Klimaneutralität in Europa: Deutschland ist zu langsam
Die Vorreiter Dänemark und Norwegen zeigen laut einer Studie, wie man klimaneutral werden kann. Deutschland hinkt in allen Bereichen hinterher.
„Deutschland hat bei allen Sektoren noch große Hausaufgaben zu leisten“, sagte Christof Schiller von der Bertelsmann-Stiftung der taz. Dänemark und Norwegen könnten als Vorbilder in vielen Bereichen dienen.
Zum Beispiel ist der Individualverkehr in Norwegen laut der Studie nahezu emissionsfrei. Das liege unter anderem an einer offensiven Subventionierung von E-Autos sowie dem raschen Ausbau der Ladeinfrastruktur. In Deutschland würden hingegen noch zu viele Verbrenner verkauft, der Anreiz zur Nutzung von E-Autos sei zu gering und die Ladeinfrastruktur lasse ebenfalls zu wünschen übrig.
Dänemark hat im Stromsektor eine Vorbildrolle inne. „Gerade bei der Frage effektiver Mechanismen von Politikkoordinierung, evidenzbasierter Politikgestaltung und zivilgesellschaftlicher Beteiligung verfügt das dänische Regierungssystem über Stärken im Ländervergleich“, heißt es in der Studie.
Umrüstung auf Wärmepumpen muss attraktiver werden
In Deutschland müsse die Netzinfrastruktur deutlich ausgebaut und modernisiert werden, um das Drosseln von erneuerbarem Strom und negative Preise zu verhindern, sagte Schiller. Die gute Nachricht: Bei der Produktion von Ökostrom ist Deutschland laut Studie auf einem guten Weg. Nur sei das Netz zu schlecht, um ihn auch gut zu verteilen.
In Dänemark seien außerdem Genehmigungsverfahren schnell und einfach und die Fördermaßnahmen seien gut an die Bedürfnisse der Bürger:innen angepasst. Deshalb liege die Zustimmung unter der Bevölkerung zum Ausbau der erneuerbaren Energien bei 93 Prozent, in Deutschland nur bei 85 Prozent.
Auch beim Heizen ist Dänemark Vorreiter. Dort startete die Wärmewende bereits Ende der Siebzigerjahre mit dem gezielten Ausbau der Fernwärme und der Gründung der dänischen Energieagentur. Heute sind rund zwei Drittel der Haushalte in Dänemark an das Fernwärmenetz angeschlossen. Die Energieerzeugung stammt bereits zu 60 Prozent aus erneuerbarer Energie.
Das deutsche Heizungsgesetz, das den Umstieg auf klimafreundliches Heizen bringen soll, wurde erst im vergangenen Jahr endgültig beschlossen. „Deutschland ist auch hier noch nicht auf dem richtigen Weg“, sagte Schiller. „Die Regierung muss sich überlegen, wie sie zum Beispiel die Umrüstung auf Wärmepumpen fördern und attraktiver gestalten kann.“ Möglich sei zum Beispiel eine Aufklärungskampagne, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern.
„Die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass die bisherige Politik der Bundesregierung unzureichend ist, um die Klimaschutzziele einzuhalten“, sagte Mira Jäger, Energieexpertin von Greenpeace, der taz. Beispielsweise brauche es einen Gasausstieg bis 2035. Bislang ist nur ein Kohleausstieg beschlossene Sache. Jäger forderte außerdem eine zügige, sozial gerechte Wärmewende und einen zukunftsfähigen Umbau der Industrie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit