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Kampf gegen die ErderhitzungIn Europa macht sich der Klima-Fatalismus breit

Klimaschutz wollen laut einer Umfrage viele Europäer*innen. Der Glaube daran, dass er gelingen kann, scheint aber nachzulassen.

Abkühlen in Turin: Immer mehr Menschen glauben, dass Anpassung an die Erderhitzung Vorrang vor Klimaschutz haben sollte Foto: Tino Romano/epa-efe

Berlin taz | Die allermeisten Eu­ro­päe­r*in­nen wollen weiterhin mehr Klimaschutz, verlieren aber die Hoffnung in ihre Regierungen. Das zeigt eine Studie der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. „Der Großteil der Bevölkerung findet das Thema wichtig und will darüber reden“, sagt Jan Eichhorn, der die Studie zusammen mit Heather Grabbe geschrieben hat. „Aber sie wünschen sich politische Führung und wollen in den Klimaschutz nicht hineinschlittern und die Krise auf sich gestellt lösen müssen.“

Für die Studie haben Eichhorn und Grabbe im April vergangenen Jahres 8.000 Menschen in Frankreich, Deutschland, Italien, Polen und Schweden befragt und ihre Ergebnisse mit einer Umfrage aus dem Jahr 2020 unter mehr als 6.000 Menschen in diesen Ländern verglichen.

39 Prozent der Befragten gaben Nachhaltigkeit und Klimaschutz als eines der drei wichtigsten Themen für die EU an, nur übertroffen von wirtschaftlicher Stabilität und Sicherheit. Migration war für 38 Prozent unter den wichtigsten drei Themen.

Das deckt sich mit den Ergebnissen einer Studie des Jacques Delors Centre. Die stellte bei einer Befragung von 15.000 Deutschen, Fran­zo­s*in­nen und Po­l*in­nen fest, dass in den drei Ländern über die Hälfte der Menschen mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz fordert.

Klimabewusstsein weit verbreitet

Die Unterstützung für Klimaschutz hält sich über alle Parteien hinweg: Während 86 Prozent der europäischen Grünen-Wähler angaben, besorgt oder sehr besorgt über den Klimawandel zu sein, machen sich auch mehr als die Hälfte konservativer Wäh­le­r*in­nen und sogar 50 Prozent der Wäh­le­r*in­nen rechtsextremer Parteien diese Sorgen.

Auch ist der Studie zufolge Unterstützung für Klimaschutz keine Sache der Wohlhabenden. Eichhorn und Grabbe stellten fest, dass sich Menschen mit geringen Einkommen genauso Sorgen um die Erderhitzung machen und Klimaschutz erwarten wie jene ohne Geldsorgen.

Deswegen, sagt Eichhorn, müsse Klimaschutz mit Maßnahmen verbunden werden, die direkt das Leben der Menschen materiell besser machen, und zwar auf eine Weise, die Menschen in ihrem Alltag bemerken.

Die 89 Prozent

Eine überwältigende Mehrheit von 80 bis 89 Prozent der Menschheit wünscht sich Klimaschutz, zeigen Umfragen. Beim „89 Percent Project“ des Netzwerks Covering Climate Now berichten dieses Jahr Jour­nalis­t*in­nen weltweit über Menschen, die etwas für den Planeten erreichen wollen – und über die Hürden, vor denen sie stehen.

Gleichzeitig glauben immer mehr Menschen, dass Anpassung an die Erderhitzung Vorrang vor Klimaschutz haben sollte. In Italien zum Beispiel, wo die Befragten am häufigsten mehr Klimaschutz forderten, waren es 2020 noch 20 Prozent, 2024 aber 26 Prozent. In Deutschland stieg der Anteil im gleichen Zeitraum von 31 auf 39 Prozent, genauso wie in Frankreich.

Eu­ro­päe­r*in­nen von Regierungen enttäuscht

Bei ausführlichen Gesprächen mit Stu­di­en­teil­neh­me­r*in­nen in Deutschland haben die Stu­di­en­au­to­r*in­nen aber noch einen anderen Grund festgestellt: Viele derer, die wenig Vertrauen in ihre Regierungen beim Lösen der Klimakrise haben, hätten wenig Hoffnung, dass die Erderhitzung gestoppt werden kann, sagt Eichhorn. „So ein Fatalismus kann dazu führen, dass Menschen Anpassung priorisieren.“

Enttäuschung über die Regierung drücke sich auf zwei Weisen aus, berichtet Eichhorn. Einerseits die Frustration, dass der Staat nicht kompetent genug sei, um die Erderhitzung zu begrenzen, „das nicht gewuppt kriegt“.

Andererseits hätten viele den Eindruck, „dass – wenn was gemacht wird – diese Maßnahmen auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung ausgetragen werden“. Diese Wahrnehmung sei besonders stark ausgeprägt unter jenen, die sich von der Politik generell wenig berücksichtigt fühlen.

Dass mehr Menschen Anpassung vor Klimaschutz stellen, verbucht Studienautor Eichhorn aber auch als Erfolg der extremen Rechten. Denn viele europäische Rechtsextreme bestritten inzwischen die Erderhitzung nicht mehr, sondern relativierten sie und erzeugten so den Eindruck, Anpassung an die Erderhitzung sei einfacher als Klimaschutz.

Forscher: Thema nicht den Rechten überlassen

Eichhorn fürchtet deshalb einen Teufelskreis: Wenn die Forderung der Mehrheit nach effektivem Klimaschutz durch die Politik weiter unerfüllt bleibt, verfingen Lügen der extremen Rechten schneller, die die Erderhitzung herunterspielen oder als unvermeidbar darstellen.

„Es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass man in Ruhe Klimapolitik machen kann, wenn man das Thema nicht anspricht“, sagt Eichhorn. Dann würden die Rechten und die fossilen Lobbys das Thema bespielen. Stattdessen müsse die Politik das Gefühl schaffen, dass sie an Lösungen für die Klimakrise arbeite und zu guten Ergebnissen komme.

Denn dass die Erderhitzung gefährlich ist, sei in der Bevölkerung weitgehend bekannt, sagt Eichhorn. Auch die Forderung nach mehr Klimaschutz sei weit verbreitet. „Für die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen sollten die Parteien allein schon aus Eigennutz so klar und schnell wie möglich handeln“, fasst Eichhorn die Ergebnisse der Studie zusammen.

„Tun sie das nicht, laufen sie Gefahr, dass die Rechten das Klimathema weiter bespielen und es in einigen Jahren noch schwieriger wird, Klimaschutz durchzusetzen“, warnt er.

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30 Kommentare

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  • "Die allermeisten Eu­ro­päe­r*in­nen wollen weiterhin mehr Klimaschutz, verlieren aber die Hoffnung in ihre Regierungen."

    Dann sollen diese Eu­ro­päe­r*in­nen endlich anfangen, sich vegan zu ernähren.

  • Für Klimaschutz müssen wir auch die Machtfrage stellen und die Fossilbarone auf die hinteren Ränge verweisen, egal ob Steinkohle, Öl, Benzin ...



    Das sollte auch in der Breite aktivieren.



    Was wir bei klimaschädlichen Subventionen einsparen könnten (Flug, Auto, ...), täte uns auch finanziell sehr gut.

  • Es fällt auf, dass in der Debatte Klimaanpassung vs. Einhalten der Klimaziele überwiegend pragmatisch-technologische Machbarkeitsstrategien ins Feld geführt werden.



    Die ideologische Stossrichtung bleibt unberücksichtigt, wenn argumentiert wird, dass die Menschheit eine Erderwärmung von 1,5 Grad und mehr durchaus verkraften könne und es lediglich auf die flankierenden Schutzmaßnahmen ankäme.



    Grob zusammengefasst laufen derartige Argumentationen, die eine Anpassung der menschlichen Spezies auf die Klimaveränderungen und deren Folgewirkungen propagieren, auf eine sozialdarwinistische Survival-of-the-fittest-Ideologie hinaus, die wiederum prima anschlussfähig an neorechte Politikvorstellungen ist.



    Abgesehen von der anthropozentrischen Ausrichtung solcher Weltbilder (die beispielsweise das Verschwinden ganzer Insektenarten und dessen fatale Auswirkungen auf das Ökosystem überhaupt nicht thematisieren): was ist z.B. mit chronisch Erkrankten in städtischen Ballungsräumen, bei denen die zunehmende Erhitzung ihres Lebensraums schnell mal zum Zusammenbruch ihres Herz-Kreislauf-Systems führen kann?



    Da ist es sehr beruhigend, dass die Erde solche “Kataströpchen“ locker wegstecken wird.

  • Der Bundesrechnungshof kritisiert ja jedes Jahr in seinen Berichten die krasse Intransparenz beim Klimaschutz. Die Bundesregierung kann bei parlamentarischen Anfragen noch nicht einmal beziffern wieviel Geld eigentlich genau ausgegeben wird. Nur das es bis 2030 dreistellige Milliardenbeträge sein werden und bis 2050 etwa 2000 Milliarden ist da etwas dünn für Null Ergebnisse.



    Allein mit den Mitteln die Deutschland hier bereits versenkt hat, hätte der Hunger und die Armut in der ganzen Welt beseitigt werden können. Vielleicht sollten wir mal ein Moratorium machen und alle Maßnahmen evaluieren? Wir erreichen ja derzeit sowieso keinerlei Ergebnisse wenn ich der Berichterstattung folge. Da lässt sich dann auch in Ruhe mal eine Bilanz ziehen.

  • Es gab in letzter Zeit drei so ähnliche Studien. Mit erwartbaren Ergebnissen. Wenn nach den wichtigsten Themen gefragt wird, nehmen aktuelle Themen den größeren Raum ein. Und der übliche Ruf nach der Politik hat den Hintergedanken, es würde auf der Ebene gelöst, ohne das in die private Ebene eingegriffen wird.



    Die Autoren wissen es auch selbst:



    "Tun sie das nicht, laufen sie Gefahr, dass die Rechten das Klimathema weiter bespielen und es in einigen Jahren noch schwieriger wird, Klimaschutz durchzusetzen" - das heisst schlicht, das dann für die Mehrheit das Thema nicht an erster Stelle steht.



    Dazu tragen auch die Zahlen bei - D hat ca. 2% Anteil, trotz Reduktion in D steigt der CO2 Gehalt in der Atmosphäre etc. Ja, Fatalismus. Anpassung mit weiterer Reduktion ist jetzt das Ziel.

  • Vielleicht ist es ja nicht nur Klima Fatalismus, sondern auch Enttäuschung und bei manchen auch Wut, dass alles vom kleinen Mann und kleiner Frau erledigt werden soll, denen es sowieso schon nicht so toll geht. Während die,die am meisten zum Problem beigetragen haben und weiter beitragen, weiter entlastet werden. So zahlen Superyachten und Zorivatflugzeuge weiterhin keine CO2-Steuern, Autos aber schon. Und sollen Automobilkonzerne nun doch wieder wegen des CO2 Ausstoßes entlastet werden und sogar wieder 10 Mrd. An Subventionen für e-Autos erhalten.



    Und wer bezahlt das? Unter anderem jede arme Person, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel bezahlt.

  • Eigentlich ist das nicht so schwer zu verstehen.



    Klimaanpassung ist etwas, das kann bereits im Kleinen funktionieren und wenn es nur darum geht, dass eigene Heim wirksamer vor Überflutungen zu schützen.



    Will man an die Ursachen ran, haben wir doch das Standardproblem, dass wir uns in Deutschland auf den Kopf stellen könnten und den CO2-Ausstausch auf 0 bringen könnten, ohne dass das Klima das merkt, solange USA, China, Russland usw. nicht mitmachen. Auch wenn es vielen schwer fällt es anzuerkennen, aber wir haben da nicht das Heft des Handelns in der Hand.

    • @Katharina Reichenhall:

      Nach der Logik hätten Sie gar nichts in der Hand.







      Na, merken Sie etwas, wessen nützlicher I. jemand mit solchen "Argumenten" sein soll?



      Beides: Bäume statt Parkplätze zur Anpassung & Jedes Zehntelgrad halten, das wir halten können. Macht übrigens auch noch Spaß.

  • Wenn 1970 schon von Prognosen gesprochen wurde was alles bis 2020 passiert bezüglich Klimawandel und bis heute davon nichts eingetroffen ist. Muss man sich nicht wundern, wenn die Leute bei Prognosen was alles in 10, 20 oder 50 Jahren passiert nichts drauf austun.

    Dazu kommt das viele Aktivisten mit Vorschläge um die Ecke kommen die für viele als Angriff auf ihre Lebensqualität und Existenz sehen. Das wollen viele nicht hören aber das Auto darf nicht angerührt werden wegen Klimaschutz so lange keine passende Alternativen gibt. So lange man eine Auto braucht um von A nach B zu kommen ist dieses Thema ein falsches Thema. Die die für die Abschaffung von Autos sind leben in Großstädten oder im Speckmantel von Großstädten und haben nicht die Probleme ohne Auto wie viele andere.

    das Thema Klimaschutz gibt es seit 60 Jahren und es wird nie weltweit eine Einigung geben und die muss es geben, sonst funktioniert das nicht. Verzichten wir Europäer auf irgendwas wird es wo anders billiger und mehr verkauft

  • In der auslaufenden Heizperiode wurde deutlich mehr Energie verbraucht als in den Vorjahren. Die Füllstände der Gasspeicher sind auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Ernteausfälle wg Frostschäden sind gestiegen. Wer soll diese Berichterstattung noch ernst nehmen?

    • @Gast100100:

      Ein kälterer Winter macht nicht das Klima! Bitte das langjährige Mittel anschauen!



      Zu Frostschäden z.B. beim Obstanbau kommt es oft, weil das Klima sich bereits erwärmt hat. Dadurch kommt es zu früherer Blüte bei den Bäumen und da es aber in unseren Breiten trotz Klimaerwärmung immer noch zu Nachtfrösten kommen kann, führt dies dann zu ensprechenden Ernteausfällen. Aber was red ich (schreib ich)...

      • @J. Straub:

        Danke, J. Straub, für das Erläutern von eigentlich breit Bekanntem.



        Wer sollte Gast 100100s "Punkte" noch ernstnehmen?

  • Alle Menschen wollen so lange wie möglich "weiter so" leben wie bisher, weil darauf ihre Existenz fußt. Sie wissen, dass gewaltige Veränderungen nötig sind, aber sie fürchten, dass sie dabei unter die Räder kommen werden. Wir sind eine sehr kreative Spezies. Nutzen wir unsere Fantasie, um ein Utopia zu erschaffen, in dem alle für immer genug haben von den Dingen, die unerlässlich sind. Dann ist es leicht, auf Brimborium zu verzichten. Natur, Frieden, Freundschaft, Liebe, Zerstreuung, saubere Luft, gesundes Essen, haltbare Kleidung, genug Platz zum Leben, medizinische Versorgung. Die Mächtigen reden uns ein, dass nicht genug da ist, weil sie genauso an ihrem Lebensstil hängen wie wir. Aber ihr Lebensstil frisst unseren Planeten auf, unsere schöne, unersetzliche Welt. Egal, wie asketisch wir kleinen Leute leben, ohne Degrowth verlangsamt unser Verzicht den Ökozid nicht.

    • @Patricia Winter:

      Es ist immer leicht Verzicht zu predigen, wenn es einem selbst gut geht.



      Wie viele Menschen haben denn weltweit diese Vorzüge die Sie aufzählen?



      Sollen die jetzt und in Zukunft darauf verzichten?

    • @Patricia Winter:

      Es wü4de schon sehr viel bringen, wenn die Reichsten so stark mit CO2 Steuern belastet würden, dass die sich ernsthaft überlegen, die Privatyachten oder Privatflugzeuge abzuschaffen, Und zB. Automobilkonzerne nicht schon wieder von Milliardenzahlungen wegen zu viel CO2 Ausstoß entladtet wü4den, sondern im Gegenteil, sie nur noch Geld verdienen können, wenn sie EAutos verkaufen.

      • @DemokratieKoennteSoSchoenSein:

        Selbst dieses Minimalziel ist nur global durchsetzbar. Und daran scheitert es.

  • Ich fühle mich in meiner Hoffnungslosigkeit ganz gut von dieser Serie abgeholt:



    www.youtube.com/wa...v=WvfKBx1hwWM&t=9s

    ...ich meine, wer noch Hoffnung hat, hört einzwei Interviews von Klimaforschern bei Jung&Naiv oÄ und weiß wie es um den Klimakollaps steht.

  • Die Frage beim.engagierten Bürger ist doch eine ganz andere: Was für Themen werden denn diskutiert und was bringen die. Und wo eigentlich müssen wir hin.



    Und da besteht eine massive Diskrepanz zwischen Lautstärke der Ansprache und Effekt auf das Klima.



    Wir müssen von den altuell 8t/a hier in der EU auf 2t/a. Was aber besprochen wird sind Themen wie Fleischverzicht, mal ein Grad weniger aushalten im Winter, Flugscham bekommen, mit Lastenrad zum Einkaufen.



    Und genau so erreichen wir eben die 2t/a nie. Nein, nie!! Und daher habe ich auch so gar keinen Bock mehr darüber zu reden.



    Aber ja, ich habe ein Lastenrad, Pellets im Keller, esse kaum Fleisch.... Symbolhandlungen, mehr nicht! Letztlich massiv nervig so über das Thema Klimaerhitzung reden zu müssen, da letztlich nicht ernsthaft.

  • Hier wird mal wieder suggeriert, dass Klimaschutz ganz einfach wäre und die Politik nur Wollen müsste und das Ganze dann noch sozial verträglich gestalten sollte. Die Wahrheit ist aber, dass effektiver Klimaschutz Verzicht und Einschränkungen von jedem Einzelnen erfordert. Degrowth statt Wirtschaftswachstum, deutlich weniger Konsum, öffentlicher Verkehr statt Individualverkehr, zu-Hause-bleiben statt Flugreisen, etc. Wenn das von oben verordnet wird, dann ist aber die Hölle los im Volk und die AfD bekommt die absolute Mehrheit. Man sieht das ja schön bei der Ampel: Drei Jahre ohne Wirtschaftswachstum und das ohne grosse Zunahme der Arbeitslosigkeit oder Armut - eine Glanzleistung und gut für‘s Klima. Wird das von irgendjemand gewürdigt? Nein. Sobald das Wirtschaftswachstum weg ist wird gross gejammert und rechtsextreme Parteien gewählt. Also haben die Politiker gar keinen Spielraum effektiv etwas für den Klimaschutz zu tun - denn den bekommt man nur mit Schrumpfen der Wirtschaft und privatem Konsumverzicht.

    • @Ralf Keppeler:

      Ich weiß nicht, wo "suggeriert" wird, dass Klimaschutz ganz einfach wäre, was ich aber weiß ist, dass kein Umweltschutz dazu führen wird, dass die Erde für Menschen unbewohnbar wird und vorher wegen der Kosten für die Anpassung, verdammt viel mehr kosten verursachen wird, als wenn jetzt sofort daran gearbeitet wird, um die Umweltzerstörung zu stoppen.

      Was natürlich auch nicht fehlen darf ist das Geheule von "Verzicht" und "Einschränkungen". Ich bestelle nichts bei Temu oder Amazon, fliege auch nicht in der Weltgeschichte rum, um in einem 5-Sterne-Hotel zu wohnen und in der Sonne zu braten. Und, mag Sie überraschen, ich fühle dabei weder "Verzicht" noch "Einschränkung", im Gegenteil, es ist ein Gewinn, mich nicht dem Konsumzwang zu unterwerfen.

      Ich habe mir immer Kinder gewünscht, hat sich aber zum Glück nicht ergeben. Heute bin ich froh darüber, denn ich würde meine Kinder lieben und nicht wollen, dass deren Lebensraum aus Egoismus und Gier zerstört wird.

    • @Ralf Keppeler:

      Exakt. Es müsste eine ernsthafte Verzichtsdiskussion her. Orientiert am Zwang auf 2t/a CO2 runterzukommen. Jedes Jahr Minus 0,5t, so als Zielformulierung.



      Auch wo ich das Geld am effektivsten einsetzen kann, bei diesem globalen Problem.

    • @Ralf Keppeler:

      Die Ampel hatte wenig Anteil an der Stagnation, dafür müsste man verrückterweise Putin danken. Mit den zaghaften Reaktionen auf den Krieg wird das wohl auch noch eine Weile so bleiben. Nein, wirkliche langfristig klimawandelfeindliche Politik von oben, davon haben wir noch nichts gesehen. Dann hätten wir zumindest mal eine Ahnung davon wie wenig wir von unserem Luxus tatsächlich bräuchten. Versuchen das nur Individuen, machen wir uns nur unglücklich und die Politik gleicht das zu Klimas Ungunsten aus, Bürgergeld wäre ein Beispiel. Also ich seh hier keine harmonisch liebreizende Suggestion, solange wir weiter gar nichts ernsthaftes tun, wissen wir auch nicht ansatzweise, wie eine echte Transformation aussehen könnte.

  • Oft setzen sich Erkenntnisse in der Bevölkerung schneller durch als in der Politik.

    Es gibt keinen lokalen Klimaschutz. Was Deutschland an fossiler Energie einspart, wird anderswo als Überangebot billiger - und daher zusätzlich verbrannt. Es ist ein alter Hut: Es nutzt nicht mal ein bisschen, wenn nicht die ganze Welt mitmacht.

    Leider ist es nie wirklich gelungen, wenigstens einen Großteil der Industrieländer wirklich zu verpflichten. (Das ist nämlich eine gerade noch brauchbare Einschränkung der ganzen Welt.) Aktuell geht es in eine ganz andere Richtung.

    Wie warm es in 50 Jahren in Deutschland sein wird, haben wir daher nicht in der Hand. Doch ob es in 50 Jahren noch so viel Wald in Deutschland gibt wie heute oder gar keinen mehr, das entscheidet sich heute und hier. Die taz hat ja zu den Debatten über mögliche Strategien berichtet.

  • Eigentlich überrascht es nicht, dass auch Konservative und Rechtsextreme mehr Klimaschutz wollen. Die Ansichten der breiten Bevölkerung sind weitaus heterogener als die der Parteien, die sie wählen. Sie wählen aber generell die, die sich das Thema auf die Fahne geschrieben haben, welches ihnen am meisten unter den Nägeln brennt. Beispielsweise wird jemand für den die Reduktion von Migration das Hauptanliegen ist, auch dann die AfD wählen, wenn er/sie einen ausgebauten Sozialstaat oder mehr Klimaschutz generell befürwortet. Das nennt sich single-issue voting und ist gerade unter politisch weniger aktiven bzw. interessierten Leuten (also der Mehrheit) weitverbreitet: Ein Thema entscheidet, der Rest ist nebensächlich oder irrelevant.

    Solange eine Mehrheit der Bevölkerung Klimaschutz (und Anpassung) nicht als wichtigstes Thema betrachtet, wird eine Partei die diesen Standpunkt einen schweren Stand haben.

    • @Claudio M.:

      Konservative und Rechtsextreme wollen aber aus anderen Gründen mehr Klimaschutz. Nämlich, das Alte bewahren. Aber nicht Dinge aus dem 19. Jahrhundert, sondern der letzten zwei, drei Generationen:

      Forstplantagen statt Urwald, Endlose Felder für den Anbau von Tierfutter für die Massentierhaltung und im Süden muss die Alpenlandschaft, die der Mensch erschaffen hat, vor Bären, Luchsen, Wölfen und sonstigem Getier gesäubert werden.

      Weiterhin ist es der Großteil bei Mitte und Rechts, die ihre Drecksschleudern fahren wollen und den Klimawandel gar leugnen, verharmlosen oder in sonstiger Art relativieren.

  • "Dass mehr Menschen Anpassung vor Klimaschutz stellen, verbucht Studienautor Eichhorn aber auch als Erfolg der extremen Rechten."

    Mit dieser Aussage kann ich wenig anfangen. Seit gefühlt 10 Jahren ist für die Wissenschaft klar (ausserhalb der TAZ und Klimareporter Blase), dass wir das heilige 1,5 Grad Ziel reissen und uns so verstärkt um Anpassung kümmern müssen. Ausserhalb Europas hat man das schon längst begriffen und arbeitet intensiv an Anpassungsstrategien durch Mangrovenaufforstung, Wehren und Staudämmen, Züchtung salzresistenter Reissorten usw. Und wenn die Hinwendung zu Anpassungsstrategien nun ein Indikator für rechte Gesinnung sein soll, dann bin ich gewaltig nach rechts gerückt worden, durch diesen Artikel.



    Wie nennen die Autoren denn die Gesinnung derjenigen die den Klimawandel durch jahrelange Klebeaktionen aufhalten wollten? Fortschrittlich zukunftsgewandt?

    • @Heiner Petersen:

      Für Sie gibt es also nur ein ENTWEDER Reduzierung der Erderwärmung ODER Anpassung an höhere Temperaturen? Also ich persönlich hielte es für sinnvoller an beiden Bereichen gleichzeitig zu arbeiten.

      Ich weiß nicht, wie der Autor das nennt, aber ich würde Menschen, die sich für Umweltschutz einsetzen definitiv als fortschrittlich und der Zukunft zugewandt bezeichnen, denn ohne massiven Umweltschutz hat die Menschheit keine Zukunft.

  • Klimaschutz und Anpassung gehen Hand in Hand. Viel zu erwarten ist in erster Hinsicht ja allerdings nicht mehr, dass wir mehrere Kippunkte reißen und bei 2,5-3 Grad bis 2100 stehen ist auch im Mainstream der Forschung inzwischen angekommen. Und masn muss ja leider immer wieder gegen Verleumdungen aus der grünkapitalistischen und Profi-Okö-Ecke betonen, dass die Deep Adaptation Bewegung weder rechts noch fatalistisch ist, sondern die aktive Auseinandersetzung mit und infrasrtukturelle bis spirituelle Vorbereitung auf einen nicht unwahrscheinlichen gesellschaftlichen Kollaps infolge der Klimakatastrophe.

  • Die Einstellung der Bürger in Europa ist verständlich. Insbesonders in Zentraleuropa wurde der CO2 Ausstoß in den letzten Jahren drastisch gesenkt. Deutschland ist lediglich für ca. 1,6% der weltweiten Produktion verantwortlich. Während China in den letzten 5 Jahren seinen Ausstoß pro Jahr, um den gleichen Betrag erhöht hat, den Europa insgesamt pro Jahr produziert. Indien, China, USA, Russland, das sind die Dreckschleudern der Welt. Dort wird das Klima kaputt gemacht.

  • Konsequenter Klimaschutz (und Naturschutz) erfordert einen Systemwandel. Das bieten aber die allermeisten Parteien gar nicht an. Da aber die Parteien auch nur ein Spiegel der Gesellschaft sind, meinen es die meisten auch nicht so ganz ernst mit Klima- und Naturschutz. Vor allem nicht, wenn es eine Umstellung der eigenen Lebensweise erfordern würde.