Jubel in Neukölln über Hamas-Terrorismus: Unsere deutschen Süßigkeiten

Die Bilder der Neuköllner Demo zur Feier der Verbrechen der Hamas sind kein Wunder. Viele auch postkolonial gesinnte An­ti­se­mi­t*in­nen denken so.

Behelmte Polizisten vor einer Menschenmenge.

Jubel für die Angriffe der Hamas: Berlin-Neukölln am Abend des 7. Oktober Foto: Paul Zinken/dpa

Das hatte mehr als nur ein bisschen Sympathie für die offenkundige Massakerlust: Mitten auf Neuköllns Prachtstraße, der Sonnenallee, verteilten am Samstag arabischstämmige Männer und Frauen Süßigkeiten – weil Hamas-Terroristen in Israel besorgten, was die Welt derzeit erschüttert. Morde und Totschläge, Demütigungen, Geiselnahmen in Israels Süden.

So abstoßend diese Gesten auch waren, so verstörend der Befund ausfällt, dass ein Kippa-Träger das Gebiet rund um die Sonnenallee (und anderswo, aber besonders dort) besser meidet: Diese Bekundungen sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt, das ist schon der größte Unterschied hierzulande (und übrigens auch in Israel) zum Gazastreifen. Hier können selbst politisch widerlichste Dinge geäußert werden.

Die Statements von politisch-­offizieller Seite, nun müsse der Rechtsstaat gegen solche Freudenbekundungen vorgehen, sind unrechtsstaatlich: als ob Meinungen nur dann erlaubt sind, wenn sie den eigenen ­Gefühlen nicht wider­sprechen. Auch wenn sie damit bis in den Graubereich des Straftatbestands Volksverhetzung kommen.

Die Bilder der Neuköllner Demo (und ihrer Bewertung in den sozialen Medien) sind kein Wunder, sie haben Resonanz gewinnen können, weil viel zu viele deutsche, auch angeblich postkolonial gesinnte An­ti­se­mi­t*in­nen ebenso denken wie die Süßigkeitenverteilenden auf der Sonnenallee: Na, das hat Israel jetzt davon!, selbst schuld, so was kommt von so was!

Und das eben sind nicht allein Nazis, die so fantasieren, sondern, darauf kommt es hier an, viel zu viele, die sich als politisch links verorten. „Palestine will be free / From the River to the Sea“: So heißt es immer wieder auf (linken) Demotransparenten, in Neukölln und anderswo. Ein Anfang, so glauben sie mit erschreckender Kälte, ist Samstag gemacht worden.

Sie haben erreicht, was sie fantasierten. Wer die nahöstliche Welt in dieser Form sortiert sehen möchte, völkisch gesinnt durch und durch, gibt den Bonbonverteilenden ein Unterfutter der Solidarität, die sie nötig haben, um überhaupt gehört zu werden.

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Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.

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