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Koalitionsmöglichkeiten der SPDNein zu R2G ist keine Option

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Die Angst in deutschen Landen vor dem Kommunismus überwiegt bisweilen die Sorge vor der Klimakrise. Dennoch sollte Scholz R2G vorerst nicht absagen.

Ein Zusammengehen mit diesen zwei PolitikerInnen sollte die SPD jetzt noch nicht ausschließen Foto: Michele Tantussi/reuters

F ür den zunehmend verzweifelten Kanzlerkandidaten Armin Laschet gibt es, Umfragenstand jetzt, nur noch einen letzten Hoffnungsschimmer: die Angst vor Rot-Grün-Rot. Laschets Last-Minute-Strategie zielt also darauf ab, dass sich genügend Leute so sehr davor gruseln, mit einem SPD-Kanzler Olaf Scholz auch die Linkspartei am Kabinettstisch zu bekommen, dass sie doch lieber wieder Union wählen. Kann das aufgehen?

Nur noch auf die Warnung vor dem alten, roten Schreckgespenst zu setzen, wie es Laschet jetzt seit Tagen tut, ist erbärmlich defensiv, rückwärtsgewandt und peinlich – gerade für einen Mann, der eigentlich einmal für relativ moderne, liberale CDU-Politik gestanden hat. Aber chancenlos ist diese Angstkampagne nicht. In ökobewussten und nach links offenen Großstadtkreisen wird oft unterschätzt, wie traditionell in anderen Kreisen nach wie vor gedacht und gefühlt wird.

Nicht alle lachen, wenn Laschet verspricht, dass er sich dem „Wind der Veränderung“ standhaft entgegenstellen werde. So grotesk das für Linke wirkt, entspricht es doch einer klassisch konservativen Grundhaltung. Es kann deshalb auch sein, dass sich selbst im Jahr 2021 noch viele Menschen mehr vor dem vermeintlich drohenden Kommunismus fürchten als vor dem real existierenden Klimawandel. Olaf Scholz könnte diesen Spuk beenden, indem er eine Koalition mit der Linken ausschließt.

Die Versuchung ist ihm anzumerken, doch ein finales Nein der SPD zu Rot-Grün-Rot wäre doppelt dumm. Langfristig betrachtet, weil Scholz dann nach der Wahl viel weniger Verhandlungsspielraum hätte. Womit soll er einem möglichen Ampelpartner Christian Lindner drohen, wenn er gar keine Alternativen zur FDP mehr hätte?

Vor allem aber würde Scholz mit dem voreiligen Verzicht auf wirklich linke Machtoptionen viele vergraulen, die das betont sozial ausgerichtete Wahlprogramm gerade erst zur SPD zurückgelockt hat. Die links angehauchte, sachte Aufbruchstimmung gleich wieder im Keim zu ersticken, wäre für die SPD unterm Strich gefährlicher als Laschets verzweifelte Warnung vor dem Kommunismus.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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39 Kommentare

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  • Die Formulierung "Wind der Veränderung" erinnert natürlich an "winds of change". Ob das von Laschet so beabsichtigt war? Wenn sich jemand positiven Veränderungen "standhaft" entgegenstellt, wird er natürlich nicht gewählt. Je nach Politikfeld werden die Wähler Veränderungen gut finden oder eben nicht. Ich persönlich würde die Grünen sofort wählen, wenn es nur um Klimapolitik ginge - da braucht es Veränderung, möglichst sofort. Auf der anderen Seite haben sie jede Menge ideologischen Ballast und suchen Veränderung, wo ich sie gar nicht haben will, z.B. in der Pflege der deutschen Sprache.

    Was mach ich nun als Wähler, der gerne das Klima retten will, aber bitte ohne Gendersprache?!?

  • Die letzte Bundestagswahl hat gezeigt, dass die SPD mächtig abrutschte, nachdem sie sich nicht zuvor bei den Wahlen im Saarland deutlich von der Linkspartei distanzierte.

    Man traut der SPD zu sozial viel zu erreichen, aber zusammen mit der Linkspartei verliert die SPD insgesamt an Glaubwürdigkeit.

    Der deutsche Michel hat nix gegen Soziales, aber deswegen sollen Firmen nicht pleite gehen so wird wohl die Denke sein.

    Ein Nein zu RRG ist somit sehr wohl eine Option.

    • @Rudolf Fissner:

      Das ist Schwachsinn. Das Ergebnis in Saarland hatte nichts damit zu tun, sonst hätten die konservativen SPD Landesverbände ja viel stärker sein müssen

    • @Rudolf Fissner:

      Von welchen Firmen mit welchem Umsatzschwellwert reden Sie denn hier mal wieder Herr Fissner? Als ob bei einer RegierungsBETEILIGUNG Firmn pleite gehen - flacher gehts kaum

    • @Rudolf Fissner:

      Sehe ich auch so.

  • Kommunismus, das wäre doch schön. Es würde vielen Menschen viel besser gehen. Man kann den Kommunismus nicht immer gleichsetzen mit den kommunistischen Systemen, die gescheitert sind. Das lag nie am System selbst, sondern an der machtgetriebenen Politik derer, die in ausgenutzt haben. Oh, wie bei uns mit dem Kapitalismus. Ist ja interessant...

    • @t-mos:

      Die übliche Phrase: das System sei gut, nur die Menschen versauen es. Das Problem: der Mensch ist eben so. Du kannst die Menschen nicht passend für ein System machen, sondern du brauchst ein System das zum Menschen passt. Der Kommunismus ist es nicht, wie man nach diversen gescheiterten Freifeldversuchen festgestellt hat.

  • taz: "Die Angst in deutschen Landen vor dem Kommunismus überwiegt bisweilen die Sorge vor der Klimakrise. Dennoch sollte Scholz R2G vorerst nicht absagen."

    Kommunismus gab es nie in der Realität und wird es auch nie geben, weil Kommunismus eine Philosophie ist, von der schon Platon in "Der Staat" gesprochen hat. So lange aber die naiven und oftmals ungebildeten Bürger sich immer wieder von den neoliberalen Medien erzählen lassen, dass soziale Gerechtigkeit nur böser Kommunismus ist, so lange wird sich in Deutschland auch nichts ändern - außer dass die Essenstafeln wohl noch mehr zunehmen werden. 1998 gab es 155 Tafeln in Deutschland, jetzt sind wir schon bei 956 Tafeln angelangt. Die Tafel - "Der Geruch der Armut".

    Dass die Agenda-2010-Partei immer noch nichts mit "Die Linke" zu tun haben möchte, lässt auch tief blicken. Am Ende wird es wohl doch wieder nur ein "weiter so" mit der SPD geben.

    Soziale Gerechtigkeit, Klima- und Naturschutz müsste eigentlich auf der Agenda aller Politiker stehen - aber bei den neoliberalen Parteien (Union, FDP und seit Schröder auch die SPD) steht da wohl wieder nur das Wort "Wirtschaftswachstum".

    • @Ricky-13:

      "Kommunismus gab es nie in der Realität ..." 🤪

      Und wie nennt man "es" dann? Kommunismusversuch? Solidarisches Hungern?

    • @Ricky-13:

      >>Am Ende wird es wohl doch wieder nur ein "weiter so" mit der SPD geben.

      • @NoMeansNo:

        Am Ende gibt es deshalb wahrscheinlich einfach wieder eine GroKo.... mit Scholz als Merkel 2.0

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Nur noch auf die Warnung vor dem alten, roten Schreckgespenst zu setzen, wie es Laschet jetzt seit Tagen tut, ist erbärmlich defensiv, rückwärtsgewandt und peinlich ..."



    Wenn Du denkst, es geht nicht blöder, kommt Söder. Im TV sprach er vom "Linksrutsch" und zeigte mit großer Geste an, wie der funktioniert. Er ist wohl Rechtshäner.

  • Wenn das Wahlergebnis Rgr ermöglicht, wäre es einen Versuch wert, eine Koalition auszuloten und eine andere Politik als die letzten 16 Jahre zu machen. Da wird die Linke einige Kröten schlucken müssen. Z.B. wenn es um die jährliche Zustimmung zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr geht. Da sollten die Regierungsfraktionen schon geschlossen zustimmen. Oder wenn Waffen für Israel beschlossen werden, da kann man plötzlich nicht mehr sagen, nicht mein Bier. Russland in die Sicherheitsarchitektur Europas aufnehmen, ja natürlich klingt das gut, was hat denn Frau Merkel die ganzen Jahre versucht? Putin ist ein Aggressor gegen die Ukraine, wie soll man ihn plötzlich wieder integrieren? Innenpolitik mit der Linken geht, aber die Rolle Deutschlands in der Welt definieren und hier einen Konsens finden, das wird nicht ganz einfach.

  • "Es kann deshalb auch sein, dass sich selbst im Jahr 2021 noch viele Menschen mehr vor dem vermeintlich drohenden Kommunismus fürchten als vor dem real existierenden Klimawandel."

    Endlich ist es raus. Die Linkspartei will auch nur Kapitalismus :-)



    Da stört auch eine Parteivorsitzende nicht mit ihrer Zugehörigkeit zum trotzkistschigen Netzwerk marx21. Ein bisschen Folklore muss sein!

    Kein Wunder warum FfF auch die Linkspartei zu den Schnecken zählt die die Ziellinie 1,5° nie erreichen wird.

    • @Rudolf Fissner:

      Sie haben Anne Will geschaut?

      • @Elena Levi:

        Ja, Frau Wissner ist ganz still geworden und konnte sich weder richtig distanzieren noch dazu stehen.

  • Das "Schreckgespenst Kommunismus" wirkt auf mich zur Zeit anachronistisch, lächerlich und verzweifelt.



    Wer da doch ernsthaft Sorgen hat, könnte sich für eine starke Koalition mit nur zwei Parteien einsetzen. Mit Augenmerk auf soziale Gerechtigkeit, Umwelt- und Klimaschutz also rot und grün. Damit könnte Deutschland wichtige Zukunftsziele auch in Taten umsetzen.

    • @Nilsson Samuelsson:

      Oh ja, so wie unter Schröder und Fischer - leider wirken Scholz und Baerbock in Kombi auf mich ähnlich wie die :-(

      Das geht wohl eher in Richtung neoliberales Schreckgespenst...

      • @NoMeansNo:

        Was wäre denn Ihre Empfehlung an Menschen, die Angst bekommen von dem von der CDU und FDP herbeigeschworenen "Schreckgespenst Kommunismus" und sich trotz dem eine Politik für soziale Gerechtigkeit, Umwelt und Klimaschutz wünschen?

        • @Nilsson Samuelsson:

          Wie wärs mit der Betrachtung der realen Welt? Es gab diverse Regierungsbeteiligungen der Linken in diverse Bundesländern, sie stellt sogar einen MP, und - Heißa, Sensation - weder wurde die Mauer neu errichtet, noch die Stasi reanimiert, noch geschah sonst etwas Schreckliches.

        • @Nilsson Samuelsson:

          Diese Menschen gibt es glaube ich nicht - entweder Angst oder Wunschtraum, beides gleichzeitig schwer vorstellbar ;-)

    • @Nilsson Samuelsson:

      Der Haken dabei ist: leider gibt es keine Mehrheit für Rot/Grün … Gottseidank aber auch nicht mehr für Schwarz/Grün!



      Und das ist der ganze Kummer der transatlantisch gewendeten Neogrünen um Habeck/Baerbock, dass ein progressives Regierungsbündnis ohne die Linkspartei nicht zu haben ist … aber keine Sorge: soviel Schaden kann eine 6%-Partei in Regierungsverantwortung nun auch nicht anrichten.

      • @Abdurchdiemitte:

        Warten wir ab, Wahlergebnisse haben wir ja erst nach der Wahl...;-) Das "Schreckgespenst Kommunismus" ist aus meiner Sicht vor allem ein Ausdruck dafür, dass die Konservativen Kräften zur Zeit keine eigene zukunftsrelevanten Inhalte haben und deswegen darauf angewiesen sind, Ihre Gegner schlecht zu reden.

    • @Nilsson Samuelsson:

      In Deutschland sind jetzt noch nicht alle Scherben der letzten SPD - Grünen Regierung aufgeräumt und Sie wollen die schon wieder an der Regierung. Masochist ??



      Und das einzige was der Kommunismus bewiesen hat, ist das er theoretisch funktioniert aber praktisch nicht umsetzbar ist. Warum dann so einen Blödsinn machen ?

      • @Günter Witte:

        Ich glaube die "Schreben" sind zur Zeit soziale Ungerechtigkeit, Umwelt und Klimakatastrofe.



        Lange Debatten über "Schreckgespenster" der Vergangenheit wird uns aus meiner Sicht in diesen Sachen nicht viel bringen.

  • Helmut Kohl wäre heute in der Linkspartei.

    • @Bernd Berndner:

      LOL, Sowas kann nur jemand schreiben, der die Zeit nicht erlebt, oder vergessen hat.

    • @Bernd Berndner:

      Der is gut. Gibt's denn nicht schon genug Birnen in der LINKEN?

  • Ja, das Schreckgespenst Kommunismus. Die Angstmache von Laschet und Söder würde weit weniger wirken, wenn es DieLinke besser vertehen würde den Demokratischen Sozialismus zu erklären. Es ist, zumindest für mich, die einzige Möglichkeit für eine gerechte und lebenswerte Welt in der es meinen Enkelkindern gut geht.



    Die alten Systeme haben diesen Planeten an die Wand gefahren - wir sollten daraus lernen......

    • @m.d.bichlmeier:

      Wer den "real existierenden Sozialismus" miterlebt und darunter gelitten hat, der wird der SED-Nachfolgepartei kaum über den Weg trauen. Besonders auch, weil sie bei der Aufarbeitung von DDR-Unrecht immer noch schön blockiert und relativiert.

    • @m.d.bichlmeier:

      Aber solange der Vorsitzende der Linken nicht mal in der Lage ist, einen Diktator von einem demokratischen Präsidenten zu unterscheiden, werden diese Erklärungsversuche niemanden überzeugen.

    • @m.d.bichlmeier:

      Der "demokratische Sozialismus" wurde bereits getestet und abgewählt. Mit solch einer Positionierung würde die Linke sicher keine 5 Prozent der Stimmen mehr bekommen.

      • @Tom Tailor:

        Wo und wann wurde denn der demokratische Sozialismus getestet? Das wäre mir neu…

  • Sich dem „Wind der Veränderung“ standhaft entgegenzustellen werde, wirkt für Linke also "grotesk"? Weil jede Veränderung automatischgut und richtig ist? Eine sehr naive Annahme.

  • Ein anderer Grund hier zu zögern ist: Wenn Scholz sich von der Linken zum Kanzler wählen lässt, wird es für die Bundes-CDU noch schwerer, in Thüringen (und auch andernorts) ihrer Fraktion und Mitgliedern die Zusammenarbeit mit der AfD auszureden. Dann wird die Duldung einer Minderheitsregierung durch die AfD in Thüringen als Reaktion auch gegen den Willen der Bundesparteien wahrscheinlich.

    • @Descartes:

      Hm, ist die Angst vor der AfD schon so groß, dass Sie ein solches Szenario befürchten … die CDU (aber auch die FDP) muss - gerade im Osten der Republik - ihr Verhältnis zu den Rechtsextremisten schon selber klären.



      Die potentiell linken Parteien können und sollten den Bürgerlichen dabei nicht die Hand reichen und sich auch nicht von Roten-Socken-Kampagnen lähmen lassen.



      Ich halte es zumindest für einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass der SPD-Kanzlerkandidat einer Koalition mit der Linken immerhin ein Hintertürchen offen halten will … wohl wissend, dass er dies nur tut, um in Koalitionsverhandlungen gegenüber Lindners FDP ein Faustpfand in der Hand zu haben.



      Aber wenn in der FDP Ideologie wieder einmal über Pragmatismus obsiegt („besser nicht regieren als schlecht regieren“), wer weiß, vielleicht hat dann die Stunde für R2G geschlagen.

  • Ich sach's mal so: Krieg der Schlümpfe um rote Strümpfe. Thema verfehlt Herr Laschet! Nach einer EM der Eigentore nun noch ein Bundestagswahlkampf mit Eigentoren. Von Solidität und Seriosität nicht der Hauch einer Spur. Niemand hat in den vergangenen Jahren mehr Planwirtschaft zu Gunsten von Monopolisten betrieben als die „Union“.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Vor Kommunismus zu warnen ist alberner konservativer Populismus. Schon das die Debatten asis in den USA waren hierfür sehr lächerlich, ebenso in UK. Sieht man sich die einstigen kommunistischen Staaten an, stellt man nur fest die Diktatur ist den herrschenden wichtiger.

    • @92293 (Profil gelöscht):

      Es reicht als Warnung, sich die heutigen kommunistischen Staaten anzuschauen (Nordkorea, Kuba, China). Und die einstigen kommunistischen Staaten leiden heute noch an den Spätfolgen - Ostdeutschland eingeschlossen.