Klimaproteste in Lützerath: Aktivisten verlassen Tunnel
Die zwei verbliebenen Klimaaktivisten in Lützerath haben den unterirdischen Tunnel unter der Siedlung verlassen. Fridays for Future verteidigt die Demonstrierenden.
Verbliebene Aktivisten verlassen Tunnel unter Lützerath
Fünf Tage nach Beginn der Räumung von Lützerath haben zwei noch verbliebene Klimaaktivisten einen unterirdischen Tunnel unter der Siedlung verlassen. Das beobachtete ein dpa-Reporter am Montag. „Pinky & Brain sind draußen. Den beiden ehemaligen Tunnelbewohner_innen geht es gut“, hieß es auch im Aktionsticker Lützerath auf Twitter. Die Aktivisten mit den Tarnnamen „Pinky“ und „Brain“ galten als letzte Besetzer von Lützerath.
Die Räumung des Dorfes am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler kann damit als nahezu abgeschlossen angesehen werden. Die Polizei hatte bereits am Sonntag erklärt, dass die Räumung abgeschlossen sei – bis auf die zwei Aktivisten im Tunnel. Zunächst war nicht absehbar gewesen, wie lange es dauern würde, sie aus dem Gang unter der Erde rauszuholen. Die Werkfeuerwehr von RWE hatte die als „Rettung“ bezeichnete Aktion übernommen.
Ein Video zweier vermummter Personen auf der Plattform Youtube hatte seit Donnerstag für Aufsehen gesorgt. „Pinky“ und „Brain“ gaben darin an, sich in dem Tunnel unter Lützerath aufzuhalten. Der Tunnel sei eine sehr effektive Verteidigungsform gegen eine Räumung, argumentierten sie. Es sei viel schwieriger, einen Tunnel zu räumen als etwa ein Baumhaus. Die Polizei hatte erklärt, dass man Hinweise habe, dass das Video authentisch sei.
Das Dorf Lützerath, ein Ortsteil von Erkelenz westlich von Köln, ist seit Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem doppelten Zaun umgeben. Die wenigen Gebäude der Siedlung werden abgerissen, um es dem Energiekonzern RWE zu ermöglichen, die darunter liegende Braunkohle abzubaggern.
Gegen den Abriss und das geplante Abbaggern der Kohle hatte sich in den Tagen und Wochen zuvor allerdings Widerstand formiert. Aktivistinnen und Aktivisten hatten sich in Baumhäusern und Gebäuden verbarrikadiert, um Lützerath zu erhalten. Hunderte waren im Zuge der Räumung dann von der Polizei weggebracht worden oder hatten das Protestdorf freiwillig verlassen. (dpa)
„Fridays for Future“: Auch Bundesregierung verletzt geltendes Recht
Die Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ hat das Vorgehen von Demonstranten in Lützerath verteidigt, die am Sonntag den regulären Zug verlassen hatten und in Richtung Abbruchkante vorgedrungen waren. Auch die Bundesregierung halte sich nicht an geltendes Recht, sagte die Sprecherin von „Fridays for Future“, Annika Rittmann, am Montag im RBB-Inforadio. Als Beispiele nannte die sie die Bestimmungen des Pariser Klimaschutzabkommen und einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.
Laut Gericht sind die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar, als hinreichende Maßgaben für die weitere Senkung der Emissionen ab dem Jahr 2031 fehlen. Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten demnach unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.
Rittmann bezeichnete die Demonstration vom Sonntag gegen den Abriss von Lützerath als „gigantisches Zeichen gegen den fossilen Abbau und die Verantwortungslosigkeit, die mit dieser politischen Entscheidung einhergeht“. Die Entscheidung, den Kohleausstieg im rheinischen Revier vorzuziehen und den Ort Lützerath aufzugeben, werde „als positiver Gewinn dargestellt“, obwohl bereits jetzt Menschen unter der Klimakrise litten.
„Fridays for Future“ werde so lange weiter protestieren, bis Deutschland seine Klimaziele einhalte, sagte Rittmann weiter. Solange die Kohle im Boden sei, könne die Bundesregierung neu verhandeln. Rittmann kündigte im Rahmen der Proteste weitere Aktionen zivilen Ungehorsams an. (epd)
Polizeiforscher fordert unabhängige Ermittlung zu Lützerath-Einsatz
Der Hamburger Polizeiforscher Rafael Behr fordert eine unabhängige Ermittlung, um den Polizeieinsatz in Lützerath aufzuarbeiten. An den nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul (CDU) appellierte der Professor von der Polizei-Akademie Hamburg am Montag im WDR-Radio „unabhängige Stellen ermitteln zu lassen und die Ermittlungen nicht durch die eigene Polizei zu führen.“ Was angemessene Gewalt oder ein Gewaltexzess sei, müsse genau geprüft werden. Ein abschließendes Urteil stehe „der rechtlichen Verurteilung zu Verfügung und nicht der moralischen Empörung“.
Nach einer Demonstration am Sonnabend gegen die Abbaggerung des Weilers Lützerath für den Braunkohletagebau gibt es Debatten um Gewalt durch Polizei und Protestierende. Behr sagte, die Diskussion habe eine „Phase der extremen Narrative“ erreicht, die jede der beiden Seite nutze. Alle Vorwürfe müssten empirisch überprüft werden, sowohl Berichte der Polizei über Molotowcocktails als auch die Berichte der Klimaaktivisten über lebensgefährliche Verletzungen durch Polizeibeamte. „Beides wird sich wahrscheinlich bei nüchterner Betrachtung noch etwas relativieren“, sagte der Professor für Polizeiwissenschaften.
Einige Punkte ließen sich vermutlich schnell klären, sagte Behr. Etwa ob ein Hubschrauber eingesetzt wurde oder ob es lebensgefährliche Verletzungen unter den Teilnehmenden der Demonstration gab. Die Frage, wie verhältnismäßig die von der Polizei angewendete Gewalt war, sei hingegen schwieriger zu klären. Hier gebe es unterschiedliche Standpunkte und selbst die Staatsanwaltschaften bewerteten teils unterschiedlich, erklärte Behr.
Die Polizei NRW sei eigentlich dafür bekannt, dass sie früh deeskalierende Strategien einübe und auch durchhalte, sagte Behr. Aber in solchen Großaktionen gebe es meist eine Gewaltdynamik mit Ereignissen, die nicht vorbereitet werden könnten. „Und nach einigen Stunden, Tagen, Ermüdungserscheinungen, Frustrationen auf beiden Seiten gibt es tatsächlich Durchbrüche dieser deeskalierenden Strategie“, räumte der Polizeiwissenschaftler ein. Zudem definiere die Polizei vor ihren Einsätzen rote Linien, die nicht überschritten werden sollten. Andernfalls werde das klassische Handwerkszeug der Polizei aktiviert, „und das ist die physische Gewaltanwendung“. (epd)
Grünen-Chefin Lang zu Lützerath: für mich kein einfacher Kompromiss
Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang hat die Linie ihrer Partei bei der Räumung des Dorfs Lützerath für den Braunkohle-Abbau erneut verteidigt. „Das war für mich persönlich kein einfacher Kompromiss, ich glaube, für viele aus meiner Partei“, sagte sie am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Es sei aber ein Zeichen von Stärke, dass man es sich als Partei nicht einfach mache.
Die Polizei räumt seit Mittwoch das von Klimaaktivisten besetzte Lützerath, um RWE die Möglichkeit zu geben, es abzureißen und die darunter liegende Kohle abzubaggern. Führende grüne Politiker wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine NRW-Kollegin Mona Neubaur stehen hinter dieser Entscheidung. Sie sagen, dass die Kohle zur Aufrechterhaltung der Energiesicherheit benötigt werde. Der Abriss von Lützerath sei Teil eines Kompromisses, der auf der anderen Seite einen um acht Jahre vorgezogenen Kohleausstieg vorsehe. Teile der Grünen-Partei sowie zahlreiche Klimaaktivisten kritisieren hingegen den ausgehandelten Kompromiss. (dpa)
RWE: Klimaaktivisten besetzen Kohlebagger im Tagebau Hambach
Klimaaktivisten haben einen Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Hambach im rheinischen Braunkohlerevier besetzt. Insgesamt vier Menschen seien seit den frühen Morgenstunden auf dem Bagger, sagte ein RWE-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Dieser habe den Betrieb eingestellt. Die Polizei sei informiert.
Nach Angaben der Protestgruppe „Gegenangriff – für das gute Leben“ haben acht Aktivisten den Bagger besetzt. Mit der Aktion wolle man sich mit den Menschen im Dorf Lützerath solidarisch zeigen. Zudem kritisierte die Gruppe das dortige Vorgehen der Polizei und forderte die Vergesellschaftung der Energieproduktion.
Das rund 20 Kilometer vom Hambacher Tagebau entfernte Lützerath ist seit Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem doppelten Zaun umgeben. Die Gebäude der kleinen Siedlung auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz westlich von Köln werden aktuell abgerissen, um dem Energieunternehmen RWE zu ermöglichen, die darunter liegende Kohle abzubaggern. Klimaaktivisten hatten das verlassene Dorf besetzt.
Die Räumung des Dorfes hatte am Mittwoch begonnen. Am Sonntagabend teilte die Polizei mit, das Dorf mit Ausnahme von zwei Aktivisten in einem Tunnel geräumt zu haben. (dpa)
RWE: Tagebau könnte Lützerath im März oder April erreichen
Der Energiekonzern RWE geht davon aus, dass der Abriss des Braunkohleorts Lützerath schon bald abgeschlossen sein wird. Man erwarte, dass der Rückbau noch acht bis zehn Tage dauere, sagte ein Firmensprecher der Rheinischen Post. „Im März oder April könnte der Tagebau dann das frühere Dorf erreichen und abbaggern.“ Bis zum Ende des Rückbaus wolle die Polizei vor Ort bleiben.
Lützerath ist seit Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem doppelten Zaun umgeben. Die Gebäude der kleinen Siedlung auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz westlich von Köln werden derzeit abgerissen, um RWE zu ermöglichen, die darunter liegende Kohle abzubaggern. Klimaaktivisten hatten das verlassene Dorf besetzt.
Am Sonntagabend teilte die Polizei mit, das Dorf mit Ausnahme von zwei Aktivisten in einem Tunnel geräumt zu haben. „Es besteht Kontakt zu den Personen, die jedoch jegliche Rettungsversuche ablehnen“, sagte der RWE-Sprecher. RWE lade eine Autobatterie regelmäßig auf, die die Aktivisten für die Lüftungsanlage des Schachts benutzten, und leite Sauerstoff hinein. (epd)
NRW-Innenminister Reul verteidigt hartes Vorgehen der Polizei
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) verteidigt den Polizeieinsatz bei der Räumung des Ortes Lützerath und gibt Teilen der Demonstranten Schuld an gewalttätigen Zwischenfällen. Bei der Demonstration im rheinischen Braunkohlerevier am Samstag habe es Provokationen, Anfeindungen und Angriffe gegen die Polizei gegeben, sagte der CDU-Politiker der Düsseldorfer Rheinischen Post (Montag). Ein nicht unerheblicher Teil der Demonstranten habe den abgesprochenen Demonstrationsweg verlassen und die Konfrontation mit den Beamten gesucht.
„Es war immer klar, dass die Polizei deeskalierend wirkt und auf Dialog und Vernunft setzt“, sagte Reul. Das sei in den vergangenen Tagen auch deutlich geworden. „Aber es war genauso klar, dass die Polizei entschieden handeln und geltendes Recht durchsetzen wird, wenn es notwendig ist“, sagte der CDU-Politiker: „Dass der Plan des gewalttätigen Teils der Demonstranten, den Zaun um Lützerath zu überwinden, am Ende scheitern würde, war daher absehbar.“
Die Polizei hatte am Sonntagabend erklärt, dass die am Mittwoch begonnene Räumung des Ortes beendet ist. Weiterhin befinden sich nach Angaben der Polizei noch zwei Aktivisten in einem selbst gegrabenen Tunnel, die diesen freiwillig bislang nicht verlassen wollen. Für ihre Bergung ist den Angaben zufolge nun die RWE Power AG zuständig. Der RWE-Konzern will die unter Lützerath befindlichen Braunkohlevorkommen im Tagebau Garzweiler II abbauen.
Ein RWE-Sprecher sagte der Rheinischen Post, es bestehe Kontakt zu den Personen, „die jedoch jegliche Rettungsversuche ablehnen“. Es gebe Bemühungen, sie davon zu überzeugen, selbst herauszukommen oder sich herausbringen zu lassen.
Der Konzern geht davon aus, dass der Abriss von Lützerath schneller vorangeht als anfänglich erwartet. Das Unternehmen erwarte, dass die Abrissarbeiten noch acht bis zehn Tage dauern, sagte der Sprecher: „Im März oder April könnte der Tagebau dann das frühere Dorf erreichen und abbaggern.“ (dpa)
Bei Lützerath: Klimaaktivisten in Rollstuhl seilen sich von Brücke ab
Klimaaktivisten haben sich am Montagmorgen von einer Autobahnbrücke in der Nähe von Lützerath abgeseilt und damit für einige Stunden den Verkehr auf der Straße darunter blockiert. Es handle sich um insgesamt fünf Personen, zwei davon im Rollstuhl, sagte ein Polizeisprecher.
Der Verkehr auf der Autobahn 44 lief während der Aktion weiter, auf der Landstraße unter der Brücke ging dagegen nichts mehr. Die Brücke liegt ungefähr vier Kilometer Luftlinie vom Braunkohleort Lützerath entfernt. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut