Botschaft ist auch hier klar: Die ukrainischen Soldaten brauchen Waffen zur Verteidigung.

Zum Schluss sendet das polnische Staatsfernsehen die fast immer gleichen Bilder von einer strahlenden Angela Merkel, die vor Jahren, als sie noch Kanzlerin war, gemeinsam mit ihren russischen Freunden das große Steuerungsrad für die Gaspipeline Nord Stream 1 aufdreht. Dann kommt abwechselnd mal ein Bild des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder, der seinen Freund Wladimir Putin herzlich in den Arm nimmt, oder auch ein Bild vom Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee.

„Die Deutschen sind die Freunde der Russen“

Das ist die wichtigste TVP-Botschaft: Die Deutschen sind die Freunde der Russen. Das sei seit 1939 so, als das Deutsche Reich und die Sowjet­union gemeinsam Polen überfielen und anschließend Europa gemäß dem Geheimprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts in Einflusszonen unter sich aufgeteilt hätten. Auch PiS-nahe Zeitungen und Zeitschriften pflegen diese Kriegsrhetorik, die Deutschland immer eng an der Seite Russlands sieht. Sie titeln beispielsweise: „Russische Aggression – Deutscher Verrat. Berlin setzt auf Moskau, verlässt seine Bündnisgenossen und zerschlägt die Einheit der Nato.“ Oder auch: „Die Deutschen finanzieren den russischen Krieg. In Europa herrscht eine Stimmung wie vor dem Zweiten Weltkrieg.“

Polens Regierung hält sich allerdings auffällig zurück und vermeidet den martialischen Ton der rechten Medien im Lande. Auch die Hilfszusagen an die Ukraine halten sich eher im Rahmen. Polen werde der Ukraine unentgeltlich ca. 15.000 Schuss Munition „zur Verteidigung“ aus den eigenen Reservebeständen liefern, außerdem einige mobile Flugabwehrvorrichtungen samt Raketen des Systems Piorun. In offiziellen Reden grenzen die national-populistischen Regierungspolitiker die Militärhilfe an die Ukraine aber immer von der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 ab, die auch hier öfter mit dem Hitler-Stalin-Pakt verglichen wird.

Der Hintergrund: Polen will gemeinsam mit den USA den zentraleuropäischen Gasmarkt neu aufrollen und den Deutschen das bis­herige Geschäft abnehmen. Zu diesem Zweck hat Polen in Norwegen ausgedehnte Gasförderfelder gekauft, baut zurzeit die Baltic Pipe durch die Ostsee und errichtete an der Ostseeküste bereits gigantische Gaszisternen, in denen das Flüssiggas aus den USA wieder in Gas verwandelt und dann vor allem exportiert werden soll.

Das seit vielen Jahren geplante Geschäft wird aber nur dann ordentlich Gewinn abwerfen, wenn Nord Stream 2 nicht an den Start geht und so kein günstiges Gas nach ganz Europa liefert. Als Putin seine Panzer an der ukrainischen Grenze stationierte, dürften bei den Anti-Nord-Stream-2-Lobbyisten die Korken geknallt haben. Denn damit hat Putin der Pipeline womöglich den Todesstoß versetzt.

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