Jetzt kommen die Erneuerbaren: Die Ära Atomkraft ist endlich vorbei
Deutschland sagt endgültig Tschüss zur Atomkraft. Warum ein Comeback unmöglich ist – und wie die Zukunft der Energieversorgung aussieht.
Diesmal ist es wirklich unwiederbringlich, endgültig und ganz real vorbei mit der Atomkraft in Deutschland. Nie wieder im kalten Novemberwetter Castorzüge ins Wendland blockieren müssen! Nie wieder ermüdende Diskussionen darüber, dass Atomstrom keine saubere Energie ist, nie wieder Angst haben müssen, dass ein Terrorflieger den Reaktor von Biblis ansteuert: Diese Regierung hat endlich zu Ende gebracht, was Franz Josef Strauß (CSU) in Deutschland begann. Und Westdeutschland beinahe bitter bezahlt hätte.
Am 13. Januar 1977 gab es in Bayern so viel Raureif, dass die Stromleitungen zum Block A des AKW Gundremmingen unter der Last rissen. Weil es keine Verbindung zum Stromnetz mehr gab, floss der produzierte Strom nicht mehr ab. Der Reaktor schaltete sich selbst ab. Dann aber versagte die Kette der Sicherheitssysteme: Experten taxierten den Zeitpunkt eines schweren Reaktorunglücks auf fünf vor zwölf. Wobei die Maßeinheit der fünf „Sekunden“ ist.
Ein GAU, der technisch „größte anzunehmende Unfall“: Nie wieder ist Block A ans Netz gegangen. Auch in der DDR schrammte das AKW Greifswald nur knapp an einem solchen GAU vorbei: Weite Teile Nordeuropas wären radioaktiv verseucht worden. Atomkraft war nie sicher, die aktuelle Technologie wird es auch nie sein.
Aber damit ist ja hierzulande Schluss: Willkommen im neuen Energiezeitalter! Windparks und Solarpaneele sorgen heute dafür, dass die Rohstoffkosten für unseren Strom vor Ort für Wertschöpfung sorgen und nicht in einer russischen Uranmine oder einem kolumbianischen Kohlebergwerk.
Netz wird umgebaut
55 Prozent unserer Elektrizität waren 2024 erneuerbar, dank der Ampel sind viele neue Projekte in der Pipeline. Deshalb wird das Netz umgebaut: Nicht mehr aus einem großen (Atom-)Kraftwerk muss der Strom abgeleitet werden, sondern aus vielen kleinen dezentralen hin zu den Großverbrauchern. Solange Kohle- und Atomstrom das Netz verstopfte, kam der Umbau nicht voran.
Leider gibt es ein paar Ewiggestrige, die das boykottieren. Die Union möchte nach der Wahl die Atomkraftwerke wieder anschalten. Die Idee zeigt, dass die Konservativen die Technologie nicht verstanden haben: Für einen Weiterbetrieb bräuchte es Brennstäbe, oder eine Firma, die solche bestellt.
Brennstäbe gibt es nicht von der Stange, die müssen für jedes AKW passgenau angefertigt werden, was oft mindestens anderthalb Jahre dauert. Die ehemaligen Atomkonzerne winken alle ab, PreussenElektra verweist darauf, dass im ersten Rückbaujahr „sehr viel geschehen“ sei.
Gemeint ist das AKW Isar 2 in Niederbayern, das als eines der letzten im April 2023 vom Netz getrennt wurde. Das, was die Union weiterbetreiben möchte, gibt es schon gar nicht mehr.
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