Kolumne Liebeserklärung: Danke, Andrea Nahles
Mit der Gleichsetzung von radikalen Klimaschützern mit Klimawandelleugnern klärt die SPD-Vorsitzende endlich, ob ihre Partei noch wählbar ist: nein.
E s gab mal eine Zeit, das war die SPD umweltpolitisch weit vorn in diesem Land. Ihr Vordenker Hermann Scheer hat die Grundlagen für die Energiewende gelegt, ihr langjähriger Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth hat sich später um den internationalen Klimaschutz verdient gemacht.
Doch diese Zeiten, in denen man als verantwortungsbewusster Mensch, der sich um die Zukunft des Planeten sorgt, in Versuchung kommen konnte, die SPD zu wählen, sind nun endlich vorbei. Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles hat ein für alle Mal klargemacht, dass sie konsequenten Klimaschutz nicht nur ablehnt, sondern zutiefst verachtet.
In einer Rede (ab Minute 18.40) beim Bundesverband der Deutschen Industrie stellte sie Menschen, die sich nur für Klimaschutz interessieren (und nicht auch für Arbeitsplätze und Energiepreise) auf eine Stufe mit der AfD, die den menschengemachten Klimawandel bestreitet. „Beides sind meiner Meinung nach komplett unhaltbare Positionen, denen wir uns auch entgegenstellen müssen“, sagte Nahles allen Ernstes.
Schon die Annahme, Klimaschutz und Arbeitsplätze seien Widersprüche, zeugt dabei von wenig Sachkenntnis – schließlich zeigen alle Erfahrungen und Prognosen, dass konsequenter Klimaschutz zu mehr Jobs führt und volkswirtschaftlich positive Effekte hat. Doch selbst wenn Nahles das nicht wissen sollte, zeugt ihre Aussage von unglaublicher Dummheit.
Denn 73 Prozent der Deutschen wollen einer aktuellen Umfrage zufolge (PDF) bis spätestens 2030 aus der Kohle aussteigen, 46 Prozent sogar schon bis 2025. Alle diese Menschen wissen dank der ehrlichen Worte der SPD-Vorsitzenden nun, wen sie definitiv nicht wählen sollten.
Statt der breiten gesellschaftlichen Mehrheit, die der nächsten Generation einen lebenswerten Planeten hinterlassen will, umwirbt Nahles lieber andere Zielgruppen: die Industriebosse (die ihrer Rede begeistert applaudierten, aber am Ende vermutlich trotzdem nicht SPD wählen werden) und die 20.000 Beschäftigten der deutschen Kohleindustrie (die übrigens auch bei einem Kohleausstieg kaum von Kündigung bedroht wären). Immerhin: Die Stimmen dieser 0,04 Prozent der Wahlberechtigten dürften der SPD unter Nahles weiterhin sicher sein.
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