Koalitionen nach der Bundestagswahl: Alle Ampeln auf Rot-Grün

Olaf Scholz präferiert ein Zweier-Bündnis mit den Grünen? Kein Problem: Noch ein paar ganz kleine Verschiebungen und die Koalition steht.

Olaf Scholz und Annalena Berbock sitzen auf einer Bühne

Olaf Scholz und Annalena Baerbock vergangenen Montag in Potsdam Foto: Britta Pedersen/dpa

Die Neunziger kommen zurück. Säcke als Hosen und Buffalo-Schuhe sind schon länger wieder im Trend. In der taz erschien kürzlich ein Interview mit dem Sänger von Liquido. Und bald ist auch Rot-Grün wieder da.

„Ich möchte gerne mit den Grünen zusammen regieren“, hat unser neuer Bundeskanzler im Interview mit dem Tagesspiegel auf die Frage nach seiner bevorzugten Koalition geantwortet. Klar, damit wollte Olaf Scholz in erster Linie der Frage nach Rot-Rot-Grün ausweichen. Aber so irre wie noch vor der Sommerpause ist die Vorstellung von Rot-Grün schon längst nicht mehr.

Legen wir die aktuellste Umfrage von Kantar zugrunde – deren Werte stützen unsere These am ehesten –, liegen Grüne und SPD aktuell bei 44 Prozent der Stimmen. Dem Onlinetool mandatsrechner.de zufolge käme Rot-Grün damit auf 408 Sitze im neuen Bundestag, in dem die Mehrheit bei 438 läge. Aufgrund der Unwägbarkeiten bei Direkt-, Überhangs- und Ausgleichsmandaten sind diese Zahlen natürlich mit Vorsicht zu genießen. Einen Eindruck von den ungefähren Größenordnungen liefern sie uns aber.

Um rund 35 Sitze müsste Rot-Grün also noch zulegen. Das ist durchaus im Rahmen des Möglichen, zumindest spricht der Trend bei Kantar für das Bündnis. Den Großteil des Augusts über lag Rot-Grün in den Umfragen des Marktforschungsunternehmens stabil bei 40 Prozent, Ende August ging es dann hoch auf 41 Prozent und vergangene Woche folgte der Sprung auf 44 Prozent. In derselben Umfrage verloren Union und FDP 3 Prozentpunkte.

Damit wir hinterher sagen können, dass wir es schon vorher gesagt haben: Unsere Au­to­r:in­nen deklinieren bis zum 26. September durch, wie die Wahl ausgehen könnte. Alle Texte der Serie hier.

Sollte es bis zur Wahl noch einmal eine Verschiebung in ähnlicher Größenordnung geben – drei Punkte mehr bei SPD und Grünen, drei weniger bei Schwarz-Gelb – läge Rot-Grün schon bei 482 von 968 Sitzen, also nur drei Sitze hinter der dann nötigen Mehrheit von 485. Diese Differenz wäre so knapp, dass wir sie als Messungenauigkeit getrost vernachlässigen dürfen.

Noch besser sähe es für Rot-Grün aus, wenn die Linke aus dem Bundestag fliegen sollte. Von der 5-Prozent-Schwelle ist sie bekanntlich nicht mehr weit weg. Wenn sie mindestens 3 Direktmandate holen sollte, dürfte sie zwar trotzdem wieder in Fraktionsstärke ins Parlament. 2017 gewann sie sogar 5 Direktmandate. Aber dass sich das wiederholt, ist kein Naturgesetz. Remember 2002.

Und selbst wenn am Ende noch ein paar Stimmen zur absoluten Mehrheit für Rot-Grün fehlen sollten: Es bleibt immer noch die Option der Minderheitsregierung. Für die Bundesrepublik wäre das zwar eine Premiere. Aber wenn alle anderen Konstellationen scheitern (1. Rot-Rot-Grün aus Bockigkeit aller Seiten, 2. Jamaika aus Tradition, 3. die Ampel aus anderen Gründen und 4. die Große Koalition, weil es irgendwann wirklich mal reicht), muss ja irgendwas passieren.

Ganz am Ende käme in diesem Fall mal wieder Artikel 63 Absatz 4 des Grundgesetzes zu kurzzeitiger Prominenz. Im letzten Wahlgang könnten SPD und Grüne mit einfacher Mehrheit für Scholz stimmen. Bundespräsident Steinmeier mag als Langweiler zwar keine instabilen Verhältnisse, würde Scholz aber trotzdem ernennen, weil er andernfalls den Bundestag auflösen müsste. Diese Option fällt für ihn als Sozialdemokraten freilich aus, weil die Grünen zu einer Neuwahl mit Robert Habeck als Kanzlerkandidat antreten und mit ihm die SPD bekanntlich abhängen würden. Quod erat demonstrandum: An Rot-Grün führt kein Weg mehr vorbei.

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