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Klimakrise und Extremwetter„Wir stecken schon tief drin“

Meteorologe Özden Terli spricht im ZDF-Wetterbericht oft über den menschlichen Fußabdruck im Wetter. Das wünscht er sich auch von Kol­le­g:in­nen.

Ein Waldbrand tobt in Oregon Foto: Oregon Department of Foresty/ap
Susanne Schwarz
Interview von Susanne Schwarz

taz: Herr Terli, neulich 49,6 Grad in einem mittlerweile abgebrannten Dorf in Westkanada, diese Woche 54 Grad im Tal des Todes im US-Bundesstaat Kalifornien: Wie oft wurden Sie schon gefragt, ob das der Klimawandel ist?

Özden Terli: Kann ich gar nicht genau sagen. Ich werde andauernd gefragt, ob irgendein Wetterphänomen der Klimawandel ist. Da steckt vielleicht so eine Abwehrhaltung dahinter oder die Hoffnung, dass wir doch noch nicht in der Klimakrise leben. Das ist aber leider nicht so.

Speziell bei extremen Hitzewellen ist es ja eigentlich unstrittig, dass der Klimawandel diese schon jetzt wahrscheinlicher und intensiver macht, oder?

Ja, absolut. Das kann man den Berichten des Weltklimarats entnehmen. Wer das in genaueren Zahlen haben will, der kann in entsprechende Attributionsstudien hineingucken …

… in denen Kli­ma­to­lo­g:in­nen jeweils für ein einzelnes, konkretes Wetterereignis erforschen, welchen Anteil der Klimawandel hat.

So eine gab es ja letzte Woche zu der Hitzewelle, die Kanada und USA kurz zuvor erlebt hatten. „Praktisch unmöglich“ sei die ohne Klimawandel gewesen, kam da raus, er hat sie 150-mal wahrscheinlicher gemacht. Da ist der menschliche Fußabdruck in diesem Extremwetterereignis also ganz, ganz deutlich.

Und jetzt werden wie gesagt schon wieder Wahnsinnstemperaturen in Kalifornien gemessen. Ist das noch Teil derselben Hitzewelle oder schon die nächste?

Das ist wieder eine neue Wetterlage. Letztens haben wir ganz spezifische atmosphärische Zirkulationsbedingungen beobachtet, einen sogenannten Hitzedom. Der wurde dann abgebaut, die Hitze in den Osten abgedrängt. Jetzt erleben wir die Vorderseite eines Tiefs, da wird permanent warme Luft herangeführt.

Im Interview: Özden Terli

wurde 1971 in Köln geboren und ist Wetter-Moderator der Nachrichtensendungen des ZDF.

Sie klingen nicht überrascht, dass das jetzt so Schlag auf Schlag kommt. Oder doch?

Nein, das fügt sich doch in den Trend ein. Generell kann man aus meteorologischer Sicht sagen: Die Hitzetage haben in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen, Hitzewellen sind häufiger, länger und intensiver geworden. Was auch bedeutsam ist: Die Nächte werden heißer. Wir erleben deutlich öfter sogenannte Tropennächte als früher, also mit 20 Grad oder mehr.

Das ist aus gesundheitlicher Sicht besonders gefährlich.

Ja, nachts 23 Grad, dann tagsüber wieder auf 35 Grad hoch, da kann sich der Körper gar nicht mehr abkühlen. Vor allem, wenn das mehrere Tage nacheinander so geht. Das ist besonders in den Innenstädten ein riesiges Problem. Da ist es nämlich durch die stärkere Bebauung und schlechte Durchlüftung noch mal deutlich wärmer als an der Wetterstation, an der die 20 Grad gemessen wurden.

Also brauchen die Städte mehr Grün, Frischluftschneisen, Schattenplätze und, und, und …

Städte und Bundesregierung müssten schon längst mehr daran arbeiten, die Städte so umzubauen, dass sie besser abkühlen. Überall Klimaanlagen einzubauen, geht schließlich nicht, die verbrauchen zu viel Strom. Aber auch die Bebauung an sich kann fünf, sechs Grad Unterschied machen. So ein Umbauprozess dauert natürlich, das muss sofort angegangen werden. Hitze ist und wird immer mehr zum Gesundheitsproblem. Die ersten, die darunter leiden, sind kleine Kinder, kranke und alte Menschen.

In einer Attributionsstudie haben For­sche­r:in­nen Ende Mai festgestellt: Mehr als ein Drittel der weltweiten Hitzetoten in den vergangenen 30 Jahren ist auf den Klimawandel zurückzuführen.

Das ist ja ziemlich übel. Und mit Sicherheit ein wachsendes Problem, auch in Deutschland. Wenn man sich die Projektionen des Deutschen Wetterdiensts anguckt, die es bis 2030 gibt, da gehen die Temperaturen hier weiter hoch. Was sollten sie auch sonst tun? Wir pusten ja weiter ohne Ende Kohlendioxid in die Atmosphäre und verschleppen den nötigen Klimaschutz.

Viele der langfristigen politischen Klimaziele stehen bisher nur auf dem Papier, sind aber gar nicht durch konkrete Maßnahmen gedeckt. Wir Meteorologen müssen die Zähne auseinanderkriegen und die Einordnung des Wetters richtig vornehmen, damit mehr Leute den Ernst der Lage verstehen. Wir stecken schon tief in der Klimakrise drin.

Aber nicht bei allen Wetterereignissen kann man das im Einzelfall schon so sicher sagen wie bei der Hitze, oder? Stürme zum Beispiel, die viel mehr Parameter als nur die Temperatur haben, machen es den At­tri­bu­ti­ons­for­sche­r:in­nen doch schwerer.

Das stimmt. Aber ich warne davor, einen Effekt des Klimawandels nur zu akzeptieren, wenn jemand dazu eine Attributionsstudie angefertigt hat. So interessant und hilfreich diese Untersuchungen auch sind; selbst wenn es diesen Forschungszweig nie gegeben hätte, wäre physikalisch klar: Wir schirmen durch unser Kohlendioxid die Atmosphäre ab. Wärme kann damit nicht mehr so gut entweichen.

Seit der Industrialisierung hat sich die Erde in der Folge um durchschnittlich 1,2 Grad aufgeheizt. Das wirkt sich lokal auf Temperaturen, Niederschlag und andere Wetterfaktoren aus, jetzt schon. Alles andere ist physikalisch einfach nicht plausibel.

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23 Kommentare

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  • Da hilft dann also auch kein schlechtes Gewissen mehr.

  • Danke für dieses Interview!

  • Schöne Grüße aus Afrika, Südostasien und Südamerika: Absolut alles was die Menschen sich dort aufgebaut haben wurde unter ganzjährig deutlich krassesten klimatischen Bedingungen geschaffen, seit Jahrhunderten. Man sollte mit dem gebotenen Respekt vor dieser Leistung in diese Regionen schauen und das überhebliche Gequatsche von Arbeitsmoral ablegen.



    Bei derart niedrigen Temperaturen, die aber den Mitteleuropäer schon gefährden (was für ein fragiles Wesen der doch ist...) atmen die Leute in Kenia erleichtert auf und fangen an zu schaufeln, geht ja gut bei nur 35 Grad, da hat's in der Sonne unter 60, da kann man mal richtig was wegschaffen und nachts auch mal so richtig schlafen bei kühlen 20 Grad. Ich bin immer wieder fasziniert, in wie vielen kleinen Details sich die widerwärtige weiße Überheblichkeit zeigt, oft unschuldig und unabsichtlich.



    ....in Äquator Nähe gibts keine Weißen daher die Farbkarte hier...

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Eva :

      "in Äquator Nähe gibts keine Weißen"

      Sie wissen schon, dass der Äquator einmal rumgeht um die Erde?!

    • @Eva :

      Grüße zurück. Denn das, was die Menschen dort aufgebaut haben, verlieren sie ganz schnell wieder. Ja, dort gibt es den Monsun, dauernde Hitzewellen und was sonst noch. Aber aus diesen Gebieten werden die ersten Klimaflüchtlinge herkommen. Denn der Wasserspiegel wird steigen, die Hitze wird ebenfalls steigen (Iran vor wenigen Wochen als Beispiel) und Waldbrände werden zunehmen.

      PS: Ich gehöre zu den hitzeresistenten Menschen, die locker 40°C aushalten können. Trotzdem beschwere ich mich über die erhöhten Temperaturen.

    • @Eva :

      das problem ist global, hat keiner etwas anderes behauptet, ich weiss jetzt nicht, wo sie ihren ganzen groll hernehmen

  • Mir ist aufgefallen das in deutschen online Medien die Hitzewelle der USA viel öfter weit oben in den Meldungen erschienen ist als, in den online Medien der USA selber.



    Das war bei allen US Online Medien so, also auch den eher linksliberalen online Medien der USA.

    Über die Gründe kann ich nur spekulieren, aber ich finde es zumindest interessant

    • @Paul Rabe:

      Mir ist aufgefallen, dass Leute verstärkt Dinge behaupten, die nicht der Wahrheit entsprechen KÖNNEN.

    • @Paul Rabe:

      Wieviel Onlinemedien haben Sie sich angeschaut? Wonach werden da jeweils Inhalte ausgesucht - Interesse, Bedeutung, Klicks? Und bemisst sich die Relevanz eines Themas nach seiner (Online-)Medienpräsenz? Spekulieren Sie doch mal lauter, dann wird es vielleicht interessant.

      • @Lieblich:

        Vielleicht sind Amerikaner sonst ganz andere, noch viel schlimmere Naturkatastrophen gewöhnt ? Regelmäßig verwüsten dort z.B. Hurricanes ganz Landstriche, da ist die Hitzewelle vielleicht einfach zu wenig spektakulär ?

    • @Paul Rabe:

      Und das bedeutet jetzt was? Ihre Einschätzung ist subjektiv und eben auch nur eine Einschätzung. Sie werden kaum sämtliche (also wirklich alle) nordamerikanischen bzw. US amerikanischen Onlinemedien durchforstet haben. Oder doch?

      • @J. Straub:

        Nein, ich habe da keine repräsentative Stichprobe gezogen, aber da die Headlines sich bei den Onlinemedien ohnehin oft kaum unterscheiden fand ich es schon interessant, denn immerhin hätte man ja denken können, daß es, wenn es schon in Deutschland ganz oben steht, in den USA erst recht DAS Thema sein müsste. War es aber nicht.

  • Danke für das Interview! Und jetzt nochmal zur Klarstellung: Annalena Baerbock oder Robert Habeck, das macht vor diesem Hintergrund keinen Unterschied, was für kleinliche und kurzsichtige Debatten! Wenn jetzt nicht radikal umgesteuert wird, haben wir in 50 Jahren ein existenzielles Problem. Die nächste Generation wird uns dafür hassen, dass wir trotz aller Prognosen aus Gier und Bequemlichkeit weiter fossile Energie benutzt haben. ZÄHNE AUSEINANDER, ES IST ALARMSTUFE ROT!

    • @rosa :

      Nicht erst in 50 Jahren. Die Klimaveränderungen darf man nicht linear extrapolieren. Dank verschiedener rückgekoppelter und sich gegenseitig verstärkender Prozesse ist sogar exponentielle Änderung vorsichtig geschätzt.

      Spätestens in 30 Jahren wird bei uns die Kacke so richtig am Dampfen sein, da sind die heute 30-40-50-Jährigen 60-70-80 Jahre alt. Die meisten werden das noch volle Breitseite mitbekommen. Dann viel Spaß im Bett im Pflegeheim bei 40 Grad, und möchte jemand unbedingt bei den Verteilungskämpfen um Wasser, Energie und Wohnraum mit 70 mitmachen? Also _ich_ hoffe, dass ich bis dahin den Löffel abgegebenn habe.

    • @rosa :

      Noch gewinnen aber zuviele damit Geld. Hoffentlich merken die nicht erst am Schluß, das man Geld nicht essen kann. Aber vielleicht hoffen die schon auf die Weltraum-Touristik

  • 1G
    15833 (Profil gelöscht)

    Glaubt den wirklich jemand das der Untergang noch zu verhindern ist?

    • @15833 (Profil gelöscht):

      "Glaubt den wirklich jemand das der Untergang noch zu verhindern ist?"



      Es wird keinen "Untergang" geben, nur unterschiedliche klimatische Veränderungen, die für manche Menschen katastrophal, für andere weniger dramatisch ausfallen werden. Ich persönlich glaube, dass wir bestimmte Kippunkte noch teilweise beeinflussen können, verhindern werden wir sie nicht.

    • @15833 (Profil gelöscht):

      Es ist ein Axiom der "Klimaschutz"-Politik, dass der "Untergang" noch zu verhindern sei. Sonst wäre ja alles egal, wenn man eh nichts mehr machen kann, und dann könnte man z. B. den Weltklimarat einfach abschaffen und die FFF-Bewegung könnte sich auflösen. Und das wird nicht passieren.

  • das foto ist der hammer. das haett ich gern riesig gross ueberall haengen.

    • @the real günni:

      Evtl mal beim www.oregon.gov/odf/Pages/index.aspx anfragen?

      Ist möglicherweise vom "Bootleg Fire".

      Content von staatlichen Behörden ist in USA in der Regel public domain, und oft gibt es hochauflösende Versionen.

      • @Ajuga:

        danke fuer den hinweis. weiss nicht, was bootleg fire ist, hab ich auch nicht auf der seite gefunden, aber dem media dept mal eine mail geschrieben

  • RS
    Ria Sauter

    Und wir haben noch nicht begriffen, dass es schon weit nach 12 ist.

  • Ehrenmann!