Kommentar Grüne und linke Perspektiven: Es ist zum Ins-Gras-Beißen
Das Strahlepopduo Baerbock/Habeck bringt der Partei neuen Glanz. Doch Linke haben bei den Grünen künftig keine Chance mehr. Bitter.
N a, danke. Die Grünen haben seit ihrem Parteitag am Wochenende wieder einen funktionierenden Vorstand. Das Strahlepopduo Baerbock/Habeck bringt der Partei neuen Glanz, klare Haltung, berechtigte Hoffnung auf Erfolg. Vor allem aber ist es eins: ehrlich. Denn es sagt: Linke haben bei den Grünen keine Chance mehr. Sie werden allenfalls noch als schmückendes Beiwerk gebraucht, für die Parteifolklore. Aber sonst: keine Schnitte.
Das ist – auch – ein Problem der Linksgrünen selbst. Deren Personalangebot ist, sagen wir mal so, unterdurchschnittlich. Was wiederum daran liegt, dass die Grünen für Linke schon länger nicht besonders attraktiv sind, weil sie nie zum Zuge kommen. Kein Wunder, dass der linke Flügel lahmt.
Wer bei der unumgänglichen sozialökologischen Transformation auf den Standpunkt beharrt, dass Umverteilung Grundvoraussetzung für einen von breiten Schichten getragenen ökologischen Umbau ist – und nicht umgekehrt –, der kann den Durchhalteparolen eines Jürgen Trittin Glauben schenken. Oder er erkennt: Der Schnurrbart ist ab. Wenn es hart kommt, dient die soziale Frage allenfalls als Verhandlungsmasse. Die Grünen sind ein Bioprodukt für den gehobenen Mittelstand.
Das ist nicht prinzipiell falsch. Nur muss man sich als links progressiv denkender Mensch fragen, wo man dann zu Hause ist. Bei der Linkspartei? Die macht in Sachen Überwindung eines überholten Dogmatismus große Fortschritte. Einerseits. Und nähert sich andrerseits.
Wozu soll man dann noch raten – Sozialdemokraten? Die haben immerhin gerade Kevin, den Kühnen, der der alten Tante SPD Beine macht. Und die wird, falls sie die Groko-Verhandlungen versemmelt, bei dann anstehenden Neuwahlen hinter den sexy Grünen landen. Für alle, die sich im Oppositionellen wohler fühlen, mag das ein Trost sein. Nur wo bleibt die Perspektive für Linke mit Gestaltungswillen?
Es ist zum Ins-Gras-Beißen. Das immerhin ist dann schön öko. Na, danke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier