Kommunale Wärmeplanung: Die Streber im Südwesten
Zahlreiche Städte in Baden-Württemberg haben ihre kommunale Wärmeplanung längst erledigt - und zeigen, was kluge Konzepte ausmacht.
Es war ein schwieriger Kompromiss: Nach langen Diskussionen hat die Bundesregierung ihr Gebäudeenergiegesetz (GEG), das ursprünglich schon im kommenden Jahr den Einbau reiner Öl- und Erdgasheizungen verbieten sollte, entschärft. Jetzt soll die Regelung erst dort greifen, wo es kommunale Wärmepläne gibt.
Während die Bundesregierung für deren Ausarbeitung eine Frist bis 2028 setzen will, haben in Baden-Württemberg viele Kommunen ihre Wärmepläne schon fast oder sogar komplett fertiggestellt. Hier wurden schon vor drei Jahren die 104 größten Städte – all jene mit mehr als 20.000 Einwohnern – per Landesgesetz verpflichtet, bis Ende 2023 Wärmepläne vorzulegen. Damit ist Baden-Württemberg allen anderen Bundesländern weit voraus und rückt mit dem Gesetzesvorhaben in Berlin nun deutschlandweit ins Blickfeld.
Die beschlossene Kopplung des GEG mit einem „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ ist das späte Eingeständnis der Bundesregierung, dass allzu starre Vorgaben bei der Heiztechnik nicht sachgerecht sind. Bislang ignorierten die Pläne aus Berlin die Tatsache, dass sich kluge Wärmekonzepte an der örtlichen Siedlungsstruktur orientieren müssen. Denn vor der flächendeckenden Umstellung der Gebäude auf klimafreundliche Heizungen braucht man vor allem lokale Daten zum Wärmebedarf und Wärmeangebot.
Den Schornsteinfeger einbeziehen
Diese Daten gilt es im Zuge der Wärmeplanungen zu erheben, nachdem man bisher manchmal eher zufällig auf sinnvolle Wärmekonzepte gestoßen war. Auch das zeigt ein Beispiel aus Baden-Württemberg: In Bonndorf im Schwarzwald begann das Bürgerunternehmen Solarcomplex vor Jahren mit der Planung eines Nahwärmenetzes. Auf der Suche nach möglichen Kunden, nach Wärmeabnehmern, traten die Mitarbeiter auch an die örtliche Schinkenfabrik Adler heran.
Die Antwort des Unternehmens kam überraschend. Nein, man brauche wirklich keine Wärme, man habe selbst mehr als genug Abwärme aus der Produktion. So übernahm das Unternehmen am Ende genau die gegenteilige Rolle als jene, die ihm ursprünglich zugedacht war. Adler liefert heute einen guten Anteil der Wärme im Bonndorfer Netz, das 270 Wohn-, Gewerbe- und kommunale Gebäude beheizt. Eine sachgerechte Lösung kam also nur zustande, weil sich vor Ort Akteure die Mühe machten, lokale Potenziale auszuloten.
Nicht überall gibt es solche Macher. Auch denken die Unternehmen oft wenig darüber nach, ob es mögliche Interessenten für ihre Abwärme gibt. Werden Städte nun verpflichtet, das Wärmeangebot und den Wärmebedarf auf ihrem Gebiet systematisch zu kartieren, können daraus individuell optimierte Konzepte entstehen. Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft begrüßt diese Vorgehensweise: „Vor Ort kann am besten entschieden werden, welche Technologie am sinnvollsten ist, um die Wärmeversorgung schnell und effizient klimaneutral zu machen.“
Für die betroffenen Kommunen steht am Anfang einer solchen Bedarfsanalyse immer die Erfassung des Ist-Zustands. Daten von Energieversorgern und Schornsteinfegern – aus der Heizleistung der Kessel lassen sich die Bedarfswerte abschätzen – liefern das Grundgerüst der Wärmepläne. Am Ende, so die Vorgaben in Baden-Württemberg, müssen die Dokumente zeigen, wie der gesamte Wärmesektor in der Kommune bis 2050 klimaneutral werden kann. Für das Jahr 2030 sind Zwischenziele zu definieren.
Wenn nun auch der Bund ein Wärmegesetz erlässt, ist das für die größeren Städte im Südwesten wenig relevant – sie haben ihre Hausaufgaben schon gemacht. Wichtig könnte das neue Gesetz hingegen auch dort für kleinere Städte werden. Der Bund möchte Wärmepläne bereits für Städte ab 10.000 Einwohnern einfordern, nicht erst ab 20.000. Damit fielen in Baden-Württemberg rund 130 weitere Städte unter das Gesetz – was Experten für Energieeffizienz, wie etwa die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg in Karlsruhe, sehr begrüßen würden.
Bei der Erstellung der Wärmepläne hatten die Kommunen Baden-Württembergs viele Freiheiten, um entsprechend ihrer lokalen Bedürfnisse eigene Akzente zu setzen. In Lörrach zum Beispiel erarbeitete man einen Plan für den gesamten Landkreis, womit dann auch all die kleinen Gemeinden eingebunden wurden, die gar nicht verpflichtet sind, einen Wärmeplan zu erstellen. Der Landkreis Lörrach hat seinen Plan bereits vor Ablauf der Frist abgeschlossen. Auch die Stadt Offenburg wird ihren Wärmeplan schon im Juli beim Regierungspräsidium einreichen.
Die Vorgaben seien durchaus praktikabel und das Ergebnis für die weitere Planung ausgesprochen hilfreich, heißt es in den Stadtverwaltungen. Das Gesetz ließ eine sachgerechte Herangehensweise zu. So taten sich auch Städte zusammen, wenn es ihnen sinnvoll erschien – wie etwa Kornwestheim und Ludwigsburg im Großraum Stuttgart, die ohnehin über ein gemeinsames Stadtwerk verfügen.
Holzhackschnitzel und Solarwärme
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Andernorts beteiligen sich kleinere Kommunen an der Wärmeplanung ihrer großen Nachbarn, obwohl sie selbst gar nicht dazu verpflichtet sind. Ein großer Pluspunkt der Wärmeplanungen liegt in der technologieoffenen Strategie. So kann jede Stadt eigene Ideen entwickeln, wie sie der gestellten Anforderung der Klimaneutralität gerecht werden will. Sie kann stark auf Wärmepumpen setzen, muss dann aber darlegen, aus welchen Quellen der Strom für deren Betrieb kommen soll.
Möglich ist auch der Einsatz von Gas, sofern dieses als „grün“ anerkannt ist, etwa bei Biogasanlagen. Auch Abwärme soll bestmöglich eingebunden werden. Solche Projekte werden in Baden-Württemberg zahlreicher. In Rheinfelden zum Beispiel, wo das Chemieunternehmen Evonik mit Abwärme bislang den Rhein heizte, wird die Energie nun über ein Nahwärmenetz an Kunden geliefert. Andere Netze nutzen Holzhackschnitzel als Wärmequelle; immer öfter wird auch Solarwärme aus einem Kollektorfeld eingebunden.
Gute kommunale Wärmekonzepte sind, wie die baden-württembergischen Projekte zeigen, eben keine Projekte von der Stange – was nach langem Streit um das GEG inzwischen auch Eingang in die Berliner Debatte gefunden hat.
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